Krise, welche Krise? Türkei ignoriert die Risiken

Finanzminister und Erdogan-Schwiegersohn Berat Albayrak hält die türkische Wirtschaft und das Finanzsystem für solide

Die Türkei-Krise ist noch nicht ausgestanden. Vor und hinter dem Bosporus werden die Gefahren aber ganz anders bewertet. Er sehe kein großes Risiko, sagte Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak, der seit Juli 2018 Finanzminister ist, am Mittwoch. Die Schulden des Staates und der Haushalte seien niedrig und der Finanzsektor stabil.

Zur Beruhigung trug das allerdings nicht bei. Im Gegenteil: Die Investoren schlossen daraus, dass die Regierung in Ankara keinen Anlass für Reformen und eine striktere Geldpolitik sieht. Die türkische Lira beschleunigte ihren Sinkflug: Seit Anfang 2018 hat sie 40 Prozent Wert zum US-Dollar eingebüßt.

Das Problem: Bis Juli 2019 müssen türkische Auslandsschulden im Ausmaß von 153 Milliarden Euro umgeschuldet werden, das entspricht einem Viertel der jährlichen Wirtschaftsleistung (BIP). Davon entfielen 125 Milliarden Euro auf Unternehmen, speziell Banken, analysierte JP Morgan. Das Geld aufzutreiben wird wegen des Währungsverfalls und gestiegener Risikoaufschläge für Kredite wohl schwierig: Die Rendite (quasi Zinskosten) für zehnjährige Staatsanleihen ist auf 21 Prozent hochgeschossen, ein türkischer Negativrekord. Hilfe im Ausmaß von 15 Milliarden Dollar hat bisher nur Katar zugesagt. Deutschland habe zwar Interesse an einer stabilen und demokratischen Türkei; Finanzhilfe sei aber kein Thema, hieß es in Berlin.

Italiens Schuldenkurs

Das Spiel mit dem Feuer liebt auch die Regierung in Rom. Laut Vizepremier Luigi Di Maio könnte Italiens Defizit 2019 die Drei-Prozent-Schwelle der Eurozone reißen. „Das kann ich nicht ausschließen“, sagte er in Interviews. Ende September will die populistische Koalition ihr Budget vorlegen. Im Wahlkampf hatten die Parteien Zuckerl versprochen, die weit über 100 Milliarden Euro kosten würden. Mit Staatsschulden von 131 Prozent des BIP oder 2300 Milliarden Euro hat Italien dafür kaum Spielraum.

Das schwache Wachstum vergrößert die Nöte noch. Das macht Investoren nervös: Die Zinskosten für zehnjährige Anleihen sind mit 3,178 Prozent auf einem Vier-Jahres-Hoch ( Österreich zum Vergleich: 0,645 Prozent). HSp

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