China: Peinlich entblößte Prinzlinge

Gold und Geschmeide gehören für Chinas Reichste ebenso zum Must-have wie ein Offshore-Konto.
Die Macht- und Geldelite hortet riesige Vermögen in karibischen Steueroasen

Teure Blumenbukette bei Veranstaltungen, edle Schnäpse, kostspielige Reisen – alles, was nach Verschwendung aussieht, ist Chinas Offizieren neuerdings verboten. Seit Staatschef Xi Jinping der Korruption und Vetternwirtschaft im Reich der Mitte den Kampf angesagt hat, wird hart durchgegriffen. Mehr als 100.000 Beamte wurden entlassen, mehrere hohe und lokale Parteikader verhaftet.

Doch welche verschlungenen Wege die wirklich großen Vermögen in China nahmen, darüber vermochte die neue Staatsführung noch nichts in Erfahrung zu bringen. Umso tiefer blickten dafür Dutzende internationale Journalisten, darunter einige der Süddeutschen Zeitung, denen anonym 2,5 Millionen Files über Offshore-Firmen zugespielt worden waren. Für Chinas Geld- und Machtelite könnten die Enthüllungen nicht peinlicher sein: Heimlich und in großem Stil wickelt sie gigantische Geschäfte über Steueroasen ab. Mehr als 21.000 Offshore-Kunden aus China und Hongkong finden sich vorwiegend auf den britischen Jungfern- und Cook-Inseln.

Reiche Verwandtschaft

Dabei tauchen nicht nur die Namen sämtlicher reicher Geschäftsleute auf, sondern auch die engste Verwandtschaft des roten Politadels. Zu den Inhabern einer Briefkastenfirma auf den Jungfern-Inseln zählt etwa der Immobilien-Mogul und Schwager von StaatspräsidentXi Jinping. Auch Ex-Premier Wen Jiaobos Sohn, Tochter und Schwiegersohn parken Vermögen auf Offshore-Konten. Insgesamt befinden sich zahlreiche Familienmitglieder von fünf amtierenden oder ehemaligen Spitzenpolitikern Chinas auf der geleakten Liste. Pekings Führung waren die Berichte nur einen knappen Kommentar wert. Die Artikel seien „unlogisch“ und „verfolgten dunkle Motive“, sagte ein Sprecher des Außenministeriums.

Ohne Sondergenehmigung dürften chinesische Staatsbürger jährlich nur Devisen im Wert von maximal 50.000 Dollar ins Ausland bringen. Doch Schätzungen gehen davon aus, dass seit dem Jahr 2000 an die 4000 Milliarden Dollar aus der Volksrepublik verschoben wurden. „Wir sind nicht überrascht“, bestätigt ein Sprecher des US-Think-Tanks „Global Financial Integrity“, „China ist der weltgrößte Exporteur von Schwarzgeld, gefolgt von Russland und Mexiko.“

„Wie Handtaschen“

Chinas Wirtschaftsbosse verschoben so viel Geld auf die karibischen Steueroasen, dass sich vor zwei Jahren sogar die staatliche Bank of China beschwerte: „Korrupte Manager benutzen die Offshore-Firmen wie Handtaschen“, heißt es in ihrem Bericht.

Über den Umweg der Karibik wandern die Milliarden dann oft wieder nach China zurück. „So erklärt sich“, schreibt die Süddeutsche Zeitung, „dass die Jungferninseln der größte ausländische Direktinvestor in China sind.“ 320 Milliarden Dollar flossen 2012 von dort nach China, fast zwei Mal so viel wie die USA und Japan in China investierten. Potenziell illegales Geld kann so – gewaschen – nach Hause zurück.

Fragen nach der Offenlegung von Vermögen sind bei Chinas Geldadel höchst unerwünscht (siehe unten). Und auch politisch nicht ohne Risiko. Denn in kaum einem Land klaffen größere soziale Unterschiede als in China. Dort, wo die hundert Reichsten zusammen – offiziell – über 300 Milliarden Dollar besitzen, während 300 Millionen Menschen mit umgerechnet weniger als zwei Euro pro Tag auskommen müssen.

Vor zehn Jahren priesen Chinas Staatsmedien Xu Zhiyong noch als einen der zehn brillantesten Juristen des Landes. Seit gestern, Mittwoch, steht der 40-jährige Anwalt und Uni-Dozent in Peking vor Gericht. Bis zu fünf Jahre Haft drohen dem prominenten Bürgerrechtler, dessen unbequeme Forderungen für die neue Staatsspitze offenbar nicht tragbar scheinen.

So hatte Xu, der bereits im vergangenen August verhaftet wurde, Chinas Machtelite in einer Online-Petition dazu aufgerufen, ihre undurchsichtigen Vermögensverhältnisse offenzulegen. Als Gründer der „Bewegung der neuen Bürger“ hatte Xu immer wieder gegen Ungerechtigkeit, Machtmissbrauch und Korruption in der chinesischen Gesellschaft Stellung genommen.

Die Anklage wirft ihm nun „Organisation einer Menschenmenge mit dem Ziel der Störung der öffentlichen Ordnung“ vor.

Ausländische Diplomaten, die den Prozess beobachten wollten, standen gestern vor verschlossenen Türen. Begründung: Es gebe nicht genug Sitzplätze.

Neben dem bereits seit Jahren inhaftierten Nobelpreisträger Liu Xiaobo ist Xu Zhiyong der bekannteste chinesische Bürgerrechtler. Seit einigen Monaten greift die neue Staatsführung wieder besonders hart gegen Kritiker durch, Dutzende Aktivisten und liberale Blogger wurden verhaftet.

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