Mehr Realismus, bitte, liebe Wirtschaftsforscher!

Ein Porträt von Kleedorfer neben dem Schriftzug „Kurier Kommentar“.
Die sehr guten Wachstumsprognosen kann man angesichts der Omikron-Variante kaum noch ernst nehmen.

Österreichs Wirtschaft soll im kommenden Jahr erneut kräftig wachsen. Die OECD hat das ursprünglich erwartete BIP-Wachstum von 4,6 Prozent nun sogar auf 4,9 Prozent angehoben. Das heimische Wifo rechnet gar mit 5,2 Prozent. Der Haken daran: In beiden Prognosen wurde Omikron und mögliche Lockdowns nicht berücksichtigt. Immerhin, das IHS geht „nur“ von 4,2 Prozent aus und rechnet mit einem Prozentpunkt weniger, falls es zu einem neuerlichen Lockdown wie zu Beginn des heurigen Jahres kommt. Allerdings: beide Institute gehen noch von einer weitgehend intakten Wintertourismus-Saison aus.

Blenden die Wirtschaftsforscher die aktuelle Nachrichtenlage eigentlich völlig aus? Täglich prasseln schlechte Nachrichten von der Virenfront herein, von stark steigenden Infektionszahlen in Europa, über Einreisebeschränkungen mit infolge Stornierungswellen im heimischen Tourismus bis hin zu Lockdowns. Geschweige von Szenarien, die die Lahmlegung durch Omikron von vielen Betrieben schon im Jänner zeichnen.

All das lässt die in- und ausländischen Wirtschaftsforscher scheinbar unbeeindruckt. Das Wachstum bleibe nicht nur konstant, sondern lege im Vergleich zum laufenden Jahr sogar zu. Kann man glauben – oder eher auch nicht. Liebe Wirtschaftsforscher, bevor Ihr dann zerknirscht eingestehen müsst, dass Eure Prognosen doch nicht das Gelbe vom Ei waren, betrachtet die Lage im Vorfeld der Präsentationen realistischer (oder rechnet wie im Vorjahr zwei Szenarien). Denn auch Politik und Wirtschaft vertraut in Euren Expertisen und erstellt anhand dessen Budgeterwartungen und Investitionen. Eine gewisse Verlässlichkeit der Datenbasis ist angesichts der staatlichen finanziellen Unterstützung erwartbar.

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