Wilde Spekulation auf weiter fallende Ölpreise

Wilde Spekulation auf weiter fallende Ölpreise
Überangebot: Die globale Nachfrage nach Öl ist äußerst schwach. Russland gerät schwer unter Druck.

Wie tief kann der Ölpreis noch fallen?

In der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/’09 stürzte er unter 40 Dollar je Fass. Auch jetzt wetten Investmentbanker wieder auf fallende Ölpreise. Ölexperten wie Istvan Zsoldos vom ungarischen Ölkonzern MOL glauben, dass ein Preisverfall auf 50 bis 60 Dollar je Fass möglich ist. Auch die Energieexpertin Karin Kneissl sieht eine Spirale nach unten. Am Freitag fiel der Preis für Nordseeöl weiter um 1,6 Prozent auf 71,60 Dollar je Fass. Tags zuvor stürzte der Preis sogar um mehr als sechs Prozent ab.

Warum hat die OPEC ihre Förderung nicht gekürzt?

Das Ölkartell bleibt bei seiner Produktion von 30 Millionen Fass pro Tag, die es seit vier Jahren hat. Ein Grund ist, dass die OPEC befürchtet, Marktanteile zu verlieren, wenn sie weniger produziert. Nicht-OPEC-Länder würden die Lücke füllen. Ölexpertin Kneissl glaubt eher, dass hinter dem Nicht-Agieren der OPEC eine große Unsicherheit liegt: Die globalen Energiemärkte seien derart im Umbruch, dass niemand wisse, wie die Zukunft aussehe. Die Ölnachfrage sinke nicht nur wegen der schlechten Konjunktur, sondern auch wegen des Ausbaus der Erneuerbaren. In diesem Umfeld sei es für die OPEC besser, nichts zu verändern.

Verfolgt die OPEC politische Ziele?

Dazu gibt es verschiedene Theorien. Eine davon besagt, dass Saudi-Arabien gemeinsam mit den USA den Preis drücken, um Russland – das massiv von Öleinnahmen abhängt – auszuhungern. Bis zu 100 Milliarden Dollar hat das Land nach eigenen Angaben seit Juni an Einnahmen verloren. Der Rubel ist nach der OPEC-Entscheidung auf ein Rekordtief gefallen. Allerdings: Die USA können ihr Öl-fracking zu großen Teilen auch nur bei Preisen ab 70 Dollar je Fass wirtschaftlich betreiben. Sicher ist, dass bei den tiefen Preisen die Erschließung neuer Ölfelder wie in tiefen Meeresschichten oder in der Arktis unrentabel ist.

Ist die Macht der OPEC gebrochen?

Experten wie Johannes Benigni, Chef des Ölberatungsunternehmens JBC, sehen die Glaubwürdigkeit der OPEC im Schwinden. Sie könne den Ölpreis nicht mehr gestalten. Manche halten die OPEC für intern schwer zerstritten. Kneissl sieht das nicht so. Die Einigung auf die stabile Förder-Höhe sei rasch und eindeutig erfolgt. Die OPEC habe in den 1980er-Jahren schon schwierigere Zeiten überstanden.

Wie wirkt sich der tiefe Ölpreis an den Börsen aus?

Sehr unterschiedlich. Zwei extreme Beispiele: Die Aktien von Energiekonzernen (wie OMV) büßten am Freitag kräftig an Wert ein. Mit Billigöl verdienen sie einfach weniger. Die Aktien von Airlines (wie Lufthansa) zählten dagegen zu den Tagesgewinnern.

Müssten die Airlines die Kerosinzuschläge nicht schon längst senken?

Aktuell liegt der Zuschlag zwischen 15 Euro und 50 Euro im Europaverkehr und zwischen 80 Euro und 230 Euro auf Langstreckenflügen, so die AUA. Seit Jänner seien die Durchschnittserlöse um acht Prozent gefallen, die Treibstoffpreise nur um 1,4 Prozent, argumentiert die Airline.

Warum sinken die Spritpreise nicht spürbarer?

An der Zapfsäule bestimmt nicht nur Öl den Preis. Mieten, Personalkosten, etc. bleiben ja gleich oder steigen sogar. Dazu kommt, dass Öl und Treibstoffe international in US-Dollar gehandelt werden. Gewinnt der Dollar im Verhältnis zum Euro – wie in den vergangenen Monaten – an Wert, bedeutet das: Es müssen mehr Euro aufgewendet werden, um eine bestimmte Menge Öl oder Treibstoff zu kaufen.

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