Klingende Namen, Instrumente und Renditen
Laien kennen Investments in Streichinstrumente in erster Linie durch die spektakulären Summen, die sie bei Auktionen auf der ganzen Welt erreichen. Im Juni wurde eine seltene, 1714 angefertigte Stradivari für mehr als 15 Millionen US-Dollar in New York versteigert. Star-Geiger David Garrett hat kürzlich bekannt gegeben, eine Immobilie in New York zu verkaufen, um eine Geige um immerhin 3,5 Millionen Euro ersteigern zu können. Er kaufte eine seltene Geige des Geigenbauers Guarneri del Gesù aus dem Jahr 1763. Doch auch abseits der großen Rekordsummen und Prominenter können Streichinstrumente – vorausgesetzt, man hat das nötige Kleingeld – eine Möglichkeit sein, Werterhalt und respektable Rendite zu erzielen.
Für ein Investment in Streichinstrumente spricht eine ganze Menge, sagt einer, der es wissen muss: Christian Reister vom deutschen Unternehmen Violin Assets GmbH. Es gebe fünf wesentliche Gründe, die für eine Anlage sprechen, sagt er zum KURIER. Das eine sei die Wertentwicklung in der Vergangenheit von 5 bis 8 Prozent per anno. Sein Unternehmen habe anhand der bekannten Fuchs-Taxe für Streichinstrumente (siehe Infobox) einen Index gebildet.
Darüber hinaus seien Streichinstrumente nicht so starken Auf und Abs unterworfen wie Aktien und Immobilien. Außerdem seien Streichinstrumente ein Sachwert. Und: „Es handelt sich um eine Mobilie. Viele unserer Kunden halten bereits Immobilien, da kann eine Beimischung von Mobilien eine Diversifikation bringen.“ Grund fünf seien die steuerlichen Vorteile, in Deutschland (und ebenso in Österreich) sei nach einer Haltedauer von 12 Monaten der Gewinn steuerfrei.
Einen weiteren guten Grund, der für Streichinstrumente als Anlageobjekte spricht, kennt Wolfgang Habermayer. Er ist Geschäftsführer von Merito String Instruments Trust (Merito SIT). Man bekommt einen ideellen Wert zum Investment dazu, wenn man in Streichinstrumente investiert. Denn in der Regel lässt ja niemand Geige, Bratsche oder Cello in der Vitrine oder im Kasten stehen, sondern stellt sie einem Musiker oder einer Musikerin zur Verfügung.
Damit ist nicht nur für die Geldanlage gesorgt, sondern man kann sich im Konzertsaal sitzend daran erfreuen, dass auf der Bühne das eigene Instrument bespielt wird. Das Wiener Unternehmen ist auf den An- und Verkauf von Streichinstrumenten zu Investmentzwecken spezialisiert – und die Vermittlung des Instruments.
200 Arbeitsstunden
In erster Linie sind es natürlich Geigen, die bei Merito SIT vermittelt werden – aus dem relativ banalen Grund, dass es viel mehr Geigen als Celli oder Bratschen in einem Orchester gibt. Historische Geigenbauerfamilien sind neben der berühmten Stradivari unter anderen Amati, Guarneri, Stradivari und Guadagnini – allesamt aus Italien. Die zeitgenössischen Geigenbauer sind hingegen weniger bekannt – hier sind exemplarisch Francesco Toto und Alessandro Ciciliati zu nennen. Ihre Geigen sind auch weniger wert – dennoch stecken rund 200 Arbeitsstunden in ihnen, weswegen nur einige wenige pro Jahr produziert werden.
Ab einer Summe von etwa 200.000 Euro ist man bei einem Investment in ein historisches Instrument mit dabei. Nach oben hin ist bei den Summen natürlich viel möglich. „Bei uns ist die Bandbreite etwa bis 3 Millionen Euro“, sagt Wolfgang Habermayer. Bei Violin Assets sind es durchschnittlich 500.000 bis 900.000 Euro, die pro Instrument investiert werden, sagt Reister.
Anteile an einem Instrument für wenig Geld könne man nicht kaufen, so Habermayer von Merito SIT. Gewisse Miteigentümerstrukturen seien aber möglich, dass also einige Personen sich ein Instrument teilen. Allerdings gelte es hier, Minoritätsrechte, Zeiträume und die Möglichkeit zur Veräußerung vertraglich zu regeln. Für ein schnelles Investment oder gar Spekulationen sind Streichinstrumente nicht geeignet, wie Habermayer erklärt.
So will man diese spezielle Form des Investments auch nicht verstanden wissen. „Wir legen größten Wert darauf, bereits im Vorfeld zu besprechen, dass das Instrument für eine gewisse Zeit gehalten wird. Wir versuchen, mindestens sieben Jahre zu vereinbaren, idealerweise sogar zehn.“ Die Künstlerinnen und Künstler sollen sich darauf verlassen, mit dem Instrument entsprechend arbeiten zu können. „Selbst die Weltbesten meinen, dass sie erst nach zwei bis drei Jahren das gesamte Potenzial eines Instruments erarbeitet haben.“
"Keine Holzwürmer"
Für das Instrument selbst ist es gut, wenn es bespielt wird. „Eines ist sicher: Wenn ein Instrument bespielt wird, gibt es keine Holzwürmer“, sagt Habermayer. „Ein Instrument, das nicht bespielt wird, verliert an Kraft, Resonanz und Ausdruck.“
Großes Thema beim Investieren in Streichinstrumente ist die Echtheit der Objekte. Unerlässlich: „Wichtig sind Echtheitszertifikate von anerkannten Experten. Das sind einige wenige Topleute der Welt“, erklärt Reister von Violin Assets. Wichtig sei außerdem, auf den Zustand des Instruments zu achten. Auch hier gibt es eine Handvoll Personen mit entsprechender Expertise, die Zustandsberichte anfertigen – etwa über Dendrochronologie, also der Altersbestimmung des Holzes und einer Analyse via Computertomografie. „Dann ist die Wahrscheinlichkeit von Zweifeln minimalst. Man nähert sich einer großen Sicherheit an.“
Der Prozess
Wie der Prozess abläuft, wenn eine Person beschließt, Geld in ein Streichinstrument zu investieren und das bei Merito SIT zu tun? „Ein Budget wird definiert. Dann loten wir auch gleich zu Beginn aus, ob es gewisse Vorlieben gibt. Kommt jedes Streichinstrument in Betracht oder nur eine Geige, nur eine Bratsche?“ Außerdem will Merito SIT wissen, ob Künstlerin oder Künstler aus Österreich kommen muss oder auch der europäische Raum eine Möglichkeit ist. Eine gewisse Regionalität spielt eine Rolle. „Ich hatte noch keinen Fall, wo jemand bereit war, ein Instrument anzukaufen, das in die USA verliehen wird.“
Um in Streichinstrumente zu investieren, muss das Wissen über klassische Musik und Instrumentenbau nicht riesig sein, aber eine Leidenschaft sollte man schon haben, sind sich die beiden Experten einig. Und: „Ich rate von Versteigerungen ab, wenn man sich nicht auskennt. Das ist eher der Beschaffungsmarkt für Händler. Anleger sollten zum Fachmann gehen“, sagt Christian Reister von Violin Assets.
Oft langes Matching
Wichtig bei all dem Fokus auch auf Kunst und Geld ist das Persönliche. „Nach diesen Vorgaben beginnen wir zu suchen und zu überlegen, welche Künstlerin oder Künstler in Betracht kommt, welches Instrument“, sagt Habermayer. Dieses Matching kann vier Wochen dauern – oder Jahre. Denn das Instrument möchte mitunter nicht nur im Konzertsaal ausprobiert werden, sondern die ausgewählten Personen „wollen effektiv konzertieren“. Mitunter sind die dann mehrere Wochen mit dem Instrument unterwegs. Außerdem ergibt sich eine zum Teil intensive Beziehung zwischen Musikerinnen und Musikern und Investorinnen und Investoren. Letztere besuchen Konzerte oder werden zu Hauskonzerten eingeladen. Teilweise entstünden so tiefe Freundschaften.
Wer ein Instrument leiht, ist in aller Regel vertraglich verpflichtet, Versicherung und Verschleiß – also Reinigen, Erneuern der Saiten etc. – für die Instrumente zu bezahlen. Mietkosten gibt es nicht. Wie man zu den Personen kommt? „Das ist ein Problem, das es nicht gibt“, erklärt er lachend. Die Nachfrage ist riesig – und kann nur bedingt bedient werden. 10 bis 20 Instrumente werden bei Violin Assets pro Jahr vermittelt, auch bei Merito SIT sind es „einige wenige“. Dass sich Künstlerinnen und Künstler ein Instrument der Spitzenklasse selbst leisten können, ist sehr selten. Außer, man heißt David Garrett.
- Merito String Instruments Trust
Das Unternehmen wurde gegründet und wird geführt von Wolfgang Habermayer, ehemals Vorstand der Bank Austria. Anlegerinnen und Anleger werden bei Kauf und Verwaltung der Streichinstrumente beraten und begleitet, ebenso bei Auswahl der Musikerinnen und Musiker, an die Instrumente verliehen werden.
- Violin Assets GmbH
Im deutschen Köln bietet das Unternehmen ein ähnliches Konzept an. Ein Start-up von Violin Assets, Maezena, hat sich auf die Vergabe von Instrumentenstipendien spezialisiert.
- Fuchs-Taxe
Diese Taxe dient der Preisbestimmung von Streichinstrumenten und ist international gültiges Referenzwerk.
- Verleihung von Instrumenten
Das macht etwa auch die Nationalbank OeNB. Deren Sammlung besteht aus 45 Instrumenten, darunter 9 Stradivari-Geigen.
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