Konsumenten sind mit zwei völlig überzeichneten Welten konfrontiert. Auf der einen Seite die schöne heile Welt der Werbung, auf der anderen die Missstände, die NGOs aufzeigen. Hier brauchen wir mehr Transparenz. Auch weil die wenigsten Konsumenten noch einen Bezug zur Landwirtschaft haben. 70 Prozent der Bevölkerung leben heute im urbanen Raum, selbst von der Landbevölkerung kennt kaum jemand einen Schweinestall von innen.
Was tut die AMA zur Aufklärung?
Wir zeigen auf haltung.at unter anderem die Unterschiede in den Haltungsformen und was sie für Konsumenten und Landwirte preislich bedeuten.
Ist Tierwohl mehr als ein Lippenbekenntnis?
Beim Lebensmitteleinkauf schauen viele vor allem auf den Preis, gerade bei Fleisch. Bis zu 50 Prozent vom Fleisch wird in Aktion verkauft. Nur fünf bis sieben Prozent der verkauften Menge laufen unter Tierwohlprogrammen. Das ist die Realität. Hier müssen wir mehr Bewusstsein beim Konsumenten schaffen, also die Nachfrage erhöhen. Viele Bauern möchten auf Tierwohlprogramme umsteigen, aber mangels Nachfrage und unsicheren Rahmenbedingungen macht es für sie wirtschaftlich keinen Sinn.
Warum hat man als Konsument das Gefühl, dass die AMA bei Skandalen eher passiv ist? Wann reagieren Sie auf Missstände und sperren einen Betrieb?
Von den letzten Fällen, die NGOs aufgedeckt haben, haben wir aus den Medien erfahren. Wir als AMA Marketing sind keine Behörde, bekommen also auch keine Auskunft. Wir müssen über unser Mutterorganisation, die eine vorgelagerte Behörde ist, ein Amtshilfeverfahren beantragen. Es dauert also, bis wir gesichert wissen, um welchen Betrieb es sich handelt und überhaupt reagieren können.
Warum erfährt die Öffentlichkeit oft nicht, um welchen Betrieb es sich handelt?
Ich halte nichts davon, den Betrieb an den Pranger zu stellen.
Warum?
Das hilft niemanden. Man darf die soziale Ächtung des Unternehmers in der Region nicht außer Acht lassen. Und es hängt oft die wirtschaftliche Existenz einer ganzen Familie am Betrieb. Wir haben da eine große Verantwortung. Oft stehen hinter Missständen familiäre Tragödien.
Die Lösung kann ja wohl nicht sein, dass einfach nichts passiert ...
So ist es auch nicht. Es gibt mehrere Sanktionsstufen, die letzte Konsequenz von unserer Seite ist ein Ausschluss aus der Lieferung unter dem AMA-Gütesiegel. Das heißt, der Betrieb kann weiter arbeiten, darf aber nicht mehr unter dem AMA-Gütesiegel verkaufen. Wir können gar keinen Betrieb zusperren.
Wer dann?
Die Veterinärbehörde entscheidet, ob einem Betrieb die Tierhaltung entzogen werden muss. Aber schon der Ausschluss aus dem Gütesiegel hat enorme Konsequenzen, weil Lieferbeziehungen ja oft am Siegel hängen. Ohne AMA-Siegel können sie de facto kein Geflügel an heimische Handelsunternehmen verkaufen.
Wie viele Betriebe wurden 2022 ausgeschlossen?
59, mehr als zuvor. Die Kontrollen wurden zuletzt verschärft, wir führen 20.000 Kontrollen im Jahr durch.
Wie kontrolliert die AMA Schlachthöfe?
Wir haben jährliche Prozess- und Systemkontrollen, bei denen es unter anderem um Verbesserungspotenziale im Ablauf geht. Für die Kontrolle des gesamten Schlachtprozesses sind der Amtstierarzt und der amtliche Tierarzt zuständig. Sie berichten den Landesveterinärdirektor.
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