Das zeigt sich an den Ergebnissen des ersten Quartals 2021, als Borealis erstmals konsolidiert wurde. Der Betriebsgewinn der gesamten OMV stieg um 24 Prozent auf 870 Millionen Euro, mehr als die Hälfte davon steuerte Borealis bei.
Stern wird also nicht mehr in die Erschließung neuer Öl- und Gasfelder investieren, sondern ins Chemie- und Kunststoffgeschäft. Vermutlich 2022 dürfte die OMV die restlichen 25 Prozent an Borealis kaufen und ihre Beteiligung am Kunststofferzeuger Borouge in Abu Dhabi aufstocken. Dieses Joint Venture von Borealis und dem arabischen Ölgiganten Adnoc könnte die internationale Kunststoff-Drehscheibe werden. Projekte für eigene Standorte in Asien hatte die OMV wieder verworfen. Stattdessen können die Plastikteile von Abu Dhabi Richtung Asien geliefert werden. Vorausgesetzt, das Recycling funktioniert. Hier arbeitet die OMV an innovativen Projekten.
Die wiederholten Aufforderungen von Greenpeace & Co., zuletzt anlässlich der OMV-Hauptversammlung am Mittwoch vorgetragen, so rasch wie möglich aus Öl, Gas und auch aus der Plastikproduktion auszusteigen, sind einigermaßen realitätsfern. „Man kann die Leute doch nicht zur -Neutralität zwingen, indem man ihnen kein Benzin mehr verkauft“, argumentiert Klaus Umek, Chef der in der OMV investierten Petrus Advisers.
Wiewohl es keine freie Fahrt mehr für Konzerne gebe, die produzieren. In absehbarer Zukunft würden, argumentiert Umek, Öl und Gas keine Ertragsperlen mehr sein, „daher muss jetzt in Chemie investiert werden. Und in Erneuerbare Energien“. Jetzt würden die Weichen gestellt, „ob die OMV in einigen Jahren drei Milliarden Euro Gewinn macht oder Null“. Der Kapitalmarkt honoriert den Kurswechsel, die Aktie performt besser als der Markt und nähert sich früheren Höchstwerten.
Die Investoren hoffen, dass mit Stern auch ein moderner, weniger hierarchischer Managementstil in den Konzern einzieht. Borealis war immer flacher aufgestellt, die Mitarbeiter eigenständiger. Im Gegensatz zur oft bürokratischen OMV.
Dafür ist das Einkommensniveau in der OMV stattlich. Die Erdöl-Mitarbeiter gehören seit jeher zu den Top- Verdienern in der heimischen Industrie, ihr KV ist um rund 30 Prozent besser als die Löhne in der Chemie.
Die Vorstände wechseln einander mit Bankern im Ranking der bestbezahlten Manager ab. 2019 fuhr Seele unter den im Leitindex ATX notierten Unternehmen die höchste Gage ein. Inklusive eines Aktienpakets kam er auf rund sieben Millionen Euro. Im Corona-Jahr erhielt er 3,45 Millionen an fixer und variabler Vergütung.
Nicht anzunehmen, dass Stern schlechter verhandelt hat als Seele.
International geht freilich wesentlich mehr. Shell-Boss Ben van Beurden musste Pandemie-bedingt eine Halbierung seines Gehalts hinnehmen, kassierte aber immerhin sieben Millionen Dollar. Ex-BP-Chef Bob Dudley kam 2019 noch auf 13,4 Millionen Dollar. Aktienoptionen nicht mitgerechnet.
andrea.hodoschek
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