Ob Milch, Bier, Wein, Babynahrung, Marmeladen, oder Öl und Essig – viele Abfüllanlagen für Lebensmittel sind auf Glasgefäße und -flaschen ausgelegt. Dazu kommen noch Pharmazeutika, sprich Tabletten, Tropfen und Impfstoffe, die in Glasverpackungen abgefüllt werden.
„Wenn diese Glasverpackungen nicht mehr verfügbar sind, dann ist auch die Belieferung mit lebensnotwendigen Gütern beeinträchtigt“, warnt der Fachverband der Glasindustrie in der WKO in seinem Jahresbericht. „Ein Ausfall der Glasverpackungen hätte bei zahlreichen Produktgruppen eine Verknappung zur Folge und die Lebensmittel- und Gesundheitsversorgung der Bevölkerung wäre gefährdet.“
Der Grund liegt auf der Hand: Die Glasindustrie und auch die Glasverarbeiter leiden unter den hohen Energiepreisen. Denn der Gaspreis hat sich auf fast 200 Euro pro Megawattstunde etwa verzehnfacht.
„Wir sind vom Gas abhängig. Ohne Gas gibt es kein Glas. Die ganze Entwicklung ist nicht lustig“, sagt Alexander Krissmanek vom Fachverband der Glasindustrie. „Die Energiepreise sowohl beim Gas als auch beim Strom treffen uns voll. Es muss hier eine Entlastung für energieintensive Betriebe kommen, da brennt der Hut.“ Die Glasindustrie (1,1 Milliarden Euro Produktionswert) sei „systemrelevant, was aber nicht ganz bei allen Entscheidungsträgern ankomme.“
„Die Nachfrage nach Verpackungsglas ist bis jetzt ungebrochen. Wir kommen aber nicht umhin, die enorm gestiegenen Kosten in Form von Preisanpassungen an unsere Kunden weiterzugeben“, sagt Johann Eggerth, Geschäftsführer von Vetropack Austria in Pöchlarn. „Wir versuchen den Kunden die von uns nicht beeinflussbaren Energiepreise darzulegen und stoßen nicht auf Begeisterung, aber schon auf Verständnis.“
Bierflaschen
Es komme vor, dass sich kleinere Firmen aufgrund der steigenden Preise mit Glasverpackungen eindecken. Größere Unternehmen haben nicht die Lager, um größere Mengen Glasverpackungen zu bunkern. „Das ist für eine große Brauerei fast unmöglich“, sagt Eggerth. Siegfried Menz, Obmann des Verbandes der Brauereien Österreichs, sagt, dass der Preis für Bierflaschen um 30 bis 40 Prozent gestiegen ist. „Bei der Mehrwegflasche haben wir das Problem, dass es überhaupt schwierig ist, dass wir genügend Flaschen bekommen“, sagt Menz. „Im Grunde müssen wir schauen, wie diese Preisexplosion weitergeht.“
Andreas Dornhackl, Geschäftsführer des Handelsunternehmens Müller Glas mit Stammsitz in Göttlesbrunn, dessen wichtigstes Produkt Weinflaschen sind, bestätigt im KURIER-Gespräch, dass die Preise im April um 15 Prozent und im September um 25 Prozent gestiegen sind. Dornhackl: „Die Kunden brauchen Flaschen, müssen weiter Abfüllen können und nehmen aufgrund der Alternativlosigkeit die Preiserhöhungen zähneknirschend zur Kenntnis.“
Glas-Recycling
2021 wurden 266.700 Tonnen Altglas zwecks Recycling gesammelt. Beim Einschmelzen von Altglas wird deutlich weniger Energie benötigt, als bei Herstellung von Primärglas. Je Einsatz von zehn Prozent Altglas können drei Prozent Energie und sieben Prozent bei der Neuproduktion eingespart werden. So können bei Buntglas bis zu 90 Prozent recyceltes Altglas eingesetzt werden, bei Weißglas bis zu 65 Prozent. Und: Glas lässt sich immer wieder verwerten, ohne an Qualität zu verlieren.
Flachgläser
Neben den Glasverpackungen ist das Flachglas das zweitwichtigste Produkt, das vor allem in Fenstern und im Fassadenbau zum Einsatz kommt. Diese Branche hat in den vergangenen Jahren von der guten Baukonjunktur profitiert. Da eine Flachglashütte in Ungarn wegen der hohen Energiepreise den Betrieb einstellt, so Krissmanek, könnte es zu einer Verknappung von Basisglas kommen. „Die Kosten von nicht in Österreich produzierten Flachglas sind innerhalb von 24 Monaten um 100 Prozent gestiegen“, erklärt Josef Hattmannsdorfer von der Firma Interpane in Parndorf. „Die veredelten Produkte steigen um 40 bis 50 Prozent.“
Im Fassadenbau sei die Lage noch in Ordnung, doch langfristig rechnet er, dass die Aufträge aufgrund der hohen Energiekosten weniger werden. „Wir kaufen das Basisglas ein und für die Be- und Verarbeitung brauchen wir Strom“, sagt Hattmannsdorfer. „Der Strompreis hat sich von 7 Cent auf 40 Cent erhöht. Die Lage ist sehr angespannt.“
Glas habe im Fassadenbau gegenüber Ziegeln und Beton mittlerweile stark gewonnen. „Wir stellen komplette Türme her aus Stahl, Aluminium und Glas“, sagt der Interpane-Chef. „Und da gibt es jetzt Preise, die muss ein Investor auch stemmen können.“ Nachsatz: „Wenn wir weiter die Produkte so teuer einkaufen, werden wir versuchen, die Preissteigerungen an den Kunden abwälzen. Die Frage ist dann aber, wer kann sich das Produkt noch leisten und kauft es.“ Hattmannsdorfer sieht am Ende vor allem die Arbeitsplätze in seiner Branche gefährdet. Zugleich könnten einige Firmen auf der Strecke bleiben, denn wenn es weniger Aufträge gibt, dann ist ein immenser Druck auf die Preise.
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