Steinmetz-Weltmeisterin: „Work-Life-Balance hat mich nie beschäftigt“

Steinmetz-Weltmeisterin: „Work-Life-Balance hat mich nie beschäftigt“
Die 21-jährige Oberösterreicherin Anna Karina Feldbauer ist Steinmetz-Weltmeisterin. Im Interview spricht sie über die Liebe zu ihrer Arbeit.

KURIER: Sie sagen, der Lehrberuf hat Ihnen bislang viele Türen geöffnet – welche?
Anna Karina Feldbauer:
Ich konnte bei den AustrianSkills und WorldSkills teilnehmen und mir mit dem eigenen Verdienst mehr Freiheiten ermöglichen.

Bei den WorldSkills sind Sie jetzt zur Steinmetz-Weltmeisterin gekürt worden. Wie war es, Teil des Wettbewerbs zu sein?
Klasse – wir waren ein super Team und auch wenn es vier anstrengende Tage waren, war es schön, am Abend zusammenzusitzen und eine Gaudi zu haben.

Was hat es gebraucht, um so gut zu werden, dass sich die Weltmeisterin ausgeht?
Vorbereitet habe ich mich auf den Wettbewerb ein gutes halbes Jahr. Die Lehre habe ich aber schon 2016 begonnen.

Steinmetz-Weltmeisterin: „Work-Life-Balance hat mich nie beschäftigt“

Anna Karina Feldbauer holte in Bordeaux bei den Berufsweltmeisterschaften WorldSkills Gold. Sie machte ihre Lehre beim oberösterreichischen Steinmetzmeister Kienesberger. 2019 absolvierte sie die Lehrabschlussprüfung, die Meisterprüfung hat sie noch vor sich. Dem ausbildenden Betrieb hält sie bis heute die Treue.

Welche Fähigkeiten sollte jede Steinmetzin oder jeder Steinmetz mitbringen?
Feingefühl würde ich sagen. Aber grundsätzlich ist man sehr vielschichtig in den Qualifikationen. Wenn man auf dem Friedhof Arbeiten verrichtet oder Küchenplatten versetzt, braucht es oft viel Kraft. Da haben Männer einen Vorteil. Fertigt man aber Schriften, braucht es Kreativität.

Sie sagen, dass Männer aufgrund ihrer Kraft im Vorteil sind. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, diesen Beruf auszuüben?
Ich habe immer schon gerne mit meinen Händen gearbeitet – ein Bürojob ist daher sowieso nie für mich infrage gekommen. Auf den Beruf aufmerksam geworden bin ich bei einer Messe in Wels. Ich war gleich fasziniert und wollte das unbedingt lernen.

Man wächst in einem kleinen Betrieb wie in eine kleine Familie hinein.

von Anna Karina Feldbauer

Wäre auch ein anderer Job für Sie interessant gewesen?
Ja, ich war in der Gartenbauschule Ritzlhof aufgenommen und das Schuljahr hätte auch nach den Sommerferien begonnen, wenn ich mich bei der Berufsmesse nicht umentschieden hätte.

Wie sieht ihr Umfeld aus? Haben viele Frauen denselben Weg eingeschlagen?
Nein, es sind schon hauptsächlich Männer. Ich habe zwar schon ein paar Kolleginnen, aber bei mir in der Firma bin ich die Einzige.

Bei den WorldSkills 2022, die heuer erstmals in 15 Ländern stattfinden, holte Feldbauer für Österreich die erste Goldmedaille. Aktuell ist Österreich auf dem Kurs, zweitbeste EU-Nation zu werden. Im weltweiten Vergleich rangieren die rot-weiß-roten Asse derzeit auf Rang acht. Angeführt wird der WM-Medaillenspiegel zurzeit von China. Auf den weiteren Plätzen folgen Korea und Japan. Das Finale der WorldSkills ist am 27. November in Salzburg. 

Es heißt, dass Menschen, die eine Arbeit verrichten, deren Ergebnis sie in den Händen halten können, am glücklichsten sind. Wie sehen Sie das?
Ich habe keinen Vergleich, aber es macht auf jeden Fall glücklich und stolz, wenn man sieht, was man selbst geschaffen hat.

Die Menschen sehnen sich nach mehr Work-Life-Balance. Ist das in Ihrem Beruf gegeben?
Ich selbst habe mich nicht damit beschäftigt. Für mich ist das Verhältnis, wie es ist, in Ordnung. Ich habe meine Freizeit am Abend und am Wochenende und das ist gut so.

Jetzt herrscht in vielen Bereichen ein starker Fachkräftemangel. Beobachten Sie das in Ihrer Branche auch?
Die Lehrlinge sind die Zukunft und die Lehrlinge sind zu wenig. Ich bin nicht sicher, wie das in unserem Betrieb aktuell aussieht, aber im Allgemeinen habe ich das Gefühl, dass jeder nach neuen Talenten sucht.

Wir haben in Österreich von Marmor bis zu Sandstein und Granit alles zur Hand. In der Bearbeitung muss man nur darauf achten, dass jeder Stein eine andere Härte hat und anders bricht. Einen Favoriten habe ich nicht. Es hat jedes Material seine Tücken und auch seine schönen Seiten.

von Anna Karina Feldbauer

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Wenn ich für Verstorbene Erinnerungen schaffen kann. Etwas, das dazu beiträgt, dass eine Person niemals vergessen wird. Hier fertige ich individuelle Grabinschriften oder Ornamente an.

Gab es dabei ein Herzensprojekt?
In Grieskirchen habe ich eine Schrift vor Ort am Friedhof graviert. Damals, als der Senior-Chef noch gelebt hat, ist er extra vorbeigekommen und hat mich gelobt, wie gut ich das gemacht habe. Ich glaube, da war ich noch im dritten Lehrjahr. Das ist definitiv eine der schönsten Erinnerungen.

Was wäre Ihr persönlicher Traum, wo Sie gerne ihre Fähigkeiten einsetzen würden?
Erst vor Kurzem habe ich für einen guten Freund einen großen Stein gemacht, in den eine Kuh gemeißelt war. Er ist Bauer und stellt sich diesen jetzt vor die Haustür, sodass jeder den Stein sehen kann. Er war zu Tränen gerührt und das hat mich dann schon sehr gefreut. Das sind die Aufträge, die mir irrsinnig gefallen.

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