Ausverkauft? Wie Kaufhäuser heute noch überleben können
Auf der Wiener Mariahilfer Straße 10–18 erinnert auf dem Rohbau nur noch ein Banner mit der Aufschrift „Lamarr“ an die einstigen Pläne für ein Luxuskaufhaus. Die dahinterstehende Projektgesellschaft ist pleite.
Durch die Insolvenz des Signa-Flaggschiffes Signa Prime sei die Finanzierung der Baufertigstellung nicht mehr gesichert, heißt es. Und tatsächlich stehen die Bauarbeiten für das Lamarr seit Wochen still.
Doch während das geplante Kaufhaus in Wien erst gar nicht zum Leben erwacht, schlittert in Deutschland die Warenhauskette Galeria Karstadt Kaufhof bereits zum dritten Mal in drei Jahren in die Insolvenz. Haben Kaufhäuser überhaupt noch eine Zukunft?
Freddy Schmid ist Geschäftsführer des Kaufhauses Steffl auf der Wiener Kärntnerstraße. Dass „klassische Kaufhäuser“ wie Galeria in Deutschland nicht überleben, wundert ihn nicht: „Die sind viel zu breit gestreut, haben ein riesiges Angebot. Das funktioniert nicht mehr.“
Viel eher müsse ein Kaufhaus heutzutage „ein Erlebnis bieten“, meint der Geschäftsführer. Bei seinem „Premium-Kaufhaus“ bietet die Dachterrasse mit der „Sky Bar “ den Kunden einen Mehrwert, und zusätzlich habe man mit dem „Marketplace“ im dritten Stock einen Bereich geschaffen, wo immer wieder neue Produkte präsentiert werden. Von Technik über Papeterie bis hin zu Lifestyleprodukten.
Dem Neffen des ursprünglichen Steffl-Gründers Hans Schmid merkt man seine Umtriebigkeit an. „Das Erdgeschoß wollen wir im vorderen Bereich komplett neu gestalten“, erzählt er. „Es soll wieder eine große, neue Parfümerie entstehen.“
Derzeit gebe es schon eine „Brow&Lash-Bar“, wo sich Kunden spontan die Augenbrauen und Wimpern färben lassen können. „Weil das bei den Kunden sehr gut ankommt, wollen wir demnächst auch noch Maniküre und anderes anbieten.“
Ständige Weiterentwicklung der Kaufhäuser
Die ständige Weiterentwicklung ist für Kaufhäuser überlebenswichtig, weiß auch Cordula Cerha, Handelsexpertin an der Wiener Wirtschaftsuniversität: „Handel ist Wandel und Handel ist brutal. Da wird das, was nicht im Einklang mit den Konsumentenbedürfnissen steht, schnell von anderen Konzepten abgelöst.“
Christoph Andexlinger, Chef des Einkaufszentrums Gerngross auf der Mariahilfer Straße, kennt die Herausforderungen des stationären Handels nur zu gut: „In den letzten drei Jahrzehnten hat man eines sehr stark gemerkt: Der Produzent bietet seine Marke den Kunden gleich in einem eigenen Store an. Das Kaufhaus, wie wir es vor 30 bis 40 Jahren gekannt haben, ist überholt worden.“
Touristen als wichtiger Faktor
Moderne Kaufhäuser, das weiß auch Freddy Schmid vom Steffl, leben auch sehr stark von Touristen, „weil diese Emotionskäufer sind und im Urlaub gerne in Traditionskaufhäusern gehen.“ Vor allem seien Touristen keine Onlineshopper und auch nicht so „rabattanfällig“ wie Einheimische, „die genau wissen, wo es was zu welchem Preis gibt.“
Handelsexpertin Cerha: „Der Onlinehandel ist geradezu unschlagbar, wenn es um die Produktauswahl und die Bequemlichkeit des Kaufprozesses geht.“ Beim „Einkaufserlebnis“ hingegen tut er sich schwer. Da setzen die großen Einkaufszentren hierzulande an.
Paul Douay, Geschäftsführer der Westfield-Group (SCS): „Shopping Center müssen heute Freizeit- und Erlebnisdestinationen sein mit einem attraktiven Mietermix, zugkräftigen Marken und einem anspruchsvollen Angebot in Sachen Entertainment und Kulinarik.“
Erlebnisse bieten
Im Steffl gibt es seit Herbst 2022 eine Attraktion, die mit Einkaufen nicht viel zu tun hat: „Mythos Mozart“ ist dem Komponisten Wolfgang Amadeus Mozart gewidmet, der an dem Ort, wo heute das Steffl Kaufhaus steht, 1791 gestorben ist. Die multimediale Erlebnistour beschreibt Geschäftsführer Freddy Schmid so: „Wir wollen etwas bieten, das über das Einkaufen hinausgeht.“ Ein Ansatz, der dem Kaufhaus womöglich auch in Zukunft sein Überleben sichert.
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