Österreichs jüngste Müllerin: „Ich bin definitiv pro Handwerk“

Antonia Wieneroither ist Müllermeisterin und Konditorin. Geht der Vater in Pension, übernimmt sie die Mühle
Antonia Wieneroither ist Österreichs jüngste Müllerin. Die Rotormotoren und Maschinen in der hofeigenen Müllerei haben sie fasziniert und so wollte sie das traditionelle Gewerbe „komplett beherrschen“.

An der Zeller Ache, einem Bach im oberösterreichischen Mondseeland, da liegt sie: die Erlachmühle. Sie ist laut WKO eine von den letzten 122 gewerblichen Getreidemühlen Österreichs (zum Vergleich: Im Jahr 1955 gab es noch 2.732 Mühlen). Urkundlich erwähnt wurde die Erlachmühle erstmals 1416 und damit wird hier seit über 600 Jahren Mehl hergestellt. Familie Wieneroither betreibt die Mühle in 4. Generation.

Tochter Antonia (25) ist nicht nur mit viel Leidenschaft bei der Arbeit, sie ist auch eine der wenigen Frauen in der Branche und die jüngste Müllerin Österreichs. Zusammen mit ihrem Vater und ihrem Bruder verarbeitet sie 250 Kilo Roggen pro Stunde. Das gewonnene Mehl wird zum größten Teil für das hauseigene Holzofenbrot gewonnen. Noch so eine Seltenheit. Denn eigentlich dürfen Müller selbst nicht backen, das Gewerbe ist den Bäckern zugeschrieben.

Warum Antonia dennoch Brot backen und verkaufen darf, erzählt sie im Interview.
 

KURIER: Eine über 600 Jahre alte Mühle bedeutet auch zahlreiche Herausforderungen wie aktuell die Preissteigerungen beim Getreide. Wie wirken sich diese im Betrieb aus?
 
Antonia Wieneroither: Den Roggen kaufen wir aus dem Mühl- und Waldviertel zu und der ist um 100 Prozent teurer geworden. Dadurch mussten wir auch den Preis des Brotes erhöhen. Aber wir hoffen, dass der Getreidepreis wieder sinken wird.
 

"So geht jeder seinem Herzen nach"

von Antonia Wieneroither


Der Familienbetrieb besteht aus Müllerei, Bäckerei, Gasthaus und Zimmervermietung. Außerdem räuchern Sie Fische und backen auch Torten auf Auftrag. Muss ein Müller heutzutage so vielen zusätzlichen Arbeiten nachgehen, um finanziell überleben zu können?
Mit Mehl, das 75 Cent pro Kilo für Großabnehmer kostet, kann man nicht überleben. Außerdem schlägt das Herz meines Vaters für die Mühle, das Herz meiner Mutter für die Gastronomie, das Herz meines Bruders für die Fischerei und mein Herz neben der Mühle auch für Torten und so geht jeder seinem Herzen nach. Von dem Mehl- und dem Brotverkauf alleine könnten wir allerdings überleben.

 

Apropos Brotverkauf. Müller dürfen doch gar kein Brot herstellen und verkaufen. Oder?
Es ist so: Früher kamen die Bauern aus der Region und ließen ihr Getreide bei uns mahlen. Damals im 16. Jahrhundert machten fast alle davon Gebrauch, in Naturalien zu bezahlen. Der Müller war also berechtigt, eine gesetzlich bestimmte Menge des Getreides als Bezahlung einzubehalten, das so genannte Mautgetreide.
Jedoch hatte der Müller kein Geld mehr. Aus der Not heraus wurde dann das Mautgetreide vermahlen und Brot gebacken. Dies gab aber immer Reibereien mit der Bäckerzunft, sodass Maria Theresia ein Gesetz erließ, das den Müllern erlaubte, das Mautgetreide offiziell zu verbacken. Jedoch durfte daraus nur Schwarzbrot hergestellt und verkauft werden.

 

Ausschließlich Schwarzbrot?
Ja. Bis heute gibt es in unserer Bäckerei keine Semmeln, Laugenstangerln und Co. Nur unser Roggenschwarzbrot aus dem Holzofen und den Zutaten Wasser, Mehl, Salz. Ganz ursprünglich. Außer jeden Donnerstag. Da machen wir unser Brot mit Sonnenblumenkernen. Damit es zumindest ein wenig Abwechslung gibt.
 

"Wenn man das Brot aufschneidet und es riecht nach nix, is das nix G’scheit’s"

von Antonia Wieneroither

Woran kann auch ein Laie ein gutes Brot erkennen?
Ein gutes Brot braucht bei der Herstellung nur Zeit zum Rasten, damit sich die natürliche Hefe aus der Luft ansiedeln kann. Diese Zeit haben viele Industriebetriebe nicht mehr und fügen Hefe und andere Zusatzstoffe zu. Ein Laie erkennt ein gutes Brot an einer knackigen Kruste, einer lockeren Porung und am Geruch. Wenn man das Brot aufschneidet und es riecht nach nix, is das nix G’scheit’s.

 

Frauen gibt es nicht viele unter den Müllern. Warum ist das so?
Es ist ein sehr technischer Beruf. Man muss viel über die Maschinen lernen und sie auch reparieren können. Vielleicht schreckt das ab? Aber Frauen schaffen das auch, wenn sie es wollen.

 

Was ist das Faszinierende am Beruf des Müllers?
Es ist der Weg des Getreides. So ein einfaches Prinzip der Herstellung und am Ende entsteht ein natürliches Produkt, das mich eine Woche satt macht. Für mich ist es die größte Bereicherung, wenn ich ein Produkt von Anfang bis zum Ende selber machen darf. Ich bin also definitiv pro Handwerk.

 

Antonia Wieneroither stellte auf dem YouTube-Kanal "Holidays in Austria" ihre Mühle und ihren Beruf vor. Das Video dazu ist unten verlinkt.

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