Nahversorger bald nur noch in jeder zweiten Gemeinde
Die explodierenden Strompreise gefährden österreichweit Hunderte Greißler bzw. selbstständige Kaufleute in ihrer Existenz. Vertreter der Wirtschaft warnen daher vor einer Schließungswelle. Demnach könnte die Zahl der Gemeinden, in denen es keinen Nahversorger mehr gibt, von 600 auf über 1.000 steigen. Dann hätte jede zweite Gemeinde (Stand per 01.01.2022: insgesamt 2.093 Kommunen) in Österreich keinen Nahversorger mehr.
Die Wirtschaftskammer fordert deshalb, dass die Strompreise staatlich gesenkt werden. Der Energiekostenzuschuss der Regierung helfe den Nahversorgern nicht. Der Staat übernimmt zwar 30 Prozent der Mehrkosten für Energie, die Betriebe müssen aber weiterhin 70 Prozent der Mehrkosten selbst stemmen.
Im Gegensatz zu einer Supermarktkette arbeiten selbstständige Lebensmittelhändler auf eigene Rechnung. Entweder sind sie Franchisenehmer einer Handelsorganisation wie Adeg, Nah&Frisch, Spar, Unimarkt oder Sutterlüty, oder sie sind gänzlich unabhängig wie kleine Bio- oder Gemüsehändler.
Unter Druck
Die großen Ketten betreiben österreichweit 3.700 Standorte mit mehr als 100.000 Mitarbeitern. Bei den selbstständigen Kaufleuten sind es rund 1.600 Märkte und 14.000 Mitarbeiter. Sie gibt es vor allem in kleineren Gemeinden.
Schon in der Vergangenheit standen sie unter Druck. „Den kleinen Nahversorgern im Ort ist teilweise das Wasser abgegraben worden, weil am Kreisverkehr ständig neue Einkaufstempel entstanden sind“, sagt Wolfgang Benischko, Nah&Frisch-Kaufmann in Oberösterreich.
Viele Kaufleute könnten sich nun die gestiegenen Kosten nicht mehr leisten. Weitergeben können sie die höheren Kosten auch nicht. „Ich kann ja nicht für ein Kilo Mehl 9,90 Euro verlangen“, sagt Benischko.
„Die Strom- und Energiepreise sind nicht mehr verdienbar“, sagt auch Christian Prauchner, selbstständiger Spar-Kaufmann in Niederösterreich. Würde er seine Stromkosten einberechnen, „würde ich mich aus dem Markt schießen.“
Prauchner berichtet, dass er bei der niederösterreichischen EVN für seine drei Filialen ab dem nächsten Jahr nicht mehr 131.000 Euro für Strom zahlen werde, sondern 499.000 Euro. Diese Mehrkosten von 368.000 Euro würden dazu führen, dass er 2023 statt eines Gewinns von 150.000 Euro einen Verlust von 218.000 Euro erwarte. Auch bei Peter Buchmüller, der zwei ADEG-Märkte führt, explodieren die Stromkosten. Sein Preis bei der Salzburg AG für eine Kilowattstunde habe sich von 5,7 auf 59 Cent mehr als verzehnfacht. „Wenn ich überleben möchte, wird es nächstes Jahr nochmals massiv steigende Lebensmittelpreise geben.“
Zwar seien die großen Supermarktketten ebenso von den Kostensteigerungen bei Strom betroffen, so Buchmüller, sie hätten aber den längeren Atem. Sie hätten mehr Möglichkeiten, gegenzusteuern und durchzutauchen.
Hilferuf an die Politik
Benischko richtet einen Hilferuf an die Politik. „So ein Szenario hat es noch nie gegeben.“ Reich sei man als selbstständiger Kaufmann schon bisher nicht geworden, mit den neuen Strompreisen würden viele aber draufzahlen. „Ich will nicht zusperren, kann aber auch nicht mit 100.000 Euro Verlust weitermachen“, so Benischko, der sich persönlich eine Frist bis Jahresende gesetzt hat.
Sollte es bis Ende des Jahres keine Hilfen oder eine Senkung des Strompreises geben, werde er mit 31. 12. zusperren. Christof Kastner vom Großhändler Kastner (Bild oben), der viele Kaufleute beliefert, sagt, die Stromkosten, vor allem wegen des Kühlbedarfs, würden in einem Lebensmittelgeschäft von einem auf vier bis sechs Prozent des Umsatzes steigen.
Unimarkt-Chef Andreas Haider berichtet, dass wegen der Stromkosten bei Unimarkt schon fünf der 70 Franchisenehmer ihre Verträge gekündigt haben.
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