Wie Orbans Regierung auch österreichische Unternehmen aus dem Land drängt

Wie Orbans Regierung auch österreichische Unternehmen aus dem Land drängt
Firmen beklagen Verstoß gegen die Grundprinzipien der EU und des Binnenmarkts: und fordern in Brüssel ein Einschreiten der EU.

Einmal ist es eine Sondersteuer für den Lebensmittelhandel, die passgenau auf österreichische und deutsche Ketten zugeschnitten ist, ein andermal eine per Notfallverordnung verhängte Gebühr: Es ist eine dramatische Schilderung politischer Willkür, mit der eine Gruppe österreichischer und deutscher Unternehmen in diesen Tagen in Brüssel an die Türen der EU-politischen Entscheidungsträger klopft.

Die Orban-Regierung in Ungarn, so berichten die Firmenchefs im Gespräch mit dem KURIER und anderen Medien, würde systematisch vorgehen: „Da wird nichts dem Zufall überlassen, die nehmen sich ganze Branchen vor“. Namentlich, so bittet der Vertreter eines heimischen Unternehmens, wolle man nicht genannt werden: Sonst käme man noch mehr ins Schussfeld der Behörden.

„Firmen leiden massiv“

Dass diese politischen Willkürakte an der Tagesordnung sind, bestätigt Österreichs Europaministerin Karoline Edtstadler: „Wir haben große Unternehmen in Österreich, die massiv darunter leiden.“

Zementindustrie

Branchen, die sich die ungarische Politik vorgenommen hat, sind jene, in denen ausländische Firmen dominieren. Etwa die Zement- und Baustoffindustrie. Dort hat man erst vor zwei Jahren Sondersteuern für den Abbau von wichtigen Grundstoffen wie Sand, oder Kies eingeführt. Ein Fixpreis wurde eingeführt, sobald der überschritten wird, werden 90 Prozent Steuer kassiert – auf den Umsatz. Dazu gibt es eine extra Kohlendioxid-Abgabe, die aber dem von der EU geplanten Emissionshandel gänzlich zuwiderläuft. 

Übergangen

Man könne so nur Verluste machen, erläutert ein deutscher Unternehmer. Bei Ausschreibungen für Sand- oder Kiesgruben in Ungarn werde man obendrein konsequent übergangen. Er habe sich dutzende Male um eine Lizenz beworben, erzählt der Vertreter eines Unternehmens, das seit Jahrzehnten in Ungarn tätig ist, ohne auch nur einmal den Zuschlag zu bekommen. An der Höhe des Angebots könne es jedenfalls nicht gelegen sein: Die politisch bestens vernetzte Firma, die schließlich zum Zug kam, habe um ein Vielfaches weniger geboten.

Übernahmeangebote

Sobald sich diese deprimierende Einsicht bei den Firmen festgesetzt hat, treten Ungarn auf den Plan, mit einem Kaufangebot. Das läge zwar unter dem Marktwert der Firma, aber sei gerade gut genug, „um mit einem blauen Auge davonzukommen“. Ein Weg, den inzwischen viele ausländische Unternehmen in Ungarn gewählt haben. Für die heimische Wirtschaft ist das eine nicht unbedenkliche Entwicklung. Schließlich ist Österreich Ungarns drittgrößter Handelspartner, österreichische Investoren in Ungarn liegen im globalen Vergleich auf Platz drei.

Klagen bei Gericht

Das alles würde den Prinzipien des EU-Binnenmarktes klar widersprechen, erzählen die Unternehmer, die auch schon zahlreiche Klagen beim Europäischen Gerichtshof in Luxemburg eingebracht haben. Dort aber würden die Mühlen sehr langsam laufen, zu langsam jedenfalls, um der Orban’schen Strategie etwas entgegenzusetzen. Die ähnelt jener, mit denen sich Budapest auch gegen andere EU-Strafverfahren verteidigt: Gerät ein Gesetz ins Visier der Brüsseler Behörden, lässt man einfach ein Neues folgen, mit dem gleichen Inhalt.

 

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