20 Grad und sonnig: Wie warme Temperaturen über unsere Karriere entscheiden
20 Grad – und es wird noch heißer. Dieses Wochenende sind frühsommerliche Temperaturen in Teilen Österreichs angesagt. Bedeutet wohlige Wärme, zwitschernde Vögel und strahlender Sonnenschein nach den dunklen Wintermonaten. Warum man das schöne Wetter in der Freizeit genießt, ist klar. Dass es aber auch die Arbeit und sogar die gesamte Wirtschaft positiv beeinflusst, ist vielleicht weniger offensichtlich. Ein heiterer Blick auf Wetter und Wirtschaft.
Melatonin wird weniger, Serotonin steigt
Eines vorweg: Besser kann es uns nicht gehen – zumindest was die aktuellen Wetterbedingungen betrifft. Ist es zu heiß, kann „gutes Wetter“ schnell erdrückend wirken. Ist es zu kalt, kommt man vielleicht gar nicht in die Gänge. Ideal sind 20 bis 22 Grad, sagt Umweltmediziner der MedUni Wien Hans-Peter Hutter. Das empfinden wir Menschen, auch wenn es natürlich immer eine individuelle Sache ist, als das Optimum.
Was im Körper passiert? „Melatonin wird weniger, Serotonin steigt. Das stimuliert uns, macht uns aktiver, ist stimmungsaufhellend“, sagt Hutter. „Das ist eine klare hormonelle Geschichte“. Doch auch der Gesamteindruck einer blühenden Umgebung wirkt sich auf den Hormonhaushalt aus und sorgt für den extra Dopamin-Kick. Das Glückshormon wiederum ist für unsere Kreativität zuständig. Etwas, das man im Job immer gut gebrauchen kann.
Dass gutes Wetter die Kreativität steigert, belegen einige Studien, darunter die der University of North Carolina und Warwick. Die Forscher haben herausgefunden, dass gute Stimmung vom Vitamin-D-Gehalt abhängig ist und dieser sich letztlich auf unsere Produktivität auswirkt. Die University of Michigan ergänzt, dass Personen, die zumindest 30 Minuten bei schönem Wetter im Freien verbringen, ein besseres Erinnerungsvermögen haben und offener neuen Informationen gegenüber sind. Das gilt übrigens nicht nur für Mitarbeiter, sondern auch für Chefs. Ein klarer Vorteil in Bewerbungssituationen.
Sonne verbessert Erfolgschancen im Job
Schon 2012 belegte der kanadische Professor Donald A. Redelmeier einen Zusammenhang zwischen dem Wetter und dem Ausgang von Bewerbungsgesprächen. An verregneten Tagen wurden Bewerber tendenziell schlechter bewertet als an sonnigen. Auch der Verhaltensforscher Uri Simonsohn belegte, dass Studierende bei Vorstellungsgesprächen an schönen Frühlingstagen eher mit ihrer Persönlichkeit punkten konnten als mit ihrem akademischen Lebenslauf.
Hat man kein Bewerbungsgespräch vor sich, profitiert man von warmen Temperaturen auch im Arbeitsalltag. Der Wiener Wirtschaftspsychologe Oliver Wegenberger sagt, dass der Frühling prädestiniert für Team-Aktivitäten wäre. Chefs sollten davon Gebrauch machen – etwa durch Laufgruppen oder andere Teambuilding-Maßnahmen. Die soziale Komponente wird bei der Gesundheit oft unterschätzt, mahnt Mediziner Hans-Peter Hutter. „Eine Gruppe erfüllt einen wichtigen Sinn“, sagt er. Außerdem würde man durch die Bewegung kognitiv leistungsfähiger werden. Das kann sowieso nie schaden.
Aktien sind wetterfühlig
Ebenfalls nicht schaden, kann ein Plus im Börserl. Das lässt sich womöglich im Frühling leichter erzielen. Und das nicht nur, wenn man in jenen Branchen arbeitet, die vom warmen Wetter profitieren (siehe Bilder). Wirtschaftspsychologe Wegenberger sagt, dass Übergangszeiten konsumentscheidend sind. Bei warmem Wetter füllen sich die Einkaufsstraßen, Impuls-Käufe nehmen zu, der Handel freut sich. Will der Konsument das Geld anderswo wieder reinholen – dann vielleicht an der Börse.
Denn Aktien sind ziemlich wetterfühlig. Scheint die Sonne, steigen die Kurse, schrieb die Süddeutsche Zeitung schon 2010 und berief sich dabei auf zahlreiche Börsen-Experten und Studien. Das Forscher-Duo David Hirshleifer und Tylor Shumway bestätigte etwa einen signifikanten Zusammenhang zwischen Wetter und Aktienkursen. Menschen seien bei Sonnenschein zuversichtlicher und würden dann verstärkt an den Erfolg ihres Investments glauben. Das kann sich auszahlen – muss es aber natürlich nicht.
Die dunklen Schatten der schönen Tage
Dass es am 30. März schon sommerlich warm ist, ist einerseits erfreulich, andererseits aber auch bedenklich. Die Erderwärmung lässt sich nicht mehr ignorieren. Sich über einen schönen, warmen Sonnentag zu freuen, wirkt im Angesicht dessen fast verwerflich. Trotzdem hat man das Recht, ihn zu genießen, sagt Hans-Peter Hutter: „Es nutzt niemandem etwas, wenn man den Frühlingstag boykottiert.“ Für den Klimaschutz kann man sich dennoch starkmachen – und das mit noch mehr Energie.
Diese Unternehmer können die warmen Temperaturen kaum erwarten
Für Schaustellerin Katja Kolnhofer, Gastronom Stefan Gasser, Fitnessstudio-Betreiber Maximilian Walter und Erfrischungsgetränke-Herstellerin Anna Abermann beginnt jetzt die beste Saison.
„Das ist unser Weihnachten“
Für Unternehmerin Anna Abermann beginnt ab sofort ihr persönliches Weihnachtsgeschäft. Sie ist die Gründerin der Bio-Fruchtsaftmarke „Pona“ und ist auf die Sonnenstrahlen angewiesen. „Die Getränkesaison hat ganz viel mit dem Wetter zu tun“, erklärt sie. Zum einen, weil sie von den geöffneten Schanigärten profitiert und zum anderen, weil die Lust auf Erfrischungsgetränke steigt.
„Man hat monatelang Tee und Kaffee getrunken und wünscht sich dann einfach diese frischen Getränke“, so die Wienerin. Das größte Geschäft macht sie aber nicht in den heißen Monaten, sagt sie. „Im August sind zu viele auf Urlaub, deshalb ist gerade der Frühling so wichtig für uns.“ Bis jetzt schaut dieser jedenfalls sehr vielversprechend aus, freut sie sich.
„Die optimale Zeit für Sport“
Das schöne Wetter zieht die Sportler an, beobachtet Maximilian Walter, Leiter von drei „Zone.Fit“-Studios in Wien. Sobald sich die ersten Sonnenstrahlen ihren Weg ins „Zone.Fit“ in den Stadtbahnbögen bahnen, sind auch die Besucher nicht weit: „Wir haben einen Outdoor-Bereich, wo man in der Sonne trainieren kann. Wenn es schön wird, sind in der Sekunde alle draußen.“
Und das, obwohl der Innenbereich deutlich größer ist. „Das schöne Wetter ist ein wichtiger Motivationsfaktor“, sagt Walter. Man könne Vitamin D tanken und die klassische Winterdepression abschütteln: „Jetzt kommt die optimale Zeit für Sport. Im Sommer ist es oft zu heiß, sodass es eher belastend ist. Aber diese Jahreszeit ist für den Kreislauf genial.“
„Die Leute sind besser drauf“
Das Schlimmste am Frühling? „Dass er so schnell wieder vorbei ist“, sagt Gastronom Stefan Gasser schmunzelnd. „Ich freue mich immer, wenn der Winter überstanden ist und man die grünen Bäume wieder sieht“, sagt er. Außerdem leitet der Frühling die lukrativste Jahreszeit ein: „Die Umsätze, die wir im Sommer machen, würden sich im Winter nicht ausgehen.“
Vor einem Jahr sperrte Gasser „die freunderlwirtschaft“ im neunten Bezirk auf – inklusive Schanigarten. Bei Schönwetter ein echter Gäste-Magnet, wie er meint. Im Winter sei im Grätzl weniger los, aber: „Mit der ersten warmen Welle kommen auch die Gäste“, so Gasser. „Man merkt, dass die Leute besser drauf sind. Sie gehen öfter aus und bleiben auf ein Getränk.“
„Arbeiten auf Hochtouren“
Katja Kolnhofer hat die Prater-Besucher im Blick. Laufen sie mit den Händen in den Jackentaschen, ist das nicht gut fürs Geschäft. Meist sind die Temperaturen dann zu kalt und die Lust an den Attraktionen zu gering. Kolnhofer führt mitunter das „Geisterschloss“, die älteste Geisterbahn des Wurstelpraters mit einem Riesen-Gorilla als Maskottchen.
Bis auf fünf Tage war sie heuer durchgängig geöffnet. „Es geht nahtlos über in die nächste Saison“, sagt Kolnhofer. Am meisten lohnt es sich aber, wenn die Temperaturen steigen. „Kaum ist es schön, läuft es gut bei uns.“ An Sonnentagen ist jeder im Team auf Hochtouren, man freut sich über die glücklichen Gesichter, die sich durch den Prater drängen. Denn tröpfelt es nur dahin, macht die Arbeit nur halb so viel Spaß.
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