Pleiten und Online-Konkurrenz: Wie der Modehandel ums Überleben kämpft

Pleiten und Online-Konkurrenz: Wie der Modehandel ums Überleben kämpft
Kleine Geschäfte haben Online-Riesen und Fast-Fashion-Konzernen wie Zara oder H&M nur wenig entgegenzusetzen. Wie sich zwei Modegeschäfte aus Wien trotzdem über Wasser halten.

Die Schuhhändler Reno und Richter meldeten Insolvenz an, Salamander und Delka haben ihre Läden dicht gemacht. Bei den Modeunternehmen hat es Tally Weijl, Gerry Weber, Hallhuber und bereits zum zweiten Mal Jones erwischt. Der Textil- und Schuhhandel in Österreich hat wahrlich schon bessere Zeiten gesehen.

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Die Gründe liegen für Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will auf der Hand: „Der Modehandel war einer der größten Leidtragenden der Corona-Jahre. Die Branche hat zwar im Vorjahr wieder kräftig zugelegt – trotzdem sind die Umsätze unter dem Vor-Corona-Niveau geblieben.“ 

Und ähnlich sieht es auch in diesem Jahr aus. Im ersten Halbjahr konnte sich die Branche wieder über Umsatzzuwächse freuen, auch wenn diese noch immer unter dem Vorkrisenniveau liegen. Im zweiten Halbjahr hat sich die Umsatzentwicklung allerdings wieder abgeflacht: „Besonders September und Oktober waren aufgrund des zu warmen Herbstwetters schwierig. Bei über 20 Grad wollte niemand Jacken kaufen“, konstatiert Will.

Konsumflaute

Hinzu kommt eine seit Sommer 2021 durchgehend hohe Inflationsrate, die die Konsumlaune dämpft. Handelsverbandsprecher Will: „Gespart wird am ehesten bei längerfristigen Anschaffungen wie Möbeln, aber eben auch bei Bekleidung und Schuhen.“ Günther Rossmanith, Modehandels-Obmann in der Wirtschaftskammer, ortet aber noch ein ganz anderes Problem: „Die Branche befindet sich mitten in einer Umstrukturierung. Der Online-Handel ist gekommen, um zu bleiben .“

Die Branche befindet sich mitten in einer Umstrukturierung. Der Online-Handel ist gekommen, um zu bleiben.

von Günther Rossmanith

Modehandels-Obmann in der Wirtschaftskammer

Online-Handel

Karl Szilagyi, Geschäftsführer von „Mondial Mode“ in der Wiener Innenstadt, hat das schon vor der Corona-Pandemie erkannt. 2018 beauftragte er eine Agentur mit der Einrichtung eines Onlineshops: „Er hat sich speziell in der Corona-Zeit als extrem erfolgreich herausgestellt. Ich wüsste nicht, was wir ohne Online-Verkäufe gemacht hätten“, resümiert Szilagyi.

Umsatzeinbruch

Trotzdem ist das Geschäft in den Corona-Jahren um dreißig Prozent eingebrochen. Eine bittere Erfahrung für Szilagyi, der „Mondial Mode“ bereits Anfang der 1990er-Jahre übernommen hat. Einen sogenannten Multilabel-Store mit einer breiten Palette an Marken von „Allude“ bis „Zadig&Voltaire“.

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Online hin oder her, das Wichtigste sind für ihn noch immer die Stammkunden: „Die sind am verlässlichsten, müssen aber auch entsprechend bedient, beraten, gepflegt und informiert werden.“ Zweimal pro Woche schickt sein Team daher einen Newsletter an einen ausgewählten Kundenkreis. „Wir machen auf neue Labels aufmerksam, zeigen ihnen aktuelle Trends und holen sie mit speziellen Angeboten ins Geschäft.“

Pleiten und Online-Konkurrenz: Wie der Modehandel ums Überleben kämpft

Karl Szilagyi in seinem Geschäft "Mondial Mode" in der Wiener Innenstadt

Persönliche Beratung

Dort setzt Szilagyi auf qualitative Beratung, wenngleich es „wahnsinnig schwer geworden ist, modeaffines Personal zu finden.“ Die fünf Mondial-Verkäuferinnen sind seit Jahren an Bord und pflegen mit einigen Kundinnen bereits ein Freundschaftsverhältnis.

Gemischte Gefühle

Auch Johanna Ertl Flamm, Geschäftsführerin von „Flamm Mode“ einige Gassen weiter, erinnert sich mit gemischten Gefühlen an die Corona-Zeit: „Das ständige Auf- und Ab, einmal durfte man geöffnet haben, dann musste man wieder spontan schließen. Das war sehr schwierig für uns als kleinen Betrieb.“

Neue Kanäle während der Corona-Zeit

Das Traditionsgeschäft mit Gründungsjahr 1946 setzte auf Gassenverkauf, aber auch auf neue Kanäle: „Wir haben über WhatsApp mit unseren Kundinnen Video-Calls gemacht, um ihnen die Kleidungsstücke zu präsentieren und dann nachhause zu schicken.“ Inzwischen ist man bei „Flamm Mode“ aber wieder zum bewährten Marketing zurückgekehrt: Regelmäßige Modeschauen, bei denen sich Stammkundinnen treffen , austauschen und Lieblingsteile bestellen können.

Alleinstellungsmerkmal

Trotz gestiegener Energie- und Personalkosten ist Ertl-Flamm für das Jahr 2023 zuversichtlich: „Ich denke, wir erreichen heuer erstmals wieder Vorkrisenniveau.“ Die 35-Jährige führt das Geschäft ihrer Urgroßmutter übrigens bereits in vierter Generation.

So wie damals bietet sie auch heute noch einen persönlichen Näh- und Änderungsservice an. Keine Überlebensgarantie, aber mit Sicherheit ein Alleinstellungsmerkmal gegenüber Zara und H&M.

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