Kühlkosten gefährden Greißler und Nahversorger

Kühlkosten gefährden Greißler und Nahversorger
Wirtschaftskammer fürchtet Schließungswelle bei selbstständigen Lebensmittelhändlern.

Die Strompreise, die im Lebensmittelhandel vor allem zu hohen Kosten in der Kühlung führen, gefährden österreichweit hunderte selbstständige Kaufleute in ihrer Existenz. Vertreter der Wirtschaftskammer warnten am Freitag vor einer Schließungswelle, die 2023 drohe. Ende nächsten Jahres könnte die Zahl der Gemeinden, in denen es keinen Nahversorger mehr gibt, von 600 auf über 1.000 steigen. Die Wirtschaftskammer fordert, dass die Strompreise staatlich gesenkt werden.

Selbstständigen in Konkurrenz mit Konzernen

Die selbstständigen Kaufleute stehen in Konkurrenz zu den Supermärkten. "Die entscheidende Frage ist, wem geht zuerst die Luft aus. Das sind zu 99,9 Prozent die selbstständigen Einzelhändler", sagte Nah&Frisch-Geschäftsführer Hannes Wuchterl.

Im Gegensatz zu einer Supermarktkette wie Spar, Rewe, Lidl oder Hofer arbeiten selbstständige Lebensmittelhändler auf eigene Rechnung. Entweder sind sie Franchisenehmer einer Handelsorganisation wie Adeg, Nah&Frisch, Spar, Unimarkt oder Sutterlüty oder sie sind gänzlich unabhängig wie kleine Bio- oder Gemüsehändler oder Unverpackt-Läden.

Während die großen Ketten österreichweit 3.700 Standorte betreiben und rund 103.000 Mitarbeiter beschäftigen, sind es bei den selbstständigen Kaufleuten, die bei Adeg und Co., organisiert sind, rund 1.600 Märkte und 14.000 Mitarbeiter. Sie gibt es vor allem in kleineren Gemeinden, die für die Supermarktriesen zu wenig ertragsreich sind.

Einkaufstempel am Kreisverkehr

Schon in der Vergangenheit standen sie unter Druck. "Den kleinen Nahversorgern im Ort ist teilweise das Wasser abgegraben worden, weil am Kreisverkehr ständig neue und große Einkaufstempel und Geschäfte entstanden sind" sagte Wolfgang Benischko, Nah&Frisch-Kaufmann in Oberösterreich. Nun würde den selbstständigen Kaufleuten die letzte Geschäftsgrundlage genommen.

Sozialer Treffpunkt am Land

Gerade im ländlichen Raum seien diese kleinen Geschäfte oft auch Postpartner und neben dem Dorfwirt der letzte soziale Treffpunkt im Ort und insbesondere für ältere Personen, die nicht mobil sind, eine wichtige Anlaufstelle. Viele dieser Geschäfte stünden nun vor der Situation, dass sie sich die gestiegenen Kosten nicht mehr leisten können und befürchten, die höheren Preise am Markt nicht durchsetzen können. "Ich kann ja nicht für ein Kilo Mehl 9,90 Euro verlangen", meinte Benischko. "Dann müssten wir die Lebensmittelpreise auch noch stützen."

"Die Strom- und Energiepreise sind nicht mehr verdienbar", sagte auch Christian Prauchner, selbstständiger Spar-Kaufmann in Niederösterreich. Würde er seine Kalkulation durchziehen und die Stromkosten einberechnen, "würde ich mich aus dem Markt schießen", so Prauchner. Er schilderte, dass er bei der EVN für seine drei Filialen ab dem nächsten Jahr nicht mehr 131.000 Euro für Strom zahlen werde, sondern 499.000 Euro. Diese Mehrkosten von 368.000 Euro würden dazu führen, dass er 2023 statt eines Gewinns von 150.000 Euro einen Verlust von 218.000 Euro erwarte.

Ketten haben "längeren Atem"

Auch bei Peter Buchmüller, dem Präsidenten der Salzburger Wirtschaftskammer, der zwei ADEG-Märkte führt, werden die Stromkosten explodieren. Sein Preis bei der Salzburg AG für eine Kilowattstunde habe sich von 5,7 auf 59 Cent mehr als verelffacht. "Wenn ich überleben möchte, wird es nächstes Jahr nochmals massiv steigende Lebensmittelpreise geben", sieht er kein Ende der Preisspirale.

Zwar seien die großen Supermarktketten ebenso von den Kostensteigerungen bei Strom betroffen, so Buchmüller. "Sie haben aber den längeren Atem", spielte er auf die höhere Liquidität, Bonität und Marktmacht der Branchenführer an. Sie hätten mehr Möglichkeiten, gegenzusteuern und durchzutauchen.

Benischko richtete einen Hilferuf an die Politik. "Das ist kein normales Jammern. So ein Szenario hat es noch nie gegeben." Schon jetzt sei es mancherorts so, dass die Kaufleute weniger verdienten als ihre Mitarbeiter. Reich sei man als selbstständiger Kaufmann schon bisher nicht geworden, mit den neuen Strompreisen würden viele aber draufzahlen. Seine Perspektive sei nun, mit Schulden in Pension zu gehen oder zuzusperren.

5 von 70 Franchisenehmer haben gekündigt

"Ich will nicht zusperren, kann aber auch nicht mit 100.000 Euro Verlust weitermachen", so Benischko, der sich persönlich eine Frist bis Jahresende gesetzt hat. Sollte es bis Ende 2022 keine Hilfen oder eine Senkung des Strompreises geben, werde er mit 31. Dezember zusperren. Christof Kastner vom Großhändler Kastner, der viele selbstständige Kaufleute beliefert, sagte, die Stromkosten, vor allem wegen des Kühlbedarf, würden in einem Lebensmittelgeschäft von ein auf 4 bis 6 Prozent des Umsatzes steigen.

Unimarkt-Geschäftsführer Andreas Haider berichtete, dass bei Unimarkt schon 5 der 70 Franchisenehmer ihre Verträge gekündigt haben, weil ihnen die Perspektive genommen worden sei. "Wir werden Ende 2023 über tausend Gemeinden haben, die keinen Nahversorger, keinen Bäcker, keinen Fleischer und auch keinen Kaufmann, mehr haben." Diese Geschäfte blieben dann für immer zu.

Wunsch nach staatlicher Stütze

Für Wirtschaftskämmerer Buchmüller ist klar, dass die Politik in Wien und Brüssel das Problem an der Wurzel packen müsse. Ursache des Problems sei die Preisbildung am europäischen Strommarkt. Es müsste das Gas zur Stromerzeugung staatlich gestützt werden. Der Energiekostenzuschuss der Bundesregierung helfe den Nahversorgern jedenfalls nicht. Es brauche ab Jänner 2023 planbare Strompreise. Beim Energiekostenzuschuss, wo der Staat 30 Prozent der Mehrkosten für Energie übernimmt, müssten die Betriebe weiterhin 70 Prozent der Mehrkosten stemmen.

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