OECD: Heimische Wirtschaft wächst - Aufschwung für Reformen nutzen

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Österreich-Länderbericht: Höheres Wirtschaftswachstum für Reformen im Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystem sowie in öffentlicher Verwaltung nutzen. OECD sieht Nachholbedarf bei Digitalisierung in Österreich.

Die heimische Wirtschaft wächst seit 2016 wieder kräftiger. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) empfiehlt nun in ihrem aktuellen Österreich-Länderbericht, das höhere Wirtschaftswachstum für Reformen im Bildungs-, Gesundheits- und Pensionssystem sowie in der öffentlichen Verwaltung zu nutzen und dadurch das potenziell mögliche Wachstum zu erhöhen.

Nach vier Jahren mit niedrigen Wachstumsraten zwischen 0,1 und 1 Prozent wuchs die österreichische Wirtschaft im Jahr 2016 real wieder um 1,5 Prozent. Für 2017 prognostizieren die Ökonomen des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) ein Plus des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 2,4 Prozent und die Experten des Instituts für Höhere Studien (IHS) und der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) rechnen mit 2,2 Prozent. Im Jahr 2018 soll sich das Wachstum wieder auf 2,0 Prozent (Wifo) oder 1,7 Prozent (IHS, OeNB) abschwächen.

Kosten durch Alterung der Gesellschaft "sehr hoch"

Die OECD hebt in ihrem 144-Seiten-Länderbericht die stabile und wohlhabende Wirtschaft Österreichs hervor. Im Hinblick auf den aktuellen, zyklischen Wirtschaftsaufschwung sollte die Regierung aber weitere Maßnahmen setzen, um die Schuldenquote (öffentliche Schulden im Verhältnis zum BIP) von zuletzt 82,6 Prozent weiter zu senken. Die erwartbaren, steigenden Kosten durch die Alterung der Gesellschaft seien "sehr hoch". Auf diese Kostensteigerung müsse mit einer "schnellen Erhöhung" des effektiven Pensionsalters reagiert werden, empfiehlt die OECD.

Der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gehören 35 Industrienationen und aufstrebende Schwellenländer an. Ziel der Organisation ist es, Regierungen ein Forum zur Zusammenarbeit zu bieten und Lösungen für gemeinsame Probleme zu finden.

Im Bildungs-, Gesundheits- und Pflegesystem und in der öffentlichen Verwaltung in Österreich gibt es nach Ansicht der OECD einige Ineffizienzen, weil die Finanzierung und Verwaltung "zu fragmentiert" ist und sich über zu viele Bereiche erstreckt. Die OECD-Experten empfehlen eine tief gehende Analyse der öffentlichen Ausgaben in diesen Bereichen und eine Angleichung der Steuer- und Ausgabenhoheit. Durch weitere Maßnahmen der Regierung - etwa im Bereich Start-ups, Gewerbeordnung, Insolvenzrecht, Besteuerung von Arbeit - sollte das Potenzialwachstum in den nächsten Jahren gestärkt werden. Wie in anderen OECD-Ländern sind in Österreich die langfristigen Trendwachstumsraten seit den 1990er-Jahren rückläufig.

Die Produktivitätssteigerungen haben sich hierzulande in den vergangenen Jahren verlangsamt und Österreich hat Marktanteile in den regionalen Wertschöpfungsketten verloren, schreiben die OECD-Experten in ihrem Bericht. "Eine Neubelebung der Wirtschaftsdynamik würde die Wettbewerbsfähigkeit und die Arbeitskraftnachfrage erhöhen und das Wirtschaftswachstum und den sozialen Zusammenhalt vorwärtstreiben."

Nachzügler bei Digitalisierung

An prominenter Stelle im Länderbericht warnt die OECD vor einer wachsenden Digitalkluft bei österreichischen Unternehmen und Arbeitskräften (mehr dazu im unteren Abschnitt). Im Vergleich mit anderen OECD-Ländern ist Österreich bei der Digitalisierung eher ein Nachzügler. Die Organisation verweist auf zahlreiche, notwendige Änderungen, um den digitalen Wandel in der Wirtschaft und im Schul- sowie Ausbildungssystem zu beschleunigen.

OECD: Heimische Wirtschaft wächst - Aufschwung für Reformen nutzen
Korrektur: Angaben bei digitaler Kompetenz beziehen sich auf Personen mit hohem bzw. niedrigem Ausbildungsniveau Wirtschaftsleistung (BIP), Entwicklung seit 1995 in Österreich und im OECD-Schnitt - Kurvengrafik; Anteil der Firmen, die mit Cloud-Lösungen arbeiten und digitale Kompetenz von Erwachsenen im Ländervergleich GRAFIK 0725-17, 88 x 134 mm

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ortet in Österreich Nachholbedarf im Bereich Digitalisierung, um an den digitalen Vorreiter Skandinavien aufzuschließen. "Die Anpassung an die globale digitale Revolution verlief in Österreich langsamer als in den am meisten fortgeschrittenen OECD-Ländern", schreiben die OECD-Experten im aktuellen Österreich-Länderbericht.

In einigen Bereichen der Digitalisierung sei Österreich führend, aber gesamt gesehen schreite die Digitalisierung langsamer voran als etwa in Finnland, Schweden, den Niederlanden und Dänemark, sagte die stellvertretende OECD-Generalsekretärin Mari Kiviniemi am Montag bei der Präsentation des 144-Seiten-Länderberichts mit Schwerpunkt Digitalisierung in Wien. Der Abstand Österreichs zu den digital besonders fortschrittlichen Ländern würde sich eher vergrößern. Kiviniemi erinnerte daran, dass in der Digitalwirtschaft ein langsamer Wandel gefährlich sei, weil das Prinzip "The winner takes it all" gelte.

Österreich und Deutschland liegen bei vielen Digitalindikatoren über dem Schnitt der 35 OECD-Industrienationen, aufstrebenden Schwellenländer und EU-28-Mitgliedstaaten, aber hinter den digitalen Vorreitern aus Skandinavien.

6,66 Prozent der Niedrigqualifizierten verfügen in Österreich über fortgeschrittene Digitalkenntnisse, im OECD-Schnitt waren es 6,95 Prozent; in den Vorzeigeländern Niederlande waren es 12,59 Prozent und in Dänemark 12,79 Prozent. Bei Hochqualifizierten liegt der Wert in Österreich bei 50,15 Prozent, im OECD-Schnitt waren es 47,72 Prozent, in Schweden (61,12 Prozent) und in den Niederlanden (62,74 Prozent).

Die OECD empfiehlt einige Maßnahmen, damit der digitale Wandel in Österreich beschleunigt wird: Die im Jänner präsentierte "Digital Roadmap" der Bundesregierung sollte mit Zeitplänen und messbaren Zielvorgaben versehen werden und die "Roadmap" sollte auch die digitalen Kompetenzen von kleinen Unternehmen fördern. Im Rahmen der Breitbandstrategie 2020 raten die OECD-Experten dazu, den Wettbewerb für Breitbanddienstleistungen zu erhöhen und den Markteintritt neuer Breitbandanbieter zu erleichtern.

Außerdem sollte nach Ansicht der OECD ein effektiverer Datenschutz gefördert werden; weiters sollten Cybersicherheit und Verbraucherschutzes gestärkt werden. Um sogenannte "Crowdworker" besser zu vertreten und zu schützen, sollten Arbeitsrecht und Institutionen in Österreich angepasst werden, empfehlen die OECD-Experten.

Infrastrukturminister Jörg Leichtfried (SPÖ) verwies bei der Präsentation des OECD-Berichts darauf, dass Österreichs Leitbetriebe beim Digitalisierungsgrad mit den Skandinaviern mithalten könnten, aber Nachholbedarf bei kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bestehe. Aus der Breitbandmilliarde gebe es 20 Mio. Euro an Förderungen speziell für KMU. Bei der nächste Mobilfunkgeneration 5G will Leichtfried Österreich an die Spitze bringen. Noch immer Sommer werde eine 5G-Strategie präsentiert. Die schnelle Mobilfunkgeneration sei nötig, um automatisiertes Fahren und das Internet der Dinge zu ermöglichen.

In der Schule ist laut dem Infrastrukturminister "eine radikale Wende" notwendig, um eine digitalisierte Schule zu schaffen. Programmieren sei die nächste Kulturtechnik neben Lesen, Schreiben und Rechnen. Leichtfried erneuerte eine Forderung von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ), Gratis-Laptops und -Tablets für Schüler zu ermöglichen. "Was früher die Bleistifte und Zirkel waren, sind heute Laptops and Tablets."

Die für Digitalisierung zuständige Staatssekretärin Muna Duzdar (SPÖ) erklärte bei der Pressekonferenz, dass bei der "Digital Roadmap" ein Monitoring vorgesehen sei. Es sei ein jährlicher Digital-Gipfel geplant, wo die Entwicklung der "Digital Roadmap"-Indikatoren diskutiert werde. "Wir wollen zu den Besten gehören", sagte Duzdar. Es gehe bei der digitalen Gesamtstrategie der Bundesregierung darum, dass von der Digitalisierung "alle Österreicher profitieren" und die digitale Kluft geschlossen werde. Auch in der Schule dürften die digitalen Chancen, "nicht von den Geldtaschen der Eltern abhängig sein". Auch Duzdar sprach sich für Tablets und Laptops für alle Schulkinder aus.

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