Manieren? "Erleichtern das Leben"
Die Führung des Hotel Sacher hat sie bereits Tochter und Schwiegersohn übergeben. Aber Elisabeth Gürtler bleibt hochaktiv. Ein Gespräch über Royals, Tourismus, Manieren und Frühpensionitis.
KURIER: Sie sind und waren Herrin über viele Institutionen des Landes: Hotel Sacher, Opernball, Spanische Hofreitschule. Wie wichtig sind solche Traditionen in einer sich so fundamental verändernden Welt?
Elisabeth Gürtler: Traditionen müssen einen Zugang zum heutigen Verständnis finden, wenn man sie weiterführen will. Zum Beispiel die Kultur der Bälle. Das Sacher gibt es seit 1876. Auch das ist Kultur. Genauso wie die Lipizzaner, die es seit 451 Jahren gibt.
Das Sacher, in dem wir sitzen, wirkt so wie vor 100 Jahren.
Dann haben wir es richtig gemacht. Für den Laien soll es unverändert wirken. Ich bin seit 1973 im Sacher – würde es so wie damals aussehen, wäre es heute eine Drei-Sterne-Bude. Die Räume wurden immer angepasst an Vorstellungen von Tradition, die die jetzige Gesellschaft hat.
Das Sacher wurde einst von der legendären Anna Sacher geführt. Ein Zufall, dass starke Frauen hier dominieren?
Männer managen gerne, aber Hotellerie ist auch ein großer Haushalt, wo es einer ordnenden Hand und einer Gastgeberin bedarf, die sich auch für Details interessiert.
Wie geht’s der Hotel-Branche?
Dem Großteil der Branche geht’s nicht gut. Spitzenhotels in der gehobenen Vier- und Fünf-Stern-Kategorie machen Gewinne. Aber die Drei- und Vier-Stern-Häuser kämpfen. Sie bekommen die Auslastung nicht hin, weil sie sich zu wenig voneinander unterscheiden und kein ganz perfektes Angebot haben.
Jetzt kommen noch Low-Budget-Hotels wie Motel One dazu.
Ich bin oft fassungslos, wenn ich höre, welche gehobene Kundschaft dort übernachtet, die sich auch das Sacher leisten könnte. Es gibt eine Überlegung, die es früher nicht gab: Wann will man Luxus haben und wann nur schlafen und Sauberkeit? Man muss immer spezifischer eine Zielgruppe bedienen.
Sie sind auch für die Hofreitschule zuständig. Wie schafft man es, sie auch Einheimischen näherzubringen?
Die Lipizzaner gehören nicht zu ihrem regelmäßigen Besuchsprogramm. Daher haben wir ein wechselndes Programm eingeführt: "A Tribute to Vienna". Außerdem versuchen wir durch die Fête Impériale die spanische Hofreitschule zu öffnen. Man kann sie für Events mieten.
Wie schwierig war es, einen neuen Ball in Wien zu etablieren?
Ich bin mit einer relativen Sorglosigkeit hineingegangen, weil ich selbst so überzeugt war, dass das schön ist. Er hat sich mittlerweile als Sommerball etabliert.
Man muss da wohl auch immer mit Prominenten aufwarten, um Öffentlichkeit zu kriegen.
Royals ziehen immer. Heutzutage sind das zwar meistens keine königlich Geborenen mehr, aber dafür sehr schöne Frauen, in die sich ein Prinz verliebt hat. Ich hätte natürlich gerne die englische Herzogin Kate bei uns, denn sie verbreitet Glamour.
Haben Sie sich um sie bemüht?
Nein. Für die Fête Impériale muss es einen Bezug zum Reiten haben, sonst ist es nur Show. Diesmal kommt Prinzessin Benedikte zu Dänemark mit ihrer unglaublich erfolgreichen Tochter Nathalie. Sie gehört zur Spitze der Dressurreiter. Die Hofreitschule geht ja auch auf Herrscherhäuser zurück. Wir zeigen, dass diese Verbindung nach wie vor gelebt wird.
Sie sind international unterwegs. Wie werden wir gesehen in der Welt?
Natürlich ist die Vergangenheit oft Thema. Aber Österreich hat auch im Tourismus eine Ausnahmestellung: Wir bieten viel – nicht nur Natur, sondern auch die Servicequalität der Mitarbeiter. Die österreichische Ferienhotellerie mit diesem persönlichen Touch gibt es fast nirgendwo mehr auf der Welt.
Wird es nicht immer schwieriger, gute Mitarbeiter zu finden?
Es wird schwieriger, die Ansprüche der Mitarbeiter sind gestiegen. Ich habe in Seefeld gerade drei Millionen Euro in ein neues Mitarbeiterhaus investiert.
Fühlt sich Ihre Branche von der Politik im Stich gelassen?
Also, das mit der Registrierkasse ist der glatte Wahnsinn! Wir sind als Hoteliers interessiert, dass es keine schwarzen Umsätze gibt, weil das machen ja Mitarbeiter, wenn sie nicht bonieren. Aber wir müssen zum Beispiel jedes Tombola-Los, das wir in der Spanischen Hofreitschule verkaufen, und jedes Programmheft über die Registrierkasse laufen lassen. So ein Unsinn!
Was würden Sie sich von der Politik wünschen?
Es gibt eine Flut an sinnlosen Regelungen, etwa die Allergenverordnung. Wer eine Allergie hat, fragt ohnehin im eigenen Interesse nach.
Wird der Brexit dem heimischen Tourismus schaden?
Ich glaube schon. England ist ein wichtiges Land im Sommertourismus. Der Euro wird für die Briten teurer, damit auch der Urlaub in Österreich.
Sie sind auch eine Ikone des Geschmacks und der Manieren. Muss man das den Leuten wieder beibringen? Gäbe es da nicht auch ein paar Formalismen, die man opfern kann? Zum Beispiel, wer wem das Duwort anbietet?
Es erleichtert das Leben, wenn man mit wohlerzogenen Menschen zusammenkommt. Und eigentlich will ich nicht, dass mir ein Mann sagt: "Hearst, simma per Du"? Ich möchte dann auch nicht unhöflich "Nein" sagen müssen. Immer mehr Menschen besuchen Benimmkurse. Man will sich voneinander abheben, Vorteile im Beruf haben. Egalität ist nicht das Bestreben der Menschen.
Die Sozialdemokratie erzählt das Gegenteil.
Schauen Sie sich doch die Sozialdemokraten an. Kaum sind sie in den Banken tätig, haben sie genagelte Schuhe, die Kinder in der Privatschule, tragen teure Uhren. Mein Mann (Schauspieler Helmut Lohner, im Juni 2015 verstorben, Anm.) hat immer eine Swatch getragen und meinte, er brauche keine andere. Der war ein echter Sozialdemokrat.
Sie haben das Hotel Sacher an Tochter und Schwiegersohn übergeben. Wie schwer ist das Loslassen?
Irgendwann einmal kommt der Punkt, wo die Kinder sagen: Ich will das machen – aber so, wie ich es mir vorstelle. Verständlich. Mein Schwiegersohn überlegt, wie man per Handy einchecken und die Hoteltür öffnen kann. Darüber habe ich noch nie nachgedacht, aber das ist eine neue Generation. Dieses Haus gehört außerdem nicht mir, sondern meinen Kindern.
Sie haben sich wirklich ganz zurückgezogen hier?
Ich habe nur mein Büro oben und war nicht einmal am Abend des Opernballs da.
Wann wollen Sie sich zur Ruhe setzen? Sie sind ja in vielen anderen Bereichen hochaktiv.
Seefeld ist mein Betrieb. Solange ich kann, werde ich arbeiten. Was sonst?
Golf spielen?
Das kann man mit 70 nicht anfangen. Ich habe für meine Arbeit alles zurückgestellt. Ich könnte natürlich Hunde und Pferde züchten.
Was halten Sie von der österreichischen Frühpensionitis?
In unserer Gesellschaft wird Freizeit als Inbegriff des Schönen dargestellt. Ist Arbeit denn keine Freude?
Das sagt sich als Hotelchefin leichter als als Stubenmädchen.
Darum ist es die Pflicht des Unternehmers, jeder Berufsgruppe ein Erfolgserlebnis zu vermitteln. Wer hat die besten Gästebeurteilungen? Der wird ausgezeichnet.
Die heute 66-Jährige hat ab 1990 ein Vierteljahrhundert
das Hotel Sacher ihres früh verstorbenen Ex-Mannes geführt. Das Hotel erbten ihre Kinder, an die sie es nun übergeben hat.
Sie betreibt ein Hotel in Seefeld. Von 1999 bis 2007 organisierte Gürtler den Wiener Opernball. Danach übernahm die Hunde- und Pferdebegeisterte die Leitung der Spanischen Hofreitschule. Dort rief sie 2010 den Sommerball Fête Impériale ins Leben, der Freitagabend über die Bühne ging (siehe Seite 36).
Sie war mit Helmuth Lohner verheiratet, der voriges Jahr starb.
Gürtler ist arbeitsbesessen, hat ein riesiges Netzwerk, das sie geschickt zu nutzen weiß.
Sie gilt aber auch als Ikone des Geschmacks und der Selbstdisziplin.
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