Milliarden-Wettlauf um Nordsee-Öl
Nordsee statt Nabucco, Öl und Gas aus sicherer Quelle statt Pipeline-Abenteuer mit unsicherem Ausgang: Für eine Rekordsumme von fast zwei Mrd. Euro beteiligt e sich der heimische Mineralölkonzern OMV an vier Öl- und Gasfeldern in der Nordsee. Finanziert wird der Deal mit Eigenmitteln. Einigen Aktionären schien der Kaufpreis überhöht, der Aktienkurs fiel um mehr als drei Prozent.
Warum ausgerechnet die Nordsee? Die Ölvorkommen dort sind begrenzt und immer schwerer zu heben. Die Ölförderung ist daher seit Jahren rückläufig und fiel mit 2,2 Millionen Fass pro Tag zuletzt auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Kritikern zufolge könnte die Förderung bereits in zehn Jahren bedeutungslos sein.
Keine Alternative
„Es gibt derzeit nicht wirklich viele Alternativen, in stabilen Regionen zu investieren“, begründet David Wech, Experte bei JBCEnergy das Nordsee-Revival. Andere Öl-Regionen wie etwa Libyen seien zu unsicher, am Golf von Mexiko seien die technischen Herausforderungen zu groß und ansonsten käme nur noch das umstrittene Schieferöl bzw. -gas infrage. Wech geht davon aus, dass sich bis 2030 die Fördermengevon Nordsee-Öl auf nur noch 1,1 Millionen Fass pro Tag halbieren wird, „aber das heißt nicht, dass es sich nicht trotzdem noch lohnt zu fördern.“ Allein aus geografischer Sicht sei Nordsee-Öl wichtig für Europa.
FAKTEN: Öl und Gas in der Nordsee
Regionen Seit den 1970er- Jahren wird in der Nordsee Öl gefördert. Die größten Vorkommen liegen im norwegischen und britischen Sektor. Neuere Funde gibt es v. a. rund um die Shetland-Inseln.
Förderung Mehr als 400 Bohrinseln, die meisten davon im britischen Sektor.
Menge Die gesamte Fördermenge der Nordsee könnte den Weltverbrauch an Erdöl für ca. drei Jahre decken. Die Fördermenge hat sich seit dem Höchststand 1999 halbiert und geht weiter zurück.
120 Mrd. Euro investieren Energiekonzerne in den nächsten Jahren in die Suche nach Öl in der Nordsee.
Die OMV-Beteiligung an Öl- und Gasfeldern vor der britischen und norwegischen Küste ruft auch Kritiker auf den Plan. Julia Kerschbaumsteiner, Energiesprecherin von Greenpeace, erinnert an massive Pannen in der Nordsee. Im März 2012 hätten 240 Arbeiter infolge eines Gaslecks von einer Statoil-Plattform evakuiert werden müssen. Sie beanstandet das Krisenmanagement der Ölkonzerne: „Statoil betrieb eine sehr zögerliche Informationspolitik – eine Wahrnehmung, die wir auch bei der OMV immer wieder haben“, sagt sie. Die OMV habe in der Vergangenheit des Öfteren bewiesen, dass Gewinnmaximierung die oberste Prämisse sei, so Kerschbaumsteiner.
Umweltverschmutzung
Die Gier nach fossilen Energieträgern ist folgenreich. In der Nordsee gelangen laut Greenpeace-Schätzung jährlich rund 10.000 Tonnen Erdöl ins Meer – alleine im Produktionsbetrieb, Pannen noch nicht eingerechnet. „Man kann feststellen, dass es jährlich hunderte Unfälle in der Nordsee gibt. Die meisten gehen zum Glück sowohl für die Umwelt als auch für die Menschen glimpflich aus“, sagt Greenpeace-Öl-Experte Jörg Feddern. Die Auswirkungen der Ölgewinnung auf die Umwelt seien gravierend: „Im Umkreis dieser Plattformen ist die Tier- und Pflanzenwelt massiv geschädigt.“
Wie lange die Förderung in der Nordsee noch lukrativ ist, sei unvorhersehbar. Dies hänge vorrangig vom Ölpreis ab. Je höher der Ölpreis (derzeit rund 110 US-Dollar pro Barrel Brent) sei, desto mehr rentiere es sich für die Unternehmen, weniger ertragreiche Vorkommen auszubeuten oder stillgelegte Fördergebiete wieder zu erschließen. - Thomas Sendlhofer
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