Logistikzentrum Transgourmet: Vermieten Stadt Wien und Asfinag zu billig?
Wiens Bürgermeister Michael Ludwig und die grüne Klimaministerin Leonore Gewessler erhielten am Dienstagabend Post mit brisantem Inhalt. Thema ist das heftig umstrittene Großprojekt von Transgourmet an der Wiener Westeinfahrt.
Der Absender, der ÖVP-Abgeordnete und Penzinger Parteichef Wolfgang Gerstl, hat eine ausführliche Stellungnahme des Wirtschaftsanwaltes Thomas Marschall, spezialisiert auf Immobilien, beigelegt. Das Schreiben liegt dem KURIER vor.
Gerstl ersucht Ludwig und Gewessler, angesichts der „erheblichen Bedenken, nicht zuletzt in strafrechtlicher Hinsicht“, die Entscheidungsfindung nochmals zu überdenken „und die eindeutig angezeigte, vertiefte Prüfung, gerade auch in wirtschaftlicher Hinsicht, durchzuführen“. Zudem solle die Beschlussfassung über die Flächenwidmung von der Tagesordnung des Gemeinderates am 23. Februar genommen werden.
Eigentümer und Vermieter des 47.000 Quadratmeter großen Areals, auf dem der Schweizer Konzern ein Logistikzentrum aufziehen will, sind zu gleichen Teilen die Stadt Wien und der Autobahnbetreiber Asfinag, der zu Gewessler ressortiert.
Nicht marktgerecht
Die große Frage ist, ob Transgourmet an Stadt und Asfinag einen marktadäquaten Bauzins (Pacht) bezahlt. Nein, befindet Marschall. Der im ab 2027 laufenden Baurechtsvertrag festgelegte Zins von monatlich 0,87 Euro pro Quadratmeter (492.000 Euro jährlich) bleibe „ganz beträchtlich um bis zum nahezu Dreifachen und in auffallender Weise hinter den durchschnittlich auf dem Markt erzielbaren und auch tatsächlich erzielten Werten zurück“, stellt Marschall fest. Der Vertrag läuft auf 60 Jahre.
Für ein derartiges Abfallen gegenüber marktüblichen Werten, bei nicht hinreichender Wertsicherung, würden sich keine sachlichen Begründungen finden, „was einen erheblichen wirtschaftlichen Nachteil für die steuerzahlende Allgemeinheit bedeuten würde“.
Marschall argumentiert angesichts „einer ganz evident unterpreisigen Vergabe des Projekts“ schließlich in Richtung Strafrecht: „Sollten trotz dieser evidenten, für alle Beteiligten offensichtlichen Inäquivalenz (weitere) Schritte zur Umsetzung unternommen werden, könnte dies ..... das Strafdelikt der Untreue verwirklichen“.
Gerstl schätzt, dass mit dem Deal der Stadt Wien und der Asfinag "den Steuerzahlern somit knapp eine Million Euro pro Jahr entgehen könnte. Auf die gesamte Laufzeit mindestens 60 Millionen“. Damit sollten die heimischen Klein- und Mittelunternehmen vom Markt verdrängt werden. Die Stellungnahme lege nämlich auch klar, dass es in Wien keine Unterversorgung mit Gastromärkten gebe, sondern vielmehr eine Überversorgung.
Die Asfinag beruft sich bei der Festlegung des Bauzinses auf Gutachten. “Der Bauzins wurde von einer unabhängigen Sachverständigen aus der Liste des Hauptverbandes der Allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen berechnet“, erklärt dazu ein Sprecher von SPÖ-Stadträtin Kathrin Gaál gegenüber dem KURIER. Die Sachverständige sei auf Basis von drei eingeholten Vergleichsangebote als günstigste ausgewählt und von Asfinag/MA 69 gemeinsam beauftragt worden.
Marschall dagegen listet einige Referenzprojekt in der Umgebung auf, alle mit deutlich höherem Bauzins. Der Rechnungshof ging bereits 2014 von durchschnittlichen Baurechtszinsen in Wien von 0,89 Euro monatlich aus, was aktuell 1,42 Euro ergäbe.
Das Großprojekt, das an den Lainzer Tiergarten grenzt, ist auch umwelttechnisch höchst umstritten.
Die Immobiliengruppe Ekazent hatte als Vormieterin des Areals einen unbefristeten Vertrag. Fragt sich auch, warum Stadt und Asfinag solche Verträge abschlossen.
andrea.hodoschek@kurier.at
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