Vom Kollegen zum Chef: Warum dieser Aufstieg am schwierigsten ist

Vom Kollegen zum Chef: Warum dieser Aufstieg am schwierigsten ist
Man war Teil des Teams, doch plötzlich soll man es leiten. Welche Fehler fast alle Neo-Chefs machen und warum schon die ersten Sekunden zählen.

Die einen arbeiten Jahre darauf hin – anderen „passiert es“ einfach, weil sie die besten Qualifikationen mitbringen: man wird aus dem Team zur neuen Führungskraft befördert. Zur Teamleitung, die jetzt die großen Visionen des Unternehmens vorantreiben soll und nun Job-Freundschaften hinten anstellen muss. Doch ist das wirklich nötig und wie gelingt der Sprung in die Führungsebene, ohne dass einem die einstige Nähe zu den Kollegen zum Verhängnis wird?

Die großen Stolpersteine

Von der Freundin zur Chefin zu werden, ist eine sehr schwierige Aufgabe, sagt Führungsexperte Martin Giesswein, der diese Situation selbst mehrfach durchlebt hat. Heute weiß er, welche Fehler Chef-Neulinge machen. Und warum es viel einfacher ist, ein fremdes Team zu übernehmen.

Denn war man einmal Teil der Gruppe, kennt das Team die Persönlichkeit, die Stärken und natürlich auch Schwächen. Besonders kritisch wird es, wenn man nicht die einzige Person war, die sich auf den Posten beworben hat. „Man ist plötzlich der Vorgesetzte von jemandem, der die Position selbst wollte. Da sind ganz starke Emotionen im Spiel.“ Ebenfalls herausfordernd: wenn sich lieb gewonnene Kollegen eine Sonderbehandlung erwarten und glauben, „mit dir als Chef werden wir schon eine ruhige Kugel schieben“, sagt Giesswein.

„Das ist wie ein Pfand aus der Vergangenheit, das eingefordert wird.“ Zusammenfassend sagt der Führungsexperte: „Je enger das Verhältnis war, je kleiner das Team, desto schwieriger ist es.“ Vergleichsweise einfach wäre es, aus einer Management-Funktion in die Geschäftsführer-Ebene aufzusteigen. „Das ist auf einer viel sachlicheren, erwachseneren Ebene.“ Trotzdem kann es auch im kleinen Rahmen gelingen. Wie? Indem ab der ersten Sekunde ein klares Konzept gefahren wird.

Je enger das Verhältnis, je kleiner das Team, desto schwieriger ist es, plötzlich Chef zu sein

von Martin Giesswein

Der erste Moment zählt

„Man muss den Moment, in dem man zur Führungskraft wird, wirklich nutzen“, betont Giesswein. Auch die eigene Chefin oder der eigene Chef sollte instruiert sein. „Da muss man sich gut absprechen“, so der Führungsexperte. Denn meist erfolgt der Wechsel durch eine kurze Bekanntgabe der oberen Riege. Diese muss sich danach sofort zurückziehen und klarstellen, kein direkter Ansprechpartner mehr zu sein. „Sonst wird man zur Pseudo-Führungskraft.“ Wenden sich Mitarbeiter trotzdem an die höheren Chefs, braucht es die „Boomerang-Methode“. Hier verweist die obere Führungsriege sofort an die untere. „Niemals erlauben, dass Hierarchien übersprungen werden“, warnt Giesswein.

Ab dem ersten Moment gilt es weiters, sich das Vertrauen (nicht den Respekt) der Mitarbeiter zu erarbeiten, so Giesswein. „Vertrauen heißt: Die Person ist konsistent und berechenbar.“ Ein wirksames Mittel: die transparente Kommunikation und das Offenlegen von Zielen. „Man muss die eigenen Führungsmantras erklären“, so der Experte. Ein Beispiel wäre: „Ich will, dass das Team perfekt zusammenarbeitet.“ In dieser Sache müsse man dann konsequent sein, hart durchgreifen, wenn nötig. „Das heißt nicht, dass ich meine Persönlichkeit ändere oder gar arrogant werde. Aber ich ändere meine Rolle.“

„Faule Kompromisse“ sind verboten, wenn es darum geht, die Führungsmantras zu realisieren, so der Profi. Darunter versteht er Sätze wie: „Du wirst das schon machen“ oder „Ich weiß, dass du eh dein Bestes gibst.“ Damit würde man die angekündigten Ziele verwässern – doch die sind nicht verhandelbar.

Vom Kollegen zum Chef: Warum dieser Aufstieg am schwierigsten ist

Martin Giesswein, Führungsexperte & Autor

Der Anfang vom Ende

Ob ein Aufstieg bedeutet, Job-Freundschaften auf Eis legen zu müssen? Nicht unbedingt, erklärt Martin Giesswein. Man könne noch miteinander Spaß haben, sich sogar Blödeleien anschließen oder nach dem Meeting mit an die Bar gehen. „Man ist aber auch die erste Person, die nach dem zweiten Getränk geht“, so der Experte.

„Bis zur Grenze des Fraternisierens ist alles erlaubt“, erklärt der Profi. Menschlich wäre man für alle da, aber niemals im Jammern „über die da oben“, sagt Giesswein eindringlich. „Die da oben gibt es nicht mehr – das ist eine absolute Entwürdigung der Führungsrolle.“ Stellt man sich gegen die oberen Chefetagen, vermittle das, die eigene Führungsrolle nicht anzunehmen und dass man es sich in der kleinen Runde schon richten wird. Außerdem würde es den emotionalen Druck erhöhen, wenn Mitarbeiter das Gefühl hätten, sich bei einem „auskotzen“ zu dürfen. „Das ist der Anfang vom Ende.“

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