Höchste Eisenbahn für Güterverkehr: Lkw-Maut auf allen Straßen gefordert

Höchste Eisenbahn für Güterverkehr: Lkw-Maut auf allen Straßen gefordert
Um Klimaziele zu erreichen, will die EU den Güterverkehr auf die Bahn verlagern. Aber: Die Bahn ist zu teuer, Züge und Bahnhöfe sind zu kurz, Verspätungen sind ein Problem.

Eigentlich spricht alles für die Bahn. Der Güterverkehr auf der Schiene verursacht pro Tonnen-Kilometer (misst die Transportleistung, Anm.) 15 bis 20 Mal weniger Treibhausemissionen als der Lkw-Verkehr auf der Straße, die Zahl der Eisenbahn-Unfälle ist gering und moderne Flüsterwaggons verringern die Lärmbelästigung deutlich.

Trotzdem werden nicht mehr Gütertransporte auf die Bahn verlagert. Während in der Schweiz mittlerweile 42 Prozent des Güterverkehrs auf der Schiene erfolgen, ist der Anteil in Österreich im Vorjahr auf 29,1 Prozent gesunken. Dabei waren es im Jahr 2006 schon 35 Prozent.

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Schweizer sind Europameister

So werden in der Schweiz pro Einwohner 365 Euro in die Schieneninfrastruktur investiert, in Österreich sind es 218 Euro und in Deutschland nur 77 Euro. Kein Wunder, dass in Deutschland der Anteil des Güterverkehrs auf der Schiene derzeit nur 17 Prozent beträgt.

Trotzdem ist Österreich kein Musterland in Europa. Denn mehr als 65 Prozent des Güterverkehrs entfallen derzeit auf die Straße (der Anteil des Lkw-Transitverkehrs beträgt 25 Prozent). Die Erklärung, warum das so ist, klingt einfach: Der Straßentransport ist billiger und weniger zeitaufwendig.

Vergleich der Kosten

Höchste Eisenbahn für Güterverkehr: Lkw-Maut auf allen Straßen gefordert

Archivfoto

Im Schienen-Güterverkehr belaufen sich die Kosten je Tonnen-Kilometer von 0,22 Euro in Spanien bis 24,36 Euro in Mazedonien. Österreich bewegt sich unter dem EU-Durchschnitt (im Jahr 2017: 2,55 Euro).

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Bahntrassenkosten: Vergleich Österreich, in Euro pro Tonnenkilometer

Lkw-Maut: 18 und 46 Cent je Kilometer

Die Frächter sind auf dem ersten Blick deutlich billiger unterwegs. Die Lkw-Maut liegt in Österreich je nach Fahrzeug (Größe und Abgasnorm) zwischen 18 und 46 Cent je Kilometer, dazu kommen 20 Prozent Mehrwertsteuer. Was dabei gerne übersehen wird: Oft fehlen in den Berechnungen die Spritkosten. Dazu kommt die Umweltbelastung. Zudem verstopft der Schwerverkehr immer öfter die Transitrouten.

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Österreich braucht laut ÖBB-Chef Matthä „einen Masterplan Güterverkehr".

Ein Alarmsignal

„Der Güterverkehr ist massiv unter Druck geraten. Es ist ein Alarmsignal, dass der Schienen-Anteil in Österreich 2018 unter 30 Prozent gesunken ist“, sagt ÖBB-Chef Andreas Matthä. „Da braucht es dringend eine Trendwende, gerade im Sinne des Klimaschutzes. Sie ist zu schaffen.“ Die Bahnen müssten Prozesse digitalisieren und Standards vereinheitlichen. Zugleich brauche es politische Maßnahmen in Österreich und auf europäischer Ebene. „Knackpunkt ist ein fairer Wettbewerb zwischen Schiene und Straße.“

Maut auf allen Straßen

Österreich braucht laut ÖBB-Chef Matthä „einen Masterplan Güterverkehr, eine geringere Energieabgabe auf Bahnstrom und die Abschaffung der günstigen Besteuerung für Diesel-Fahrzeuge“.

Auch sollte – wie in der Schweiz seit 2001 – die Lkw-Maut für alle Bundes-, Landes- und Gemeindestraßen gelten. In Österreich wird die Lkw-Maut derzeit aber nur auf Autobahnen und Schnellstraßen eingehoben. Das entspricht etwa zwei Prozent des gesamten Straßennetzes.

Lawine an Transit-Lkw

In Österreich zählen vor allem die Inntal-Brenner-Autobahn und die Tauern-Autobahn zu den Staustrecken. Aber auch auf der Ostautobahn A4 stehen die Fahrzeuge oftmals im Stau und die Südautobahn A2 wird von den Lkw überrollt.

Auf der Südautobahn über den Wechsel fuhren im Vorjahr 1,45 Millionen Lkw, davon 36 Prozent im Transit; auf der Pyhrnautobahn (A9) 1,6 Millionen Lkw. Rekordhalter ist die Brenner-Autobahn. Auf dieser rollten im Vorjahr 2,49 Millionen Lkw, davon 86 Prozent im Transit.

Inntal auf Schiene

Dabei ist die Brenner-Inntal-Bahnstrecke mit dem Zugsteuerungssystem ETCS ausgerüstet, bei modernen Loks ist das notwendige ETCS-System eingebaut (siehe Zusatzbericht). Die ETCS-Aufrüstung bestehender Lokomotiven ist sehr teuer und kostet zwischen 300.000 und 700.000 Euro.

„Das ETCS-System erlaubt im unteren Inntal das Fahren auf elektronische Sicht, das heißt, der Mindestabstand zwischen zwei Zügen ist geringer und damit kann man die Kapazitäten erhöhen“, sagt Armin Riedl, Geschäftsführer der deutschen Bahn-Güterverkehrsunternehmens Kombiverkehr und Lokomotion.

27 Güterbahnen

Wenig bekannt in der Öffentlichkeit ist, dass es in Österreich 27 reine Güterbahnbetreiber und neun Eisenbahnunternehmen gibt, die sowohl Personen als auch Güter transportieren.

Lokomotion ist nach der ÖBB-Tochter Rail Cargo Austria (RCA) der zweitgrößte Güterbahnbetreiber in Österreich. Private Betreiber konnten im Vorjahr dem Platzhirschen Marktanteile abluchsen. RCA hat derzeit einen Marktanteil von 72 Prozent. Auch die Wiener Lokalbahnen betreiben pro Jahr 5.000 Güterzüge (siehe unten).

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Lokomotion- und Kombiverkehr-Chef Armin Riedl

250.000 Lkw-Ladungen

„Die Infrastruktur in Österreich wie im unteren Inntal ist vorbildlich. Wir als Lokomotion transportieren beim kombinierten Verkehr rund 250.000 Lkw-Ladungen pro Jahr über den Brenner“, sagt Lokomotion-Chef Riedl zum KURIER.

Zum Vergleich: Auf der Rollenden Landstraße (RoLa), sprich des Lkw-Huckepack-Schienenverkehrs, über den Brenner haben die ÖBB eine Jahreskapazität von 200.000 Lkw. Doch im Vorjahr wurden 145.000 Lkw auf der Schiene über den Brenner gerollt. Mit der Eröffnung des Brennerbasistunnels 2026 schätzen die ÖBB das RoLa-Volumen auf eine Million Lkw.

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LOKALAUGENSCHEIN: BAUARBEITEN FÜR DEN BRENNERBASISTUNNEL

Heute fährt die RoLa stündlich von Wörgl zum Brenner. Diese Strecke ist lediglich 92 Kilometer lang. Dieser Transport entlastet die Brenner-Autobahn und reduziert den -Ausstoß. Doch solche Kurzstreckenzüge sind laut Experten wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Bis 2030 sollen laut EU bei Transport-Distanzen von mehr als 300 Kilometern 30 Prozent die Güter auf der Schiene befördert werden, um den -Ausstoß zu reduzieren. Da liegt Österreich nun darunter.

Massive Verspätungen

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ÖBB-Betriebsratschef Roman Hebenstreit: Die EU-Kommission konzentriert sich auf strengere Vorschriften zur Teilung von Bahnkonzernen, überlässt das Ausbautempo des Schienennetzes aber den Nationalstaaten“, sagt Eisenbahner-Gewerkschafter Roman Hebenstreit. „Die Folge ist ein international nicht konkurrenzfähiges europäisches Bahnnetz, eine Verspätung in Deutschland oder Rumänien holt man in Österreich nicht mehr auf.“

Europäische Lösung gefordert

„Rund 80 Prozent des Schienen-Güterverkehrs in Österreich ist grenzüberschreitend. Der Güterverkehr funktioniert nur gut in einem gesamteuropäischen Netz. Die EU-Kommission konzentriert sich auf strengere Vorschriften zur Teilung von Bahnkonzernen, überlässt das Ausbautempo des Schienennetzes aber den Nationalstaaten“, sagt Eisenbahner-Gewerkschafter Roman Hebenstreit. „Die Folge ist ein international nicht konkurrenzfähiges europäisches Bahnnetz, eine Verspätung in Deutschland oder Rumänien holt man in Österreich nicht mehr auf.“ Dazu kommt, dass Personenzüge Vorrang vor Güterzügen haben.

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Güterzüge mit 1000 Meter möglich

Doch es gibt innerhalb der EU große Probleme. Die Züge sind zu kurz. „Unsere Züge sind derzeit 550 Meter lang, das ist uns als Betreiber viel zu wenig“, sagt Riedl. „Wir würden gern mit 750 Meter langen Zügen fahren, aber zum Beispiel am Bahnhof Brenner gibt es kein Gleis, das so lang ist.“

Längere Bahnhöfe sind nötig, damit Güterzüge serviciert und von anderen Zügen überholt werden können. Tatsächlich könnten heute schon mit Doppellokomotiven Güterzüge mit mehr als 1000 Metern zusammengestellt werden, aber selbst Umschlagterminals sind dafür hierzulande zu kurz.

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Lokführer, Triebfahrzeugführer, 4020, Schnellbahn, Hauptbahnhof

Sprachproblem: Fünf Lokfürer von Rotterdam bis Bulgarien nötig

Ein weiteres Problem ist, dass Züge an jeder Grenze wie am Brenner halten müssen. „Ein Zug kann nicht mit einem Lokführer durchfahren“, sagt Kraus. Die Lokführer, die nach Italien fahren, müssen zertifiziert Italienisch sprechen.

Bei einem Güterzug von Rotterdam nach Bulgarien wird aufgrund der Sprachanforderung fünf Mal der Lokführer gewechselt. „Wie im Luftverkehr würde auch im Schienenverkehr eine einheitliche Sprache wie Englisch die Güterzüge deutlich beschleunigen. Dazu kommt, dass die einzelnen nationalen Schienennetze mit unterschiedlichen Stromsystemen betrieben werden.

Manuelle Bremstests

Aber es gibt noch ein Problem: „Ein Güterzug hat im Gegensatz zum Personenzug keine automatischen Bremsüberwachung“, sagt Lokomotiv-Manager Andreas Kraus. Der Lokführer muss vor der Abfahrt alle Bremsen des Zugs mit einem Hammer prüfen. Das funktioniert so: „Er läuft den Zug entlang und wieder zurück. Ein solcher Bremstest kann bis zu zwei Stunden dauern“, sagt Kraus. „Mit automatischen Bremstests könnte man sehr viel Zeit gewinnen.“

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