Warum gerade die Jungen im öffentlichen Dienst arbeiten sollten
Mitarbeiter für den öffentlichen Dienst werden wieder gesucht. Denn nach über 15 Jahren des weitgehenden Aufnahme- und Pragmatisierungsstopps wird der demografische Wandel auch im öffentlichen Dienst immer auffälliger. „Komm zur Justiz“, schallt es aus dem österreichischen Fernsehen entgegen. Eine groß angelegte Kampagne, mit der die heimische Justiz neue Mitarbeiter locken möchte. Aber wie sehen die Jungen das Arbeiten für den Staat? Ist der Staatsdienst überhaupt noch attraktiv?
Ein Beamter?
Wer an den Staatsdienst denkt, stellt sich meist Beamte in einem Büro vor. Das Bild stimmt aber nicht ganz. Die klassischen administrativen Jobs, oder was sonst unter den Begriff Verwaltungsberuf fällt, werden von Beamten (ein Status, mit dem eine gewisse Unkündbarkeit einhergeht) und von Vertragsbediensteten (ohne Pragmatisierung) erledigt. Vertragsbedienstete sind somit unter anderem Verwaltungsassistenten, die mit einem Bürokaufmann oder einer Bürokauffrau vergleichbar sind – und das ist bei Weitem noch nicht die gesamte Bandbreite des öffentlichen Dienstes, wie Stephan Lauringer von der Jobbörse der Republik Österreich betont.
„Wir haben in Summe etwa 140.000 Mitarbeiter im Bundesdienst. Das geht von Juristen in Legistikabteilungen, über Controller, bis hin zu Wildbach- und Lawinenverbauern in den Bergen“, sagt er. Jobs, an die man meist nicht denkt. „Allein die Finanzverwaltung ist so vielfältig wie die Gesellschaft, für die sie arbeitet“, bestätigt Eleonore Siegert-Zessin, Juristin im strategischen Personalmanagement im Bundesministerium für Finanzen.
Diese Vielfältigkeit ist Fluch und Segen zugleich. Ein klares Bild von „dem Staatsdienst“ gibt es dadurch nicht. Das zeigt sich auch bei Erstgesprächen auf Berufsmessen. Vor allem Verwaltung und Politik werden gerne verwechselt, sagt Sandra Vogel, die sich im Ministerium (BMKÖS) mit Personalentwicklung befasst. Sie nennt ein Beispiel: „Wir hören öfter die Frage, welche Ausbildung man in der Verwaltung machen sollte, um Bundeskanzler zu werden“, schmunzelt sie. Es brauche somit einen Abgleich, „um die Erwartungen realistisch zu halten.“ Hierbei hilft jedenfalls ein gutes Image und das ist eine Herausforderung, mit der sich der Staatsdienst herumschlagen muss. Stereotype und Vorurteile gibt es einige, weiß Stephan Lauringer.
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Ein „fader“ Job?
Einen Beamtenwitz kennt vermutlich jeder. Die Scherze bedienen sich zumeist der gleichen Pointe. Nämlich, dass die Arbeit fad ist. Und oder wenig gearbeitet wird. Ein Image, das vor allem bei jungen Arbeitskräften nicht gut ankommt, weiß Jugendforscher und Geschäftsführer des Zielgruppen Büros Matthias Rohrer: „Wenn man beim Staatsdienst an langweilige, verstaubte Jobs denkt, baut das Hürden auf.“ Weshalb die junge Generation sich seiner Einschätzung nach weniger für diesen Bereich interessiert.
Besonders hart hartnäckige Vorurteile erschweren also die Mitarbeitersuche. Dabei sehen jene, die im Staatsdienst sind, die Jobs völlig anders. Dass das Arbeitsfeld öde ist, „entspricht nicht im Geringsten der Realität“, sagt Siegert-Zessin selbstbewusst. Sie gesteht aber, dass sie vor ihrem Einstieg ähnlich voreingenommen war. Das verstaubte Image will man deshalb gerade aufpolieren.
Ständig gibt es im öffentlichen Dienst zwischen 300 und 800 vakante Stellen und die Anzahl der Bewerber schwankt. „Es gibt aber immer wieder Lehrstellen, die stark frequentiert sind.“ Etwa im Finanzbereich, in dem Eleonore Siegert-Zessin tätig ist: „Wir haben einen regen Zulauf über alle Qualifikationsportfolios.“ Der Schlüssel sei eine gute Recruiting-Strategie, die zielgruppengerecht nach Bewerbern sucht. Besonders im Visier: die Jungen, wie überall anders auch.
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Wollen das die Jungen?
Im Grunde würden Staatsdienste gut zur jungen Generation passen. Matthias Rohrer nennt sechs Kernbereiche, die für Berufseinsteiger wichtig sind. Einige sind im öffentlichen Dienst zu finden.
„Die Jungen wünschen sich eine interessante Tätigkeit. Damit steht und fällt vieles.“ Dass der öffentliche Dienst nun nicht als besonders spannend gilt, ist bekannt. Aber: Der Staat hat eine Vorbildwirkung und gilt als klarer Vorreiter in Sachen New Work. Bedeutet: gleiche Karrierechancen für Frauen und Männer, ein familienfreundliches Umfeld, transparente Bezahlung und ein Fokus auf die mentale wie körperliche Gesundheit.
Kernbereich zwei: Die altbekannte Work-Life-Balance. „Der Job soll mit dem Leben der Jungen vereinbar sein. Jugendliche mittlerer formaler Bildung wollen Arbeits- und Lebensbereiche sogar strikt voneinander getrennt haben“, führt Rohrer aus. Hier kann das Angebot des öffentlichen Diensts locker mithalten. Sie werden sogar dem Wunsch der Jugend nach guten Bildungsmöglichkeiten und Aufstiegschancen (Kernbereich drei und vier) gerecht: „Wir gehen mit der Zeit und stellen den Menschen und seine Entwicklung in den Mittelpunkt. Man hat immer die Möglichkeit, neue Bereiche kennenzulernen und gegebenenfalls auch zu wechseln“, sagt Eleonore Siegert-Zessin.
Als Quereinsteigerin ist Sandra Vogel ein gutes Beispiel. Sie hat Psychologie studiert, was „auf den ersten Blick keine Ausbildung ist, die man in der Verwaltung erwartet.“
Ein krisensicherer Job
Auch, wenn die Jugend sich nach Flexibilität sehnt, haben die vergangenen Jahre sie vorsichtiger gemacht. Die Sicherheit hat deshalb bei den Jungen an Bedeutung gewonnen und wird zum Kernbereich Nummer fünf. „In diesen volatilen Zeiten sieht man einen Trend zum stabilen Arbeitgeber und zu großen Unternehmen in sicheren Branchen“, erzählt Rohrer. Hier kann der Staatsdienst punkten. „Die Unkündbarkeit gibt es durch den Pragmatisierungsstopp zwar so nicht mehr“, erklärt Stephan Lauringer von der Jobbörse. „Trotzdem ist die Arbeitsplatzsicherheit nach wie vor sehr hoch, auch in Ausnahmesituationen.“
Der letzte große Punkt auf der Wunschliste der Jungen: Ein gutes Gehalt. Beim öffentlichen Dienst ist das Gehalt jedenfalls transparent und gesetzlich verankert. Mit regelmäßigen Gehaltssprüngen im Zwei-Jahres-Takt.
Wie viel man als Einsteiger bekommt, ist durch die Breite an Jobs nicht so einfach zu beantworten. Aber ein kurzer Blick in das Jobbörse-Angebot zeigt, dass man als Verwaltungspraktikant mit Matura für die Bundesfinanzakademie mit 2.695 Euro brutto einsteigt. Ein Bediensteter im Kanzleibereich am Bezirksgericht bekommt 2.286 brutto Euro als Einstiegsgehalt.
Die Sache mit dem Sinn
Doch all diese Faktoren waren letztlich für Stephan Lauringer nicht ausschlaggebend, die eigene Karriere im öffentlichen Dienst zu starten. „Wir arbeiten für das Gemeinwohl und das große Ganze. Es ist eine sinnstiftende Tätigkeit. Genau das will die Jugend und das können wir bieten“, sagt er. Dafür bräuchte es kein großartiges Employer-Branding: „Es ist bereits Teil unserer DNA.“
Was Eleonore Siegert-Zessin in ihren Beruf gezogen hat, war die wertschätzende Unternehmenskultur, „die von Anfang an transportiert und gelebt wird.“ Außerdem sporne sie die Arbeit an sich an: „Man arbeitet nicht zum Selbstzweck. Wir leisten einen wichtigen Beitrag, in dem wir die Zukunft Österreichs aktiv mitgestalten.“
„Grundsätzlich unterscheiden wir zwei Arten des Dienstverhältnisses“, erklärt Stephan Lauringer von der Jobbörse der Republik Österreich. Es gibt Beamte und Vertragsbedienstete. „Der klassische Beamte, den man früher mit dem öffentlichen Dienst verbunden hat, ist heute die Ausnahme. Die Mehrheit sind Vertragsbedienstete“, so Lauringer. Zu Beamten zählen heute noch Polizisten und Berufsgruppen wie der Militärische Dienst oder Richter und Staatsanwälte, bei denen es „keine Alternative zum öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis gibt“, schreibt das Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlichen Dienst und Sport (BMKÖS).
Aufgrund des Pragmatisierungsstopps, das 2003 beschlossen wurde, sinkt die Anzahl an Beamten stetig. Gleichzeitig wird der demografische Wandel präsenter, weiß die Referentin für Personalentwicklung im BMKÖS Sandra Vogel. Das Durchschnittsalter liegt aktuell bei rund 45 Jahren. Eine hohe Pensionierungswelle stehe bevor. Prognostiziert wird, dass allein beim Bund 45 Prozent der Mitarbeiter bis 2034 in Pension gehen werden und mit ihnen „einiges an Wissen, das man aktuell zu halten versucht.“
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