Chefin der Österreich Werbung: "In ganz Europa fehlen Arbeitskräfte"
Lisa Weddig buhlt nicht nur um Gäste, sondern auch um Mitarbeiter im heimischen Tourismus. Die Preiserhöhungen in der Branche seien im Vergleich zu anderen Ländern moderat.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist Lisa Weddig Geschäftsführerin der Österreich Werbung. Im A1-Business-Gespräch im KURIER Sommerstudio im Palais Freiluft spricht die gebürtige Deutsche über die aktuelle Lage im österreichischen Tourismus.
KURIER: Österreichs Beherbergungsbetriebe haben heuer von Mai bis Juni rund 19,2 Millionen Nächtigungen verzeichnet. Sind damit Ihre Erwartungen für den Sommer bisher eingetroffen?
Lisa Weddig: Ja, sehr. Im Jänner gab es Umfragen, in denen Gäste gesagt haben, sie hätten Lust, Zeit und Geld zu reisen. Da haben wir sehr positiv auf den Sommer geschaut. Und dann kam der Beginn des Ukraine-Krieges. Und in der Tourismusbranche haben wir dann schon Fragezeichen gehabt. Es ist jetzt der drittbeste Sommer, den wir jemals hatten in Österreich und wir sind sehr, sehr zufrieden. Wir liegen jetzt bei minus 4 Prozent vor Corona-Niveau und ich würde schon sagen, dass es ein sehr guter Sommer ist.
Gibt es nur Gewinner?
Gerade die westlichen Bundesländer Tirol und Vorarlberg, aber auch Kärnten sind teilweise sogar besser als vor Corona. In den Städten geht es noch nicht ganz so gut. Hier lagen wir jetzt bei minus 20 Prozent in Wien im Juni.
Wer fehlt da besonders?
Das sind die Asiaten, gerade die Chinesen. Reisetätigkeit ist dort fast nicht möglich; das heißt, da sind wir fast auf 0 Prozent und die fehlen uns natürlich noch stark. Stark sind die Amerikaner in den Städten. Da sind wir tatsächlich positiv überrascht, sie waren im Juni die viertstärkste Auslandsgruppe.
KURIER Talk mit Lisa Weddig
Wie sehr fehlen die Gäste aus Russland?
Die sind total ausgefallen. Ihr Anteil hat vor dem Krieg und Corona aber nur ungefähr zwei Prozent ausgemacht. Das heißt, im Moment haben wir keine großen Auswirkungen auf unsere gesamten Buchungszahlen aufgrund der fehlenden Gäste aus Russland.
2 Prozent klingt nach wenig, aber sie haben wahrscheinlich sehr viel ausgegeben.
Ja, natürlich. Sie haben hohe Tagesumsätze gehabt und natürlich waren sie auch viel in Wien zu finden. In Wien war der Anteil der russischen Gäste deutlich höher als im ganzen übrigen Land.
Wegen der Lockdowns hatten viele Hotels gar nicht offen und das Personal hat sich in andere Branchen verflüchtigt. Das AMS meldet rund 22.000 offene Stellen im Tourismus, um 36 Prozent mehr als im Vorjahr. Wie prekär ist da die Lage?
Ja, die Personalsituation ist sehr herausfordernd. Das Interessante ist aber, wir beschäftigen jetzt mehr Menschen als vor Corona. Das heißt, wir haben eher einen höheren Personalbedarf.
Wie kommt das?
Zum einen werden die Produkte komplexer, weil die Gäste mehr erwarten, es gibt auch mehr unerfahrene Mitarbeiter und einen größeren Anteil an Menschen, die Teilzeit arbeiten. Das heißt, wir brauchen einfach mehr Personal. Das ist aber kein Österreich spezifisches Problem. In ganz Europa fehlen im Tourismus 1,2 Millionen Arbeitskräfte.
Mehr Mitarbeiter bedeuten wohl auch mehr Geld, das die Betriebe in die Hand nehmen müssen. Wie sehr wirkt sich das jetzt auf die Preise im Tourismus aus, auch in Bezug auf die steigenden Energiekosten?
Hotellerie und Gastronomie haben steigende Preise durch höhere Personalkosten. Lebensmittel- und höhere Energiekosten ebenso und es ist nachvollziehbar, dass das weitergegeben wird. Aber auch das ist ein europäisches Phänomen. Die Plattform Check24 hat die aktuellen Preise mit jenen des Vorjahres verglichen. Wir liegen dort bei 9 Prozent Preissteigerung. Unter den Top-10-Ländern haben wir damit gemeinsam mit den Deutschen die niedrigste Preissteigerungsrate. Ganz oben stehen die Niederlande mit plus 33 Prozent und die USA mit plus 27 Prozent. Aber die Menschen konnten die letzten zwei Jahre nicht so gut reisen und deswegen sind sie bereit, mehr zu zahlen.
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