Es ist 7 Uhr früh, der Nebel hängt tief über dem Industriegebiet Leobendorf. Im Depot des Paketdienstes GLS in Niederösterreich sind die Fahrer schon bei der ersten Jause. Ihr Dienst hat um 5 Uhr begonnen. Sie laufen hektisch zwischen Förderbändern und tausenden Paketen umher, manche holen sich noch schnell einen Kaffee aus dem Automaten.
Dimitar Botev steht auf der Ladefläche seines Lieferwagens und sortiert die letzten Pakete, bevor es losgeht. Der 36-Jährige mit dem akkuraten Kurzhaarschnitt fährt an diesem Montag jene Waren aus, die am Freitag zuvor nicht zugestellt werden konnten. Er ist einer von 130 Fahrern, die für GLS von diesem Standort aus unterwegs sind. Seit dem ersten Lockdown hat sich ihr Arbeitsaufkommen um rund ein Viertel gesteigert. Jetzt kommt noch das Weihnachtsgeschäft dazu. „Neun von zehn Fahrern, die in dieser Zeit anfangen, hören wieder auf. Aber die, die Weihnachten überstehen, schockiert nichts mehr“, erzählt Standortmanager Thorsten Storch. Doch das war vor Corona.
Ob Kleidung, Möbel, Bücher oder Essen: Seit uns die Pandemie fest im Griff hat und geschlossene Geschäfte zur Tagesordnung gehören, boomt der Online-Handel. Ein Fünftel der Österreicher bestellt mehr als zuvor im Internet. Den stärksten Zuwachs gibt es bei Computern und Kosmetik.
150 Millionen Pakete
Bei GLS als drittgrößtem Paketdienst nach Post und Dpd kommen allein in Wien pro Tag 20.000 Pakete rein und wieder raus. Die Post geht davon aus, dass sie dieses Jahr insgesamt 150 Millionen Pakete zustellen wird – 2019 waren es „nur“ 127 Millionen. Und da Dienstleister wie GLS nicht nur zustellen, sondern auch abholen, muss auch die Retourenquote beachtet werden. Die Hälfte der bestellten Kleidungsstücke wird zurückgeschickt.
Dimitar Botev eilt die Kärntnerstraße im 1. Bezirk hinunter und sucht nach einer Adresse. Er findet sie, läutet, fährt hinauf in den zweiten Stock und zückt währenddessen schon seinen Scanner. „Hier bitte unterschreiben“, sagt er und schließt die Bestellung ab. „So geht es den ganzen Tag“, erklärt der gebürtige Bulgare. In seiner alten Heimat hat er eine Zeit lang Wirtschaft studiert und in der 2. Liga Fußball gespielt. Mittlerweile ist er seit fünf Jahren bei GLS. Die Arbeit sei stressig, mache ihm aber Spaß. Nur die Unfreundlichkeit mancher Menschen setze ihm zu. „In den großen Lagern der Baumärkte behandeln sie uns wie Müll“, sagt Botev.
Zuletzt standen Paketdienste immer wieder aufgrund der Arbeitsbedingungen im Fokus. Schlechte Bezahlung und prekäre Anstellungsverhältnisse in den beauftragten Subunternehmen, lautete die Kritik. Auch GLS stellt die Fahrer nicht direkt an, sondern arbeitet mit Transportunternehmen, die sie stellen. Die Zeit der Ausbeutung sei jedoch vorbei, versichert Standortmanager Storch. „Man wird nicht schnell reich, aber untervergütet ist hier auch keiner mehr. Wir wollen die Fahrer ja lange behalten.“ Fahrer Botev sagt, er verdiene 1.800 Euro netto im Monat. Als langjähriger Mitarbeiter gehört er zu den Besserverdienern.
Auch bei der Post gilt: „Kollegen mit neuen Kollektivverträgen leisten sehr viel für ihr Geld. Ich habe einen alten Vertrag mit Überstunden, Zulagen, Qualitätsbonus“, meint Walter Nirschl, seit mehr als 20 Jahren Paketzusteller bei der Post. Sein Grundlohn: 2.200 Euro brutto. Über Trinkgeld freuen sich beide.
Die häufigste Beschwerde bei GLS ist, dass Pakete nicht bis zur Haustür zugestellt und gleich im Paketshop landen würden. Standortmanager Storch erklärt: „Aufgrund des Datenschutzes dürfen keine Telefonnummern mehr angegeben werden. Wenn auf der Klingel also keine Namen stehen, bleibt den Fahrern nichts anderes übrig.“ Zudem ist die Zustellung nur bis zur ersten verschlossenen Tür vorgesehen. Für Kunden sei das die Wohnungstür, für Zusteller aber oft schon die Haustür. Im Gegensatz zur Post haben sie keinen Z-Schlüssel.
Dimitar Botev ist mittlerweile Richtung Rudolfsplatz unterwegs. Im Radio läuft Ö3, die Musik sei wichtig, wenn man den ganzen Tag alleine unterwegs ist. Ob er selbst auch online bestellt? „Ja sicher. Und wenn es über GLS kommt, kann ich es gleich aus dem Lager mitnehmen.“
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