Panama-Papiere: Nicht alles ist Schwarz-Weiß

Panama-Papiere: Nicht alles ist Schwarz-Weiß
Warum Briefkastenfirmen legal und legitim sein können. Und warum die Berichterstattung übers Ziel schießt.

Die Brisanz der Panama-Papiere ist offenkundig, sie kleinzureden wäre absurd. Das Datenleck legt den Finger in eine Wunde des globalen Finanzsystems, die dringend geschlossen gehört. Über Briefkastenfirmen verschleierte Geldströme dürfen keine kriminellen Aktivitäten decken: Wo Korruption, Geldwäsche oder Steuerbetrug grassieren, kann es keine Entschuldigungen geben.

Nicht alles ist aber nur schwarz oder weiß. Im Überschwang der Enthüllungen gehen viele Nuancen unter. Diese wären aber wichtig, um die richtigen Lehren aus dem Skandal zu ziehen.

Ertappt, also schuldig

Sehr viele sind es nicht, aber es gibt sie: Gute (legale) Gründe, warum sich jemand einer Offshore-Konstruktion bedient. Etwa, um Geld vor der Enteignung durch ein fragwürdiges Regime zu schützen. Oder um Firmengeheimnisse vor Rivalen zu verbergen. Oder um den Zugriff von Erben oder Gläubigern auf ein Vermögen zu verhindern – das mag moralisch verwerflich sein, ungesetzlich ist es nicht. In der Panama-Debatte fällt all das unter den Tisch. Stattdessen greift ein gefährlich falscher Zirkelschluss um sich: Wer nichts zu verbergen hat, hat keine Briefkastenfirma. Also muss was dran sein, wenn jemand mit so was ertappt wird.

"Vielleicht sehe ich das mit einem Tunnelblick, aber ein anständiger Mensch hat kein Konto in Liechtenstein", sagte Staatsanwalt Michael Radasztics sogar im Falter. Wirklich? Der Vorarlberger, der bei Hilti in Liechtenstein arbeitet und sein Gehaltskonto bei der Bank in Vaduz hat, ist kein anständiger Mensch?

Empörtes Raunen

Wenig behaupten, möglichst viel andeuten: Jeder Journalist weiß, wie das geht. Bei den Panama Papers wird das Unkonkrete zu hoher Meisterschaft geführt. Da haben Personen "aus dem Umfeld" gesteigerten "Rechtfertigungsbedarf". Oder es gibt "auffällige Verbindungen".

Was ist nun wirklich Sache: Hat die Person xy Steuern hinterzogen? Oder Gesetze gebrochen? Das können selbst jene Journalisten, die Zugriff auf die geleakten Dokumente haben, leider so gut wie nie beantworten. Dann sollten sie das aber auch nicht andeuten – das bleibt Sache der Steuerbehörden und Staatsanwälte.

Billiger! Schneller!

Ein Unternehmen in nur zwei Tagen gründen, mit minimalen Kosten, ohne bürokratischen Aufwand? Die Weltbank findet das großartig und belohnt so ein tolles Geschäftsumfeld mit guten Plätzen in der "Ease of Doing Business"-Länderrangliste. Genau das haben Panama, British Virgin Islands, Isle of Man, aber auch Luxemburg oder Neuseeland auf die Spitze getrieben. Wo hört das Vorbild auf, wo fängt die Steueroase an? Es ist nicht zuletzt der viel gelobte föderale Wettbewerb, der US-Staaten wie Delaware, Nevada, Wyoming dazu treibt, sich als steuergünstige Gründerzentren zu positionieren.

Panama am Donaukanal

Weil Österreicher gerne moralisieren: Man könnte auch vor der Haustüre beginnen. Die EU wurde im Kampf gegen Steuerbetrug nämlich sehr lange ziemlich im Regen stehen gelassen. Österreich hat mit Verweis auf das Bankgeheimnis den Datenaustausch über ausländische Konteninhaber in der EU am allerlängsten blockiert. Nämlich bis 2014, sogar eine Spur länger als Luxemburg.

Woher ist wurscht

Wer hat die Daten an die Öffentlichkeit gespielt? Wie ist derjenige dazu gekommen? Welche Interessen verfolgt er? Wurde die Anwaltsfirma Mossack Fonseca (MF) gehackt, wie sie behauptet? Geben die Daten ein vollständiges Abbild der Kundenliste, oder wurde hier manipuliert? All das bleibt unbeantwortet. Es wäre aber wichtig, um die Berichterstattung einordnen zu können. Anders lässt sich auch der Vorwurf, dass hier Journalisten aus aller Welt instrumentalisiert werden, nicht entkräften.

Ein Fisch im Ozean

Mit Panama und Mossack Fonseca trifft es keine Waisenknaben: Das mittelamerikanische Land und die nun unfreiwillig weltberühmte Kanzlei haben das Geschäft mit den verschleierten Vermögen kräftig vorangetrieben. Auch 2,6 Terabyte Daten über 214.000 Briefkastenfirmen dürfen aber nicht darüber hinwegtäuschen: Beide sind winzige Fische im riesigen Offshore-Ozean.

Das ist entscheidend. Die Hoffnungen, den globalen Steuerbetrug einzudämmen, ruhen nämlich auf der OECD, einem Reiche-Staaten-Klub mit 34 Mitgliedern – darunter als größtes die USA. Für die OECD-Staaten ist es sicher ein Leichtes, politischen Druck auf Panama auszuüben. Aber werden sie ebenso unerbittlich sein, wenn es drum geht, Schlupflöcher für intransparente Mantelgesellschaften in US-Bundesstaaten wie Delaware, Nevada und Wyoming zu schließen?

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