Zukunft auf dem Bauernhof: Wie ein Hightech-Kuhstall funktioniert
Wenn die Landwirtin Karin Stadler um sechs Uhr morgens aufsteht, dann nicht, weil sie ihre Kühe melken muss. Ihr erster Weg führt die Milchbäuerin ins Büro zum Computer, von wo aus sie das Geschehen im Stall steuert und überwacht. Denn Stadler und ihr Mann setzen in ihrem Betrieb auf Hightech und haben ihren Stall in den letzten Jahren schrittweise automatisiert. Der KURIER hat den Hof der Familie im niederösterreichischen Raxendorf besucht und sich zeigen lassen, wie ein moderner Milchviehbetrieb funktioniert.
Angefangen hat Familie Stadler vor zehn Jahren, als sie sich um ungefähr 13.000 Euro einen Roboter zum Futterschieben angeschafft hat. Dieser fährt im Zwei-Stunden-Takt durch den Stall und schiebt Heu und Silage zu den Kühen. Für die Landwirte, die das Futter früher bis zu zehn Mal täglich selbst zu den Tieren schaufelten, brachte die Maschine eine enorme Zeitersparnis.
200.000 Euro für einen Melkroboter
Genauso wie der Melkroboter, der die Familie rund 200.000 Euro gekostet hat. Die Kühe können rund um die Uhr selbst entscheiden, wann sie gemolken werden wollen.
Betritt eine Kuh die Melkstation, übernimmt das Gerät den gesamten Prozess von der Euterreinigung bis hin zur Qualitätsprüfung der Milch. Früher haben die Stadlers jeweils acht Kühe gleichzeitig am Melkstand gemolken – und das jeden Tag zwei Mal.
„Ich würde den Melkroboter nicht mehr hergeben. Schade, dass wir ihn nicht früher hatten“, sagt Stadler dem KURIER.
Karin Stadler hat in ihrem Stall auch Kameras installiert, die ihr Bild live auf ihr Handy senden.
In den Halsbändern, die die Kühe tragen, befinden sich Sensoren.
Der Melkroboter lässt sich auch über ein Display steuern.
Der Melkroboter reinigt zuerst das Euter und sucht dann mittels Sensoren jede einzelne Zitze bevor er vollautomatisch melkt und dann die Qualität der Milch kontrolliert.
Von ihrem Büro aus kontrolliert Karin Stadler das Geschehen im Stall.
Viehbestand wurde erhöht
Wegen des Roboters konnte Stadler den Viehbestand von 40 auf 50 Kühe erhöhen und ihr Einkommen so steigern. „Mit weniger Kühen würde uns gar nichts mehr übrig bleiben“, sagt Stadler.
Denn die Bauern unterliegen bei ihrem Einkommen den starken Schwankungen des Milchpreises. Gerade deswegen ist Stadler froh über die zusätzliche freie Zeit, in der sie einen Hofladen betreiben kann, in dem sie ihre eigene Milch verkauft und der mittlerweile zehn Prozent ihres Einkommens ausmacht.
Damit die Technik im Stall funktioniert, müssen die Geräte die einzelnen Kühe erkennen. Das funktioniert über Sensoren, die die Tiere um den Hals tragen und die gleichzeitig Gesundheitsdaten sammeln. Diese kann Stadler am Computer oder Handy einsehen.
Alle Maschinen vom Melkroboter über den Kraftfutterautomaten bis hin zur Anlage für die Kälberfütterung stammen vom selben niederländischen Stalltechnikhersteller.
Schnelle Hilfe bei technischen Problemen
Dieser verlangt von den Landwirten für die Gerätschaften zusätzlich zu den Anschaffungskosten eine jährliche Servicepauschale von 5.000 Euro. Dafür bietet das Unternehmen im Fall von Störungen rund um die Uhr raschen Support.
Denn gerade wenn der Melkroboter ausfällt, müsse es schnell gehen, sagt Stadler. Ab vier Stunden, in denen die Kühe nicht gemolken werden, haben die Landwirte bereits Einbußen bei der Milch.
Aus diesem Grund sei es auch wichtig, vor Stromausfällen gewappnet zu sein. Familie Stadler sorgt mit einem Notstromaggregat und einer Photovoltaikanlage vor.
Auch Christian Ott aus dem oberösterreichischen Altschwendt setzt auf Hightech und erzählt dem KURIER bei einem Besuch von den wirtschaftlichen Fakten rund um die technischen Geräte.
Nicht alle Maschinen rentieren sich
„Wer betriebswirtschaftlich denkt, muss die Investitionskosten pro Kuh berechnen“, erklärt der Milchbauer. In einem hochgradig automatisierten Stall sind das etwa 20.000 Euro pro Kuh. Das ergibt bei einer Herdengröße von etwa 50 Kühen Kosten von einer Million Euro.
Und nur manche Geräte rentieren sich für den Bauern. Etwa die Halssensoren, die Ott insgesamt rund 3.000 Euro jährlich kosten. Diese würden sich allein aufgrund der genauen Fruchtbarkeitsdaten auszahlen, die eine gezielte Befruchtung der Kuh ermöglichen. Da das System dauerhaft Gesundheitsdaten sammelt, werden außerdem Krankheiten schneller erkannt und Tierarztkosten eingespart.
Milchbauern
Rund 22.000 Milchviehbetriebe gibt es in Österreich. Die Branche ist in Österreich sehr kleinteilig strukturiert, es handelt sich hauptsächlich um Familienbetriebe ohne Fremdarbeitskräfte. 23 Kühe hat der durchschnittliche Milchviehbetrieb hierzulande. Diese Zahl unterscheidet sich lokal sehr stark und ist dort, wo Almwirtschaft betrieben wird, oft deutlich geringer als dort, wo die Tiere ganzjährig in Ställen gehalten werden.
Milchpreis
Knapp 50 Cent erhalten die Betriebe für jeden Liter Milch. In Österreich wird hauptsächlich die Kombinationsrasse Fleckvieh gehalten, bei der männliche Nachkommen der Kühe für die Mast genutzt werden können. Kühe dieser Rasse geben zwischen 15 bis 30 Liter Milch pro Tag. Hochleistungsrassen, wie sie im Ausland eingesetzt werden, liegen oft deutlich darüber.
Andere Hightech-Helfer zahlen sich wirtschaftlich nicht aus: Für seinen Melkroboter hat Ott etwa 200.000 Euro bezahlt, plus 10.000 Euro jährlich, die der schwedische Hersteller für die Instandhaltung verlangt. Das rentiert sich auch durch ein Ertragsplus bei der Milch nicht.
Höhere Arbeits- und Lebensqualität
Doch für Ott bedeutet das Gerät eine höhere Arbeits- und Lebensqualität: „Mit dem Melkroboter bin ich zeitlich flexibler. Und es ist für mich die angenehmere Arbeit, den Roboter zu betreuen, als selbst zu melken. Deswegen setzen sich die Geräte durch, obwohl klassische Melkstände rentabler sind.“
Trotz der vielen technischen Möglichkeiten ist es für Ott nicht vorstellbar, dass ein Stall vollautomatisch funktioniert, ohne dass ein Landwirt selbst „Hand anlegt“. Das liege vor allem an betreuungsintensiven Aufgaben rund um die Geburt und Pflege von Kälbern. „Ohne menschliche Arbeit geht es vielleicht in manchen Mastbetrieben‚ aber nicht in der Milchwirtschaft“, sagt der Bauer.
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