Papierfabrikant Heinzel: "Würden bei Gas-Stopp binnen Tagen stehen"
Die Heinzel-Gruppe erzeugt in Pöls (Steiermark) und Laakirchen (OÖ) Zellstoff, Verpackungs- und Magazinpapier. Sebastian Heinzel übernahm Anfang April als CEO das Ruder des von seinem Großonkel gegründeten Familienunternehmens. Dem KURIER schildert er, was ein Gas-Lieferstopp für den Papierkonzern bedeuten würde und warum ein Werkstillstand auch Wasser verschmutzen würde.
KURIER: Was ist derzeit die größte Herausforderung?
Sebastian Heinzel: Die Preisexplosion bei Energie, Logistik und Chemikalien trifft uns mit voller Härte. Sorgen bereitet uns aber auch die Seelogistik sowie der Transport auf der Straße. Und jetzt steigen auch noch die Holzpreise...
Das heißt, Sie können die Kosten nicht mehr an ihre Kunden weiterreichen?
Es ist ein ständiges Hinterherhächeln. Wir haben jetzt schon Papierpreise, wo es kaum noch weiter nach oben geht. Da wird die Nachfrage sinken und damit die Konjunktur abgewürgt.
Es gab in der Papierindustrie schon kurzfristige Produktionsstopps. Droht bald Papierknappheit?
Also ich sehe derzeit keine Papierknappheit über Monate. Der Konsument muss sich keine Sorgen machen. Es wird immer genug Klopapier, Kopierpapier oder Zeitungspapier geben. Vorausgesetzt wir können produzieren...
Wie abhängig sind Ihre zwei Fabriken in Österreich vom Gas?
Fakt ist, dass wir ohne Gas nicht produzieren können. Bei einem vollständigen Gas-Stopp könnten wir nur unsere Fabriken geordnet runterfahren und würden dann binnen weniger Tage stehen. Die Mitarbeiter müssten dann in Kurzarbeit.
Welche Konsequenzen hätte ein Stillstand?
Da hängt mehr dran als man glaubt. Wir sind insofern systemrelevant, weil etwa das Zellstoffwerk Pöls auch ein großer Fernwärme-Lieferant ist. Wir versorgen 11.000 Haushalte, mehrere Industriebetriebe und eine Bundesheerkaserne mit Wärme. Die wären dann auch betroffen. In Laakirchen klären wir über unsere Kläranlage das gesamte Abwasser der Gemeinde mit. Steht die Fabrik, steht auch die Kläranlage. Ein voller Gas-Stopp wäre also relativ dramatisch.
Gibt’s einen Notfallplan?
Es gibt Szenarien, auf unterschiedliche Ölsorten umzusteigen. Wir haben uns ausgerechnet, wie viel Öl da in der Stunde angeliefert werden müsste. Das ist ein unrealistisches Szenario.
Was würde eine Gas-Drosselung bedeuten?
Das wäre von den systemischen Auswirkungen weniger dramatisch, wir könnten mit einer statt zwei Papiermaschinen weiterlaufen. Es würde aber die Hälfte unserer Kunden um Papier umfallen, für uns wäre es wirtschaftlich ein schwerer Schlag.
Würden bei einer Drosselung nur bestimmte Papiersorten produziert?
Das hat nichts mit dem Produkt zu tun. In Laakirchen macht eine Maschine Papier für Transportverpackungen und ein anderes Papier für Magazine und Kataloge. Wir würden die abdrehen, die weniger Energie braucht.
Wozu braucht es das Gas bei der Produktion?
Vereinfacht gesagt, um das feuchte Papier zu trocknen. Dazu braucht man Wärme und das erzeugt man am besten mit Gas. Wir brauchen es aber auch, um die Geruchsstoffe zu verbrennen. Hätten wir kein Gas, würde es in der Produktion stinken.
Der in den 1940er Jahren von Wilfried Heinzel, Großonkel von Sebastian Heinzel, gegründete Papierkonzern erzeugt an vier Standorten in Europa Marktzellstoff, Verpackungspapiere sowie Magazinpapiere und handelt weltweit mit Zellstoff, Papier, Altpapier und Verpackungslösungen.
Vier Werke
Mit den Produktionsunternehmen Zellstoff Pöls, Laakirchen Papier, Raubling Papier und Estonian Cell gehört sie nach eigenen Angaben zu den wichtigsten Zellstoff- und Papierproduzenten in Mittel- und Osteuropa. Dazu kommen noch die drei Handelsunternehmen heinzelsales, Europapier und Bunzl&Biach.
2.400 Mitarbeitende sind weltweit beschäftigt. 2021 wurden 2 Mrd. Euro umgesetzt, die Verkaufsmenge (54,7 Prozent Handelsware, 45,3 Prozent Eigenproduktion) legte um 26.000 auf 3,71 Mio. Tonnen zu
Sebastian Heinzel, Sohn von Alfred Heinzel, folgte am 1. April Kurt Maier als CEO nach. Er war zuvor Chief Strategy Officer. Maier wechselte in die Rolle des Chief Operation Officer (COO). CFO Barbara Potisk-Eibensteiner komplettiert die dreiköpfige Unternehmensführung.
Wie rasch kann das Gas ersetzt werden?
Kurzfristig gar nicht. Mittelfristig beschäftigten wir uns seit Jahren damit, die fossilen Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen. Am einfachsten geht das in Pöls, weil wir dort schon sehr viel grüne Energie produzieren. Dort können wir bis 2040 völlig CO2-neutral sein.
Warum dauert das so lange?
Die Errichtung ein einen großen Biomassekraftwerks kostet zig Millionen und bedarf Genehmigungen.
Kann der Produktionsausfall von anderen Werken kompensiert werden?
Nein, alle Werke fahren zu 100 Prozent, verlagern geht da nicht. In Deutschland hätten wir dasselbe Problem, in Estland sind wir weniger von russisches Gas abhängig.
Die Unternehmerfamilie Heinzel betreibt auch eigene Kraftwerke, etwa einen Winpark im Burgenland. Ein zweites Standbein?
Ja, das Thema erneuerbare Energien wollen und werden wir neben dem Kernbereich Papier und Zellstoff strategisch ausbauen.
In der Papierindustrie finden gerade Lohnverhandlungen statt. Die Gewerkschaft fordert 6 Prozent mehr. Gerechtfertigt?
Da möchte ich gar nicht in die Debatte eingreifen. Der Hintergrund ist für beide Seiten schwierig. Zur Lohn-Preis-Spirale: Wir müssen alle Kostenspiralen irgendwann stoppen, ansonsten können wir nicht mehr wirtschaften.
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