Reportage: Frauen feilen an der Karriere

Reportage: Frauen feilen an der Karriere
Rezept gegen den Fachkräftemangel: Unternehmen bilden Frauen zu technischen Fachkräften aus.

Eifrig wird gefräst, gefeilt, gebohrt. In der Lehrwerkstätte von Philips Austria herrscht emsiger Betrieb. Junge Burschen stehen am Eingang an den Maschinen. Gleich dahinter ein ungewöhnliches Bild: 30 Frauen werken an den Drehbänken und Fräsmaschinen, diskutieren. Einige von ihnen sind deutlich älter als die Burschen, eine Frau trägt ein Kopftuch.

Zwölf Frauen werden jährlich bei Philips zur Maschinenfertigungstechnikerin im Zweiten Bildungsweg  ausgebildet – in einer 18- bis 24-monatigen Intensivausbildung, finanziert vom AMS über das Programm "Frauen in die Technik" (FIT).  "Wir bilden auch für andere Unternehmen aus", sagt Lehrwerkstättenleiter  Stefan Bassler stolz. Die großen Konzerne teilen sich die Ausbildungen: Kapsch bietet den Frauen eine Metallbearbeitungs- und Maschinenbautechnik-, Siemens die Elektroniker-Ausbildung.

Die Vorgeschichten der Teilnehmerinnen sind unterschiedlich: Die 18-jährige Jennifer Bednarik wollte eigentlich ihre abgebrochene Lehre als Köchin fertigmachen. Nach der AMS-Beratung hat sie sich die Ausbildung als Maschinenbautechnikerin bei einem Schnuppertag  bei Philips angesehen: "Das hat mir sofort gefallen." Oder Katharina Harant, 48: Sie hat nach 30 Jahren im Elektrohandel ihren Job verloren. "Ich hatte schon immer Interesse an technischen Berufen, bin da aber leider zu früh auf die Welt gekommen", lacht sie. Über das FIT-Programm erfuhr sie aus dem Internet. Die 18-monatige Ausbildung sei intensiv: "Man muss in kurzer Zeit viel  lernen, aber es ist zu schaffen." Ihr Ziel: "Ich würde gern in einem kleinen Metallbetrieb arbeiten."

Auch Schnupper-Praktikantinnen sind unter den Frauen. Wie Taslima Begumia, 38, aus Bangladesch, die als Jugendliche Ärztin werden wollte und schließlich in ihrer Heimat Geschichte  studiert hat. Heute feilt sie in der Lehrwerkstätte an einem Metallstück.  "Ich hatte immer Interesse an  Technik, bin froh, dass ich hier bin", lacht sie. Im Oktober beginnt sie bei Siemens im Rahmen des FIT-Programms eine Ausbildung als Elektronikerin.

Für die Unternehmen ist das Programm eine Möglichkeit, gegen den Fachkräftemangel anzugehen: "Wir tun uns schwer, Fachkräfte mit technischem Hintergrund zu finden", sagt Philips-Chef Robert Pfarrwaller.  "Frauen nicht für technische Berufe zu begeistern, würde bedeuten, Potenzial brachliegen zu lassen."

 

Tausend Teilnehmerinnen

Das AMS spricht jährlich 3000 Frauen über die Beratung auf das FIT-Programm an,  etwa tausend nehmen teil. Die Frauen kommen zuvor zur Berufsorientierung, können sich bei Schnuppertagen selbst ein Bild vom Job machen. "Wenn Frauen Arbeit suchen, haben sei meist fragmentierte Karrieren hinter sich, haben im Handel oder im Büro gearbeitet. Viele haben keine abgeschlossene Lehrausbildung", sagt AMS-Chef  Johannes Kopf, der die Philips-Lehrwerkstätte besuchte. Das AMS leiste Überzeugungsarbeit: "Es ist nicht so, dass Frauen uns die Bude einrennen. Auch manche Unternehmen müssen überzeugt werden,  Frauen auszubilden. Aber dort wo es gelingt, ist der Erfolg groß." Aber: "Ich gebe zu, es ist ein sehr teures Programm: Die Frauen erhalten eine zweijährige hochwertige Ausbildung – und wir müssen ihnen in dieser Zeit das Leben finanzieren."

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FIT-Programm: Bewährt und teuer

Seit 2005 bietet das AMS Österreich das Förderprogramm „Frauen in die Technik“ (FIT) an. 2011 hat das AMS  dafür 19 Millionen Euro ausgegeben.  20 Partnerbetriebe bilden über dass Programm  Frauen im Zweiten Bildungsweg in technischen und handwerklichen Berufen aus. Die Frauen müssen ein Mindestalter  von 18 Jahren aufweisen und arbeitssuchend oder arbeitslos gemeldet sein. Vorgeschaltet sind Phasen der Berufsorientierung  und -vorbereitung. Auch  FH-Studien im naturwissenschaftlichen-technischen Bereich und Lehrgänge Kolleg werden über  FIT finanziert.

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