Konjunkturausblick: Der steinige Weg nach oben

Konjunkturausblick: Der steinige Weg nach oben
Österreich hat laut IV die Talsohle durchschritten. Herausforderungen am Jobmarkt bleiben

„Es geht ein Riss durchs Land“, sagt Christoph Neumayer, Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV). Er meint damit das Ost/Westgefälle in den Statistiken zur wirtschaftlichen Entwicklung Österreichs. Die westlichen Bundesländer Vorarlberg und Tirol sind aufgrund der gebeutelten Tourismusbranche besonders betroffen. Oberösterreich, Niederösterreich und die Steiermark sind deutlich besser davongekommen, da die Industrie einen größeren Beitrag zum regionalen Bruttoinlandsprodukts (BIP) leistet, analysiert Neumayer.

Unter dem Strich rechnet die IV für das Gesamtjahr mit einem Rückgang des österreichischen BIP um 7,6 Prozent. „Wir haben die Talsohle durchschritten“, sagt Neumayer. Klingt gut, IV-Chef-Ökonom Christian Helmenstein bremst aber die Erwartungen: „Auf den steilen Absturz folgt ein Aufwärtstrend mit anfänglich recht hoher Dynamik, der aber zunehmend verflachen wird.“

Die EU-Kommission hat indes in ihrer Sommerprognose die Erwartung für Österreich wegen der Folgen des Corona-Lockdowns weiter nach unten revidiert. Für 2020 rechnet die Brüsseler Behörde nun mit einem Einbruch des BIP um 7,1 Prozent, im Frühjahr war noch ein Einbruch von 5,5 Prozent erwartet worden.

Helmenstein betont einmal mehr, dass die Corona-Krise „einen ganz anderen Charakter“ habe als die von der Lehman-Pleite ausgelöste Finanzkrise 2009. Diesmal sind vor allem der Tourismus, der Dienstleistungssektor, der Einzelhandel und auch die Industrie betroffen – und nicht nur die Finanzwirtschaft.

Die Folge sind BIP-Einbrüche im zweistelligen Prozentbereich und das in einer ganzen Reihe von Ländern. Von Italien, Spanien, Großbritannien bis hin zu Frankreich. Helmenstein: Österreich gehört noch zu den besser aufgestellten Ländern.“ Auch, weil es in den vergangenen zwei Jahren ein ausgeglichenes Budget hatte.

Die wirkliche Herausforderung sei aber nicht das laufende Jahr, sondern die folgenden. Einerseits wird erwartet, dass die Wirtschaft Ende 2021 erst wieder das Niveau von 2019 erreicht, gleichzeitig werden die Kosten aber deutlich höher als im Vorjahr sein, etwa im Gesundheitsbereich. Helmenstein dazu: „Die Herausforderung, dann wieder ein ausgeglichenes Budget zu haben, ist immens.“

Aus Sicht der IV muss die Kurzarbeit über den September hinaus verlängert werden. Neumayer: „Nicht nur kurzfristig, auch auf Sicht von ein, zwei Jahren.“ Übrigens will jedes 25. Unternehmen trotz Krise und anhaltender Unsicherheiten nach wie vor Mitarbeiter aufnehmen. Helmenstein: „Das untermauert, wie sehr uns der Fachkräftemangel schon in den Vorjahren gehemmt hat.“

Mit einem Ende der Globalisierung rechnet Helmenstein nach der Krise nicht, im Gegenteil. „Unterbrochene Lieferketten sind keine Frage der Globalisierung, sondern eine Frage des Risikomanagements.“ Um das Risiko zu minimieren, werden viele Firmen nun die Direktinvestitionen im Ausland forcieren, ist er überzeugt.

OECD-Einschätzung

Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), der mehr als 30 Industrienationen mit rund 649 Millionen Beschäftigten angehören, zeichnet ein dramatisches Bild von der Beschäftigungslage in Zeiten der Corona-Krise. So wird die Arbeitslosenquote heuer deutlich höher steigen als zum Höhepunkt der Finanzkrise 2008/09. Im Mai 2020 lag die Arbeitslosenquote noch bei 8,4 Prozent. Das entspricht 54,5 Millionen Arbeitslosen.

Am Ende des Jahres (viertes Quartal) wird die Quote laut OECD 9,4 Prozent betragen. 2021 soll sie immerhin noch bei 7,7 Prozent liegen. Käme es zu einer zweiten Infektionswelle, rechnen Experten sogar mit einem Anstieg auf 12,6 Prozent. Ende 2019 lag die Arbeitslosenquote im Schnitt bei 5,3 Prozent.

Deutschland

„In Deutschland dürfte sich der Arbeitsmarkt weiterhin als widerstandsfähiger erweisen als in anderen Ländern. Ohne eine zweite Pandemiewelle wird die Beschäftigung in diesem Jahr voraussichtlich um 0,8 Prozent zurückgehen“, sagen die OECD-Experten. Trotz des massiven Einsatzes von Telearbeit ist in allen Ländern die Beschäftigtenzahl eingebrochen. Neueinstellungen wurden auf Eis gelegt. „Die Krise hat sozial schwächere Gruppen, sprich Geringqualifizierte, junge Menschen, Migranten und Frauen am stärksten getroffen“, so die Studie. „Die Jungen sind die größten Verlierer“, sagt OECD-Generalsekretär José Ángel Gurría. Die Arbeitslosigkeit bei Teenagern habe sich verdreifacht.

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