Neid erarbeitet man sich
„Nur als Mitarbeiterin in einem Geschäft zu arbeiten, war mir immer zu langweilig“, erzählt sie. Ab dem ersten Lehrjahr stürzte sie sich in Lehrlingswettbewerbe. Trainierte zweimal die Woche, stellte die Freizeit hinten an und räumte eine Medaille nach der anderen ab. „Ein vierter oder fünfter Platz wäre für mich nicht infrage gekommen“, stellt sie klar. „Wenn ich mitmache, dann g’scheit.“ Ihr Ausbildner erkannte das Potenzial und ließ seinen Lehrling für das Fashionteam arbeiten und Fotoshootings begleiten. „Ich habe die lehrreichste Zeit gehabt, die man sich erhoffen kann“, erinnert sich die heutige Friseur-Meisterin zurück.
Jahr für Jahr wurde sie besser, gewann sogar eine Talent-Show im Fernsehen, doch irgendwann zog sie damit den Neid mancher Kolleginnen auf sich. „Das war sehr schwierig, weil ich den Job geliebt habe, mich aber dann nicht mehr so wohl fühlte.“ Sollte sie einmal selbst Stylistinnen ausbilden, nahm sie sich damals vor, würde sie keine Konkurrenz leben und alle zu Höchstleistungen motivieren. Bis sie erkannte, dass nicht alle das wollen.
Die eigene Chefin sein
Im Alter von 24 und mit zehn Jahren Berufserfahrung eröffnete die Friseurin in Braunau ihren ersten Beauty- und Friseursalon. Alleine stemmen, musste sie das nicht. Heute sind zwei ihrer Schwestern mit an Bord, dabei war es gar nicht die Unternehmensführung, die Seda Türkoglu an ihre Grenzen trieb. „Für mich war es selbstverständlich, dass meine Mitarbeiter einmal genau denselben Weg gehen wollen, wie ich“, gesteht die Stylistin, die jetzt sogar der Friseur-Innung beigetreten ist, um österreichweit etwas für die Branche zu bewirken.
Doch gerade die Jüngsten in ihrem Team haben andere Vorstellungen. Setzen den Freund und die Freizeit an erste Stelle, selbst wenn sie die besten Voraussetzungen hätten, einmal mehr, als nur angestellte Friseurin zu sein. „Ich habe unterschätzt, wie schwer die Mitarbeiterführung ist“, sagt Türkoglu. Nur ein halbes Jahr nach Eröffnung des ersten Salons absolvierte sie deshalb eine dreiwöchige Fortbildung. „Da habe ich meine Persönlichkeit um 180 Grad gedreht.“
Einfühlsam und verständnisvoll sei sie noch immer, aber sie habe akzeptiert, dass für manche die gemütliche Anstellung genügt. Ihre jungen Mitarbeiterinnen anzulernen, bleibt trotzdem „die beste Entscheidung meines Lebens“, strahlt Seda Türkoglu durchs Telefon. „Ich weiß, wie sie arbeiten. Ich habe es ihnen ja selbst beigebracht.“ Dass eine dieser Mitarbeiterinnen jetzt den zweiten Standort in Mattighofen leiten wird, macht sie besonders stolz.
Frühe und späte Anfänge
Einmal (mehrfache) Salonbesitzerin zu sein, stand für Seda Türkoglu schon zu Beginn der Lehre außer Frage – und war auch der Hauptgrund diese anzugehen. Schließlich waren schon der Vater und die Onkel selbstständig und sie von klein auf mit dabei, wenn es darum ging, eine akribische Buchhaltung zu führen. Der große Teil ihres Freundeskreises aber ging studieren. Und studiert teilweise immer noch.
„Ich habe auch einen Titel, bin Meisterin, habe mein eigenes Geschäft und bald mein zweites“, resümiert die Unternehmerin stolz. Während also die einen mit Mitte zwanzig noch auf den Karriereanfang warten, startete Seda Türkoglus berufliche Laufbahn mit 14 Jahren. Am 24. Februar 2024 wird sie um 14 Uhr ihren zweiten Salon eröffnen. Und vermutlich nicht den letzten.
Kommentare