„Wirklich interessanter und guter Artikel! Mach weiter so!“ – es sind Sätze wie dieser, die in ihrer Fülle wohl nur auf LinkedIn zu finden sind. Die meisten kennen das Karriereportal wahrscheinlich von Freunden oder Bekannten auf Jobsuche. Doch LinkedIn ist inzwischen weit mehr als eine Jobbörse, es ist zum Schwergewicht unter den sozialen Medien gewachsen.
2002 von einer Gruppe um den US-Unternehmer Reid Hoffman gegründet (der schon beim Entstehen des Online-Zahlungsanbieters PayPal seine Finger im Spiel hatte), gehört LinkedIn seit 2016 zu Microsoft – infolge eines 26-Milliarden-Dollar-Deals. Mehr als 722 Millionen Accounts aus aller Welt sind auf der Seite registriert.
In Österreich sind ca. 1,5 Millionen Nutzer auf LinkedIn aktiv, das ist etwa ein Drittel aller Erwerbstätigen und Studierenden im Land – und um 500.000 mehr als noch vor drei Jahren. Im abgelaufenen Quartal erwirtschaftete das Unternehmen mehr als zwei Milliarden US-Dollar Umsatz, die Nutzerzahlen steigen, trotzdem mussten aufgrund der Corona-Krise rund 1.000 der knapp 15.000 Mitarbeiter gehen.
Lesen Sie jetzt, welchen Mehrwert LinkedIn bietet und unter welchen Umständen in dieser glattgebügelten digitalen Business-Welt tatsächlicher Diskurs stattfinden kann.
Mehr als eine Jobbörse
Doch was genau tut man auf LinkedIn? Berühmt wurde die Seite als Jobportal, das Unternehmen und Jobsuchende miteinander vernetzen soll. Das zeigt auch die Profilseite: Jeder Nutzer präsentiert hier seinen digitalen Lebenslauf – bisherige Karrierestationen, absolvierte Studiengänge, Fortbildungen. Ist das Profil erstellt, kann man angeben, dass man für Recruiter verfügbar ist – oder gezielt selbst Stellen suchen.
In Österreich gibt es aktuell ca. 60.000 freie Jobs auf LinkedIn, alle ATX-Unternehmen sind zudem auf der Plattform vertreten. Für Firmen bietet das Netzwerk Möglichkeiten, sich als perfekter Arbeitgeber zu inszenieren (sogenanntes „Employer-Branding“), um die besten jungen Köpfe anzulocken.
Dabei muss klargestellt werden: LinkedIn ist vor allem eine Plattform für junge, digitale Akademiker. Knapp 60 Prozent aller Nutzer sind zwischen 25 und 34 Jahre alt. Die meisten angebotenen Stellen sind daher auf diese Zielgruppe zugeschnitten.
Natürlich dreht sich auch bei den Nutzern alles um Selbstinszenierung, schließlich steht bei den meisten ja direkt der eigene Arbeitgeber ganz oben im Profil. Das äußert sich dann so, dass fast jeder Mann auf seinem Profilbild Anzug trägt, mit Hemd allein zählt man überspitzt gesagt schon zu den „Wilden“.
Auch inhaltlich dreht sich alles um das Business: Artikel, Projekte, Seminare werden hier geteilt, für alles Private gibt es andere Netzwerke. „Unterhaltungen auf LinkedIn ähneln dem typischen US-Small-Talk: Über Politik oder Religion wird kaum geredet“, meint Social-Media-Experte Andreas Mittelmeier. „Der Vorteil dabei: Das Niveau bei Business-Diskussionen ist unvergleichlich gut.“
Der Chef am Nebentisch
Es stimmt, dass man auf LinkedIn im Grunde nie auf Beleidigungen oder Ausfälligkeiten stößt. Doch wie authentisch ist das? Schließlich klingt es nicht gerade lebensecht, wenn unter einem Artikel ausschließlich von „gutem Input“ oder „starken Insights“ die Rede ist. Es sind Unterhaltungen wie bei einem Mittagessen mit Kollegen, bei dem der Chef am Nebentisch sitzt.
Mittelmeier teilt diese Kritik, für ihn gibt es aber ein einfaches Gegenmittel, um aus der Masse an gleichen Profilen herauszustechen: „Authentizität geht ganz klar vor gespielter Professionalität.“ Inhalte, die einen interessieren, sollte man auch teilen – so werden auch Interessen augenscheinlich, die nicht zwingend für den eigenen Job relevant sind.
Was ist also das Einzigartige an LinkedIn? Vor allem in der jungen, digitalen Szene bietet kein anderes soziales Netzwerk eine vergleichbare inhaltliche Interaktivität oder organische Reichweite: Fake-Profile wie auf Facebook, Twitter oder Instagram trifft man hier nicht. Die Zahl der menschlichen User wächst dafür rasant.
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