Neoom: Vom Start-up zum Energie-Vernetzer mit 250 Mitarbeitern
Walter Kreisel hat Neoom gegründet und ist Geschäftsführer des 250-Personen-Unternehmens.
Zusammenfassung
- Neoom wurde 2014 von Walter Kreisel gegründet, um mit dezentralen, digitalen und erneuerbaren Energielösungen Europas Energiezukunft zu prägen.
- Das Unternehmen wuchs aus eigenem Cashflow, setzt auf die Vernetzung vieler Interessen und will Haushalte unabhängiger von großen Energieversorgern machen.
- Kreisel sieht die größte Herausforderung im dauerhaften Wachstum und betont, dass die Energiewende künftig vor allem durch intelligentes Energiemanagement bestimmt wird.
Einen der Anstöße dafür, dass der Oberösterreicher Walter Kreisel ein Energieunternehmen gründen wollte, lieferte ein Skandal in den USA. Durch die Liberalisierung des Energiemarktes kam es in Kalifornien zu einer riesigen Energiekrise mit zahlreichen Stromausfällen. Unternehmen wie Enron (2001 kollossal gescheitert) bereicherten sich, während Stromkunden unter 300 Prozent gestiegenen Preisen litten. Kreisel hat sich damit in seiner Diplomarbeit befasst.
Grundgedanke: Viele Interessen vereinigen
Das 2014 von Kreisel gegründete Start-up Neoom sollte den Weg in eine Energiezukunft zeigen, die dezentral, digital und erneuerbar aussehen sollte. Photovoltaik-Kraftwerke, Speicher und Software, die über das Internet mit Strom handelt, waren die Werkzeuge dafür, um Investitionen in die Energiebranche anzuregen. Ein vernetztes Denken vermisste Kreisel bei bisherigen Herstellern dieser Produkte. Er sah dagegen das Potenzial, viele Interessen vereinigen zu können.
"Für die roten Wähler werden Stromkosten billiger, etwa durch das Entstehen von Energiegemeinschaften. Für Kapitalisten bringen Investitionen eine gute Rendite. Für Grüne gibt es massive CO2-Einsparungen. Für die blauen Wähler bringt es Gartenzaunegoismus", so Kreisel. Mit den Produkten von Neoom sollte sich jeder Haushalt an der Energiewende beteiligen und auch weniger abhängig von großen Energieversorgern werden. Dazu wollte Kreisel von Anfang an lokale Unternehmen, etwa Installateure, miteinbeziehen und eine Plattform schaffen.
Walter Kreisel (re.) gewann mit Neoom-Kollegen 2021 einen futurezone Award.
Investoren sagten: "Viel zu groß."
"Eine Plattform zu bauen, ist für Start-ups in Europa sehr unüblich. Normalerweise läuft es eher vertikal, man baut das beste kleine Zahnrad. Mein Ziel war es nicht, ein Start-up zu bauen, das aufgekauft wird, sondern eines, das Europa verändert und weiterbringt", sagt Kreisel. Ihm sei klar gewesen, dass der Aufbau solch eines Unternehmens auch schon mal 20 Jahre dauern könne. "Investoren haben gesagt: Das ist viel zu groß. Wo ist der Fokus? Hardware ist blöd, am besten macht ihr nur Software. Ich habe gesagt: Ich möchte etwas bauen, das langfristig Sinn macht und Teil von etwas ganz Großem ist - der Unabhängigkeit Europas."
Die Finanzierung hat Kreisel von Anfang an selbst gestemmt. "Wir hatten von Tag eins Umsatz, weil wir wesentliche Produkte an Kunden verkaufen konnten." Man habe zunächst Produkte von der Stange, wie Wechselrichter und Speicherbatterien, in Kombination verkauft. "Diese Anlagen waren nicht wirklich intelligent, wir haben sie erst nachträglich mit intelligenter Software aufgewertet."
"Die ersten drei Jahre waren die schönsten"
Neoom sei rein aus eigenem Cash Flow gewachsen, später kamen aber Banken und andere Investoren dazu. Als schwierig empfang Kreisel - der auch eine Karriere als Ausdauersportler (Mountainbike) vorweisen kann - die Anfangsphase seines Start-ups nicht. "Wenn etwas schwierig ist, dann ist das jetzt", meint Kreisel. Jahr für Jahr wachsende Umsätze beizubehalten, das Team zu motivieren, Effizienzen zu steigern, das sei herausfordernd. "Die ersten drei Jahre waren die schönsten."
Glück habe laut Kreisel beim Aufbau des Neoom-Geschäfts keine Rolle gespielt. "Es gibt nur das Glück des Tüchtigen." Er selbst sei schon mit 14 Jahren im Geschäft seines Vaters (RedZac Kreisel in Freistadt) gestanden und habe miterlebt, wie Digitalisierung alles verändert hat. Kreisel ist überzeugt, durch historische Erfahrungen auch zukünftige Entwicklungen vorhersagen zu können.
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Die Krise wird kommen
Erneuerbare Energie durch Vernetzung hoch zugänglich zu machen sei "eine Wette ohne Risiko". Er sei aber überzeugt, dass Neoom eines Tages in eine Krise schlittern werde. Durch den Ausbau erneuerbarer Energie werden Gestehungskosten in Zukunft fast auf Null sinken. "Strom wird wertlos." Stattdessen werde es in Zukunft verstärkt um Energiemanagement gehen. "Wir werden auf der Hut sein müssen." Neoom müsse sich an Unternehmen wie Apple oder Nvidia orientieren, "die sich immer wieder neu erfinden".
Bester Tipp: Nicht gründen
Mit dem Unternehmensstandort Österreich zeigt sich Kreisel zufrieden. Das kommende Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) hätte "unglaubliches Potenzial, die Energiewende fair und gerecht für alle zu gestalten". Schwierig sei die Förderpolitik der Regierung und die damit zusammenhängende Kommunikation. Auch Abschreibungen könnte man besser gestalten, um Investitionen zu fördern.
Der beste Tipp für Neugründer sei: "Gründe auf keinen Fall. Es tötet dich. Wenn das jemanden motiviert, dann schafft er es. Wenn es ihn abschreckt, dann macht er es besser nicht." Das Gründen eines Start-ups erfordere, "sich fünf bis zehn Jahre lang in einer Blase aufzuopfern, die sehr risikoreich ist". Viel Geld dürfe man sich auf keinen Fall erwarten. Ein Gründer zu sein, bedeute eher, ein stabiler Arbeitgeber zu werden, Wertschöpfung aufzubauen und sich Respekt in der Gesellschaft zu verschaffen.
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