Nach Bankskandalen: "Da geht es nicht um die Weinverkostung"
Der KURIER sprach mit den Chefs der Finanzmarktaufsicht, Eduard Müller und Harald Ettl, aber auch über die Wirtschaftskrise im Gefolge von Corona. Für eine Entwarnung sei es viel zu früh, sagen sie.
KURIER: Ob Wirecard oder Commerzialbank, immer nehmen Gläubiger und Kunden auch die Finanzaufsicht in die Pflicht. Erleben Sie das als ungerecht?
Eduard Müller: Aus allen Skandalen und Krisen der Vergangenheit, denken Sie nur an die Finanzkrise 2009, wurden Lehren gezogen. Es kam etwa zur europäischen Bankenaufsicht, wie wir sie heute kennen. Es wurde der Scheinwerfer auf ausfallbedrohte Kredite und Kapitalpuffer gelenkt, und vieles mehr. Wirecard unterstand nicht der Aufsicht der FMA, aber auch aus Commerzialbank und Wirecard wird man Lehren ziehen. Die konkreten Fälle sind freilich vor allem Kriminalfälle.
Und da ist man machtlos?
Helmut Ettl: Wenn Management und Eigentümer einer Bank kein Interesse haben, dass es der Bank gut geht, sondern die internen Kontrollkreise außer Kraft setzen und die Bank de facto ausrauben, dann ist es von außen sehr schwierig, das zu entdecken. Wir sind dafür da, die Einhaltung der aufsichtsrechtlichen Regeln zu prüfen, wie etwa das nötige Eigenkapital. Es steht aber nirgends, dass wir davon auszugehen haben, dass lauter Kriminelle in der Bank sind. Wenn das der Fall ist, ist das eine Sache, die bei den Strafverfolgungsbehörden angesiedelt ist.
Funktioniert das Zusammenspiel mit Aufsichtsräten und Wirtschaftsprüfern nicht?
Ettl: Das kann man sicher nicht generalisieren. Aber bei den meisten Fällen der letzten 10, 20 Jahre stoßen wir immer wieder auf dieselben Probleme, etwa in der Wirtschaftsprüfung und Bilanzierung. Wir fordern seit Jahren eine schnellere Rotation der Prüfer, damit sie nicht zu eng mit der Bank zusammenwachsen.
Müller: Ein Wechsel nur alle sieben Jahre und das mit Übergangsfristen von 20 Jahren ist zu wenig. Bei der Commerzialbank hätte nach Jahrzehnten der neue Wirtschaftsprüfer erst 2023 starten müssen.
Stimmt also der Eindruck, dass uns alle paar Jahre ein Mega-Bankenskandal um die Ohren fliegt?
Ettl: Wir haben in Österreich weniger Bankskandale als in den meisten anderen Ländern. Nur man schaut sehr wenig über die Grenzen. Wenn dann doch einmal etwas passiert, wird man aufgerüttelt. Es gibt ja nicht nur kriminelle, sondern auch ökonomische Pleiten. Hier ist das österreichische Bankensystem sehr gut aufgestellt. Da ist seit der Finanzkrise keine Bank in Schwierigkeiten gekommen. Wir haben heute eine Kernkapitalausstattung von 16 Prozent und kommen von 4 bis 6 Prozent.
Was war die Hypo aus heutiger Sicht betrachtet?
Ettl: Die Hypo war eine kriminelle Pleite – im Zusammenspiel von Managern und Eigentümern, die die Bank ausgeräumt haben.
Was kann in der Aufsicht verbessert werden?
Müller: Da ist vieles denkbar, beispielsweise ein stärkerer Kündigungsschutz für die interne Revision. Oder: Den Aufsichtsrat viel stärker in seiner Verantwortung adressieren, auch fordern und ihn etwa in regelmäßige Managementgespräche einbinden. Da kommen wir demnächst mit einem größeren Paket.
Kommt jetzt eine Aufsicht über den Aufsichtsrat?
Ettl: Hier geht es darum, dass ein typischer Aufsichtsrat nicht nur am Beginn seiner Periode, sondern durchgehend in der Lage ist, dem Management kritische Fragen zu stellen. Wir können bei 500 Banken und an die 4.000 Aufsichtsräte sicher nicht jeden einzelnen andauernd begleiten, aber in Zukunft muss gewährleistet sein, dass die Fit & Properness eines Organs über seine gesamte Periode vorhanden ist. Es muss genug Unabhängigkeit und die richtige, kritische Einstellung geben. Eine Aufsichtsratssitzung ist kein gesellschaftliches Ereignis, wo es um die Weinverkostung geht.
Sie sind für Banken, Versicherungen, Pensionskassen, Fonds, FinTechs, Krypto-Währungen etc. zuständig. Geht sich da eine effiziente Aufsicht überhaupt aus?
Müller: Wir sind effizienter geworden, stoßen aber sicher an unsere Grenzen. Unser Personalstand von 393 Vollzeitäquivalenten wurde seit sechs Jahren nicht erhöht und es kommen ständig neue Aufgaben hinzu, wo wir Spezialisten brauchen, etwa im Bereich IT, Digitalisierung und Cyber-Security.
Wie sicher sind die Banken vor Hackerangriffen?
Ettl: Das ist sicherlich ein Hauptbedrohungsthema. Wir haben einen Vorteil, der systemisch auch ein Nachteil ist. Es ist Vieles in wenigen Rechenzentren konzentriert, auch sektorübergreifend. Dadurch sind alle ganz gut geschützt. Aber wenn etwas passiert, kann es dann auch viele treffen. Auch die Telekommunikation und Elektrizität müssen mitgedacht werden. Wenn der Strom ausfällt, steht ja wirklich alles.
Wie schwer wird die Wirtschaftskrise noch?
Ettl: Wir haben von dieser Krise noch nicht alles gesehen. Die Konkurse sind 2020 wegen der Staatshilfen sogar um 37 Prozent gesunken, da erleben wir sicher einen Nachholeffekt. Und erst dann wird man wissen, ob die Banken schon ausreichend wertberichtigt und in die Kreditvorsorge investiert haben. Wir können jedenfalls noch keine Entwarnung geben. Was sich an den Börsen derzeit an Jubel und Boom abspielt, ist dem billigen Geld der Notenbanken geschuldet. Das spiegelt aber nicht den Zustand der Realwirtschaft wider.
Müller: Die Kreditstundungen der Banken haben 2020 sicher zur Rettung der Realwirtschaft beigetragen. Sie sind inzwischen schon von 23 auf 14 Milliarden abgebaut. Wichtig ist aber, dass nicht alle Stundungen, von den Krediten über die Steuern bis zur Sozialversicherung, auf einmal auslaufen. Sonst bekommen wir einen gefährlichen Klippen-Effekt. Das muss dringend zeitlich entzerrt werden.
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