Trotz Brutto-Einstiegsgehältern von knapp 4000 Euro fehlt es an qualifizierten Personal. Aufgrund von Pensionierungen und Abgängen benötigen die ÖBB momentan rund 500 neue Lokführer pro Jahr. Doch wie in vielen Branchen herrscht ein Mangel an guten Bewerbern, berichten ÖBB-Mitarbeiter unisono.
Die Bahn greift nun offenbar zum letzten Mittel und kündigt - zumindest teilweise - Betriebsvereinbarungen auf, wobei einige mit 1. Juli auslaufen und einfach nicht verlängert werden, heißt es etwa in einem Eisenbahn-Internetforum. Darin geregelt sind etwa Ruhezeiten oder Durchrechnungszeiträume, die über die gesetzlichen Regelungen hinaus gehen. Die Befürchtung vielerorts ist, dass die Triebfahrzeugführer damit de facto plötzlich zu Springern "degradiert" werden.
Das alles ist ein Spiel mit dem Feuer, wie einige Betroffene meinen - denn kurzfristig können die Lokführer damit flexibel eingesetzt werden, mittelfristig könnte dies aber zu mehr Abgängen und weniger Bewerbungen führen, wenn die Konkurrenz bessere Arbeitsbedingungen bieten kann.
Mehrere Betriebsversammlungen bei ÖBB
Einige Lokführer bereiten offenbar bereits Klagen gegen den Arbeitgeber vor. Diese und kommende Woche werden außerdem bei der Rail Cargo Austria und den ÖBB mehrere Betriebsversammlungen abgehalten, was weitere Ausfälle speziell im Güterverkehr mit sich bringt. Jedenfalls spitzt sich die Lage weiter zu.
Aus ÖBB-Kreisen heißt es hingegen, dass lediglich aufgrund eines Rechtsgutachtens die von den 17 Stellen erstellten Dienstpläne nun nicht mehr dem Betriebsrat zur Unterschrift vorgelegt werden. Statt den damit beschäftigten über 120 Betriebsräten könnte man 40 Vollzeit-Lokführer beschäftigen.
Also alles nur ein Machtkampf zwischen Betriebsrat und Konzernführung?
"Aufgrund von mehreren Betriebsversammlungen des Betriebsrates in der ÖBB Produktion GmbH kam es in den vergangenen Tagen zu Zugausfällen im regionalen Nahverkehr – der Fernverkehr war nicht betroffen. Von den ca. 6.500 täglichen Zügen im Personen- und Güterverkehr, betraf dies rund 1 Prozent", sagt ein ÖBB-Sprecher. "Wir haben versucht, die Auswirkungen für unsere Fahrgäste so gering wie möglich zu halten, indem wir Züge abgetauscht und Kurse zusammengelegt haben."
Die ÖBB sehen nur ein temporäres Problem: "Grund für die Betriebsversammlungen ist eine formale Änderung bei der Vorgehensweise der Dienstplanerstellung unserer Triebfahrzeugführer. In der Vergangenheit mussten diese von den Betriebsräten quittiert werden, was manchmal zu langen Wartezeiten geführt und Ressourcen gebunden hat. Die Praxis bei anderen Mobilitätsunternehmen und ein Rechtsgutachten zeigen, dass die Unterschriften für die rund 200 Dienstpläne, die wir im Jahr erstellen, gar nicht brauchen. Die eigentliche Betriebsvereinbarung, die die Dienste regelt, wurde nicht gekündigt, sondert bleibt bestehen. Auch die Beratung mit dem Betriebsrat zu diesem Thema wollen wir beibehalten."
Von einem Personalmangel will man bei den ÖBB nichts wissen, aktuell seien alleine 500 Lokführer in Ausbildung, der Personalstand sei zuletzt sogar gestiegen: "Wir können alle Züge bereedern. Während den Betriebsversammlungen fehlt es aber leider an Personal.“
Lokführer sind für Kampfmaßnahmen
Die Betriebsvereinbarungen über die Dienstzeiten seien für die 4.400 Lokführer ganz essentiell für die Planbarkeit von Beruf und Familie, sagt hingegen der Betriebsrat.
„Dass wir Züge bewusst ausfallen lassen, weisen wir zurück. Es wäre eine neue Betriebsvereinbarung abzuschließen, aber das Unternehmen hat gesagt, das machen sie nicht mehr. Sie informieren uns maximal, aber sie verhandeln mit dem Betriebsrat nicht über die Arbeitszeiten und schließen auch keine Betriebsvereinbarung mehr ab“, sagt Gerhard Tauchner, Zentralbetriebsratsvorsitzender der ÖBB Produktion zum KURIER.
„Daher ist es unsere Verpflichtung nach dem Arbeitsrecht, Betriebsversammlungen für die Mitarbeiter abzuhalten. Wenn ein Lokführer aber während der Arbeitszeit an einer Betriebsversammlung teilnimmt und wir zu wenig Personal haben, dann kann es passieren, dass Züge stehen. Und das ist passiert. Es wurden mehrere Betriebsversammlungen abgehalten, damit nicht alle Züge stehen.“
Nachsatz: „Das Hauptproblem ist, dass die Arbeitsverfassung nicht eingehalten wird, wir haben als Betriebsrat eine Verantwortung für die Arbeitszeit. Die Kollegen können sich nicht darauf verlassen, wann sie frei haben und das macht das Familien- und Privatleben dann schwierig.“
Der Betriebsrat hat die Lokführer befragt, ob sie mit den Änderungen einverstanden sind. „95 Prozent der Mitarbeiter haben gesagt, es soll weiterverhandelt werden und 100 Prozent wollen gewerkschaftliche Kampfmaßnahmen“, sagt Tauchner.
Kommentare