MAN Steyr: "Wir halten die Ohren steif“
Der Schranken des „Tor 1“ steht offen. Nicht aber wie üblich etwa für einen Lkw, sondern für die über 2.300 Arbeitskräfte, die am Donnerstag am Betriebsgelände der MAN in Steyr warten. Sie halten Schilder und Transparente in die Höhe, tröten hinter ihren Masken hervor und trommeln. Sie alle scheinen mehr als bereit für ihren Protestmarsch. Denn dem Standort in Steyr droht 2023 die Schließung – aber: „Das hat Steyr nicht verdient“, heißt es auf einem der Schilder.
Unterstützung dabei erhalten sie von Politikern: Neben Betriebsräten und Gewerkschaftern reihte sich auch SPÖ-Bundesparteivorsitzende Pamela Rendi-Wagner ganz vorne ein.
Und dann marschiert der Menschenzug gegen Mittag auch los: Am schnellsten Weg geht es über die Damberggasse, durch die Fußgängerzone zum historischen Hauptplatz. Unberührt lässt das fast niemand: Kellner und Verkäufer unterbrechen ihre Arbeit und klatschen, Anrainer schauen aus ihren Fenstern, einige von ihnen mit selbst gebastelten Schildern, um Solidarität zu zeigen. Immer wieder schließen sich Gruppen dem Warnstreik an. Darunter Mitarbeiter des BMW-Motorenwerks, der voestalpine, aber auch andere Gruppierungen, wie etwa „Omas gegen rechts“. Sie alle wollen um die Arbeitsplätze kämpfen.
"Kaltschnäuzig"
Mehr als 4.000 Menschen füllen schließlich die Altstadt. „Ihr führt den Kampf nicht alleine“, richtet sich Steyrer Bürgermeister Gerald Hackl (SPÖ) an die MAN-Mitarbeiter. Als „kaltschnäuzig“ und „diktatorisch“ bezeichnet er das Management des Konzerns. Generell bekommt dieses einiges an Fett ab: „Die haben es geschafft, einen erfolgreichen Konzern in den Verlust zu wirtschaften. Jetzt tragen sie es am Rücken der Beschäftigten aus“, sagt Betriebsratsvorsitzender Erich Schwarz. Er schäme sich für diese Menschen.
„Die Deutschen meinen das ernst, die wollen uns an den Pelz. Da werden wir entgegenhalten“, schreit Pro-Ge- Vorsitzender Rainer Wimmer in die Menge, die daraufhin lauthals jubelt. Auch die österreichischen Konzern-Verantwortlichen nimmt er in die Zange: „Wo bleiben die Familien Piech und Porsche?“, fragt Wimmer, der mit möglichen weiteren Streikmaßnahmen droht.
SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner sieht die Politik am Zug: „Die Politik darf nicht nur Pressekonferenzen machen. Die hat dorthin zu gehen, wo sie tätig werden muss. Also wo ist die Bundesregierung heute?“, tätigt sie einen Seitenhieb auf Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP).
Arbeit im Hintergrund
Unter verhaltenem Applaus betritt schließlich Oberösterreichs Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) die Bühne. „Hat der sich auch hergetraut“, ist leise aus der Menge zu hören. Dennoch versichert auch Achleitner: „Wir haben alle ein gemeinsames Ziel.“ Nicht alles sei öffentlich sichtbar, wichtig sei, dass etwas passiere.
Laut Betriebsrat sei der nächste Schritt nun im November in Verhandlungen zu treten. Termine seien vom Konzern aber noch keine zugesichert worden. „Wir lassen bei der Arbeit nicht nach, halten die Ohren steif und kämpfen bis zum Schluss“, laute das Credo.
Rund 18.000 Lkw
Am 14. September hat dieser Kampf begonnen. An dem Tag hat der MAN-Vorstand verkündet, dass 9.500 der 36.000 Arbeitsplätze gestrichen werden. Neben den Werken Plauen (Sachsen) und Wittlich (Rheinland-Pfalz) wird auch jenes Werk in Steyr geschlossen. „MAN hat wegen Managementversäumnissen aus der Vergangenheit großen Restrukturierungsbedarf“, sagte Bernd Osterloh, Betriebsratschef des VW-Konzerns, zu dem MAN gehört. Die Neuausrichtung soll das MAN-Ergebnis um 1,8 Mrd. Euro verbessern.
Dabei wurde in der Steyrer Werk zuletzt noch kräftig investiert. Rund 60 Millionen Euro sind in eine neue Lackieranlage für Lkw-Kunststoff-Bauteile geflossen. In Steyr laufen pro Jahr 18.000 leichte und mittlere Lkw vom Band. MAN hat bereits die Standort- und Beschäftigungssicherungsverträge vorzeitig gekündigt. Diese sollten betriebsbedingte Kündigungen bis 31. Dezember 2030 ausschließen. Dem Vernehmen nach sind dadurch Kündigungen ab dem 1. Jänner 2021 möglich. Wird Steyr geschlossen, muss die Produktion der leichten und mittleren Lkw in andere Werke verlegt werden.
Geplant ist, die Steyr-Produktion in die Werke in Polen und der Türkei zu verlegen. Der Vorteil: Dort sind die Lohnnebenkosten deutlich niedriger als in Österreich.
Indes will Wirtschaftsministerin Margarete Schramböck den MAN-Standort in Steyr durch ein Konsortium von österreichischen Investoren retten. Ziel ist es, „alternative Produktionen“ nach Steyr zu bringen. Ob das gelingt, bleibt abzuwarten.
Kommentare