Kunststoffproduzent Greiner: „Plötzlich wollte keiner unverpackte Ware“
Axel Kühner ist Vorstandschef der Greiner Gruppe und damit eines Konzerns mit 1,9 Milliarden Euro Jahresumsatz und 139 Standorten rund um den Globus. Die Produktpalette reicht von Petrischalen für die Medizintechnik über Joghurtbecher bis hin zu Flugzeugsitzen. Ein Gespräch über das Imageproblem von Plastik, Corona und warum man das Müllproblem nicht einfach wegrecyceln kann.
KURIER: Die Umsätze ihrer Medizintechniksparte sind im Vorjahr von 500 auf 700 Millionen Euro gestiegen. Corona sei Dank?
Axel Kühner: Ja, die Sparte ist in der Pandemie gewachsen. Wir haben unter anderem die Röhrchen produziert, in die man bei „Alles gurgelt“ spuckt und die sonst bei Blutabnahmen verwendet werden. Die Entwicklung und Zulassung dieser PCR-Gurgeltests hat insgesamt sechs Wochen gedauert. Vor der Krise wären es mindestens sechs Monate gewesen.
Wie viele dieser Röhrchen hat Greiner geliefert?
Eine Zahl im dreistelligen Millionenbereich für Europa und die USA. Es geht um einen zweistelligen Millionenbetrag Umsatz, den ich aber aus Konkurrenzgründen nicht weiter konkretisiere. Das Geschäft lässt jetzt aber nach.
Hat Greiner in der Krise auch in der Sparte Verpackung profitiert? Stichwort Take-away in der Gastronomie?
Da war das Geschäft stabil, wir machen den Hauptumsatz aber im Handel. Und da haben wir in der Pandemie erlebt, dass plötzlich keiner mehr unverpackte Ware haben wollte.
Die EU hat gerade Einwegplastik, also etwa Trinkhalme oder Einwegbesteck, verboten. Produzieren Sie jetzt einfach Einwegplastik für andere Kontinente?
Wir sind in dieser billigen Massenproduktion so gut wie gar nicht vertreten, es trifft uns also nur ganz am Rande. Grundsätzlich bin ich für alle Maßnahmen, die Konsumenten für das Problem sensibilisieren. Es kann aber kein Mensch ernsthaft glauben, dass man mit diesem Verbot die Welt rettet. Beim Müllproblem muss man an ganz anderen Hebeln ansetzen.
In Österreich wollen die Grünen ein verpflichtendes Mehrwegpfand durchsetzen.
Mehrweg macht nur dann Sinn, wenn Herstellung, Abfallentsorgung und Wiederbefüllung in einem kleinen Radius passieren. Sprich, wenn Sie die Packungen nicht über lange Strecken transportieren müssen. Dazu kommt die Frage, wie oft eine Flasche wiederbefüllt werden kann. Kunststoffrecycling ist generell herausfordernd.
Warum?
Weil es so viele unterschiedliche Materialien gibt, die man sortenrein sammeln und recyceln muss. Das funktioniert derzeit aber nur bei PET, also den Flaschen für die Lebensmittelindustrie.
Woran hakt es? Unter anderem am Föderalismus. In Österreich macht jedes Bundesland seine eigene Abfallwirtschaft. Vorarlberg trennt anders als Tirol. Man kann vereinfacht gesagt den Müll von Vorarlberg dann nicht mit jenem von Tirol zusammenwerfen. Wenn dem Staat die Lösung des Müllproblems wirklich so wichtig ist, muss er es auf nationale Ebene heben. Und die Entsorgungsinfrastruktur mit der gleichen Selbstverständlichkeit fördern wie die E-Autos. Das passiert aber nicht. Wie auch immer man es dreht und wendet, die Wertschöpfungskette muss noch strenger zusammenarbeiten.
Passiert das?
Ja. Wir tauschen uns zum Beispiel mit Alpla (Kunststoffverpackungshersteller, Anm.), Recyclingunternehmen und Marken-Herstellern im Rahmen der Plattform Verpackung mit Zukunft aus. Zum Beispiel setzen wir bei den Packungen kein Carbonschwarz mehr ein. Die Farbe schaut zwar im Regal gut aus, wird aber von den Infrarot-Sortieranlagen aussortiert und ist damit fürs Recycling verloren.
Externer Chef
Fast 150 Jahre haben Mitglieder der Familie Greiner das Unternehmen (gegründet 1868) geführt. Seit 2010 gibt es mit Axel Kühner den ersten externen Chef
Firma
Die Gruppe mit Sitz in Kremsmünster (OÖ) befindet sich in fünfter Generation in Familienbesitz. Das Produktspektrum des Kunststoffspezialisten reicht von Verpackungen, Blutentnahmeröhrchen, Matratzen bis hin zu leichten Flugzeug- und Autositzen. 2020 hat die Greiner Gruppe mit 139 Standorten und global 11.500 Mitarbeitern 1,93 Mrd. Euro umgesetzt
Apropos Mülltrennung: Sie haben einen Joghurtbecher auf den Markt gebracht, der aus dünnem Plastik besteht. Rundherum bedruckter Karton, den man einfach abtrennen und dann separat entsorgen kann. Ein Erfolg?
Ja und nein. Ja, wenn es darum geht den Kunststoffeinsatz zu reduzieren. Nein, weil wir erleben, dass Konsumenten den Karton und den Kunststoff nicht trennen. Sie werfen alles in den Restmüll.
Abfall wird in Österreich vor allem von der ARA (Altstoff Recycling Austria) gesammelt, die sich gegen Mehrwegpfand stemmt. Zu Recht?
Man muss an dieser Stelle die Frage stellen, ob man das etablierte System oder die Umwelt schützen möchte. Man kann nicht von Konsumenten erwarten, dass sie künftig fünf weitere Mistkübel für fünf Sorten Plastik aufstellen. Es braucht Maschinen, die die Plastiksorten vollautomatisch aus dem Müll sortieren. Die gibt es auch schon, aber sie sind teuer. Firmen brauchen Planungssicherheit und Unterstützung bei den Investitionen – wie E-Autos-Bauer.
Die EU schreibt den Ländern höhere Recyclingquoten vor. Macht das Sinn?
Die Quoten sind ambitioniert. Diese zu erreichen, wird massive Investitionen in Entsorgungsinfrastruktur voraussetzen. Recyclat ist derzeit kein Geschäftsmodell.
Wie meinen Sie das?
Die einzigen die am Recyclat verdienen sind die, die das Rohmaterial haben, also die Sortierer. Es gibt nicht genug Rohmaterial, deswegen haben sie die Marktmacht.
Wie schaut es preislich aus?
Derzeit ist recyceltes PET um 50 Prozent teurer als neues PET. Das liegt auch am zuletzt niedrigen Ölpreis infolge der Wirtschaftskrise. Sie können sich ausrechnen, zu welchem Rohstoff die Firmen bei der aktuellen Preislage lieber greifen.
Greiner will sein Paket von 27 Prozent am Schaumstoffproduzenten Recticel auf über 50 Prozent erhöhen. Flüchten jetzt selbst Kunststoffproduzenten aus der Plastikschiene?
Wir haben mehrere Standbeine, eines davon war von Anfang an Schaumstoff.
Wie werden Matratzen eigentlich ökologisch nachhaltig entsorgt?
Bisher werden sie einfach verbrannt. Wir wollen das aber ändern.
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