Ex-Erste-Vorstand Peter Bosek: Auf der Suche nach dem inhaltlichen Schub
Peter Bosek ist Vorstand der baltischen Luminor Bank. Im Interview spricht er offen über seine Baustellen, die große Liebe zur Erste Group und eine mögliche Rückkehr.
Peter Bosek kennt man aus der Erste Group. 25 Jahre lang gestaltete der Banker das Unternehmen mit, zuletzt als Retail-Vorstand. Bis er den Entschluss fasste, auszuziehen. Die Luminor Bank in Tallinn ist seit 2021 seine unternehmerische Heimat, er formt daraus „eine vernünftige Bank“.
Wir treffen Peter Bosek bei einem seiner wenigen Besuche in Wien. Es ergibt sich ein launiges Gespräch über seine Herausforderungen in der baltischen Bank, seine Nähe zu Andreas Treichl und eine Rückkehr, die gut möglich scheint.
KURIER: Sie sind seit knapp zwei Jahren bei Luminor in Tallinn. Warum sind Sie gegangen?
Peter Bosek: Das hat sich ergeben, weil ich im Herbst 2020 ein Angebot bekommen habe. Dann kam der Gedanke: wenn ich es nicht jetzt mache, mache ich es nie. Und nachdem ich vorhabe, bis 75 zu arbeiten, wollte ich nochmals einen inhaltlichen Schub haben.
Ich habe die Erste geliebt und liebe sie noch immer, aber ich habe dort jeden Stein selbst hingelegt und nach zehn Jahren habe ich diesen Stein wieder aufgehoben und gefragt: welcher Depp hat den daher gelegt, weil ich vergessen hatte, dass ich es selbst war.
Sie sind ja nach der Uni quasi gleich dorthin.
Ich war dann auch noch Universitätsassistent am Juridicum. Ich war einmal ernsthafter Jurist, für Verfassungsrecht und Europarecht. Das war auch cool aber ein bisschen introvertiert. Und eigentlich wollte ich ja Geo-Fotograf oder Journalist werden. Oder ein erfolgreicher Autor.
"Ich bin nicht gegangen, um zurückzukommen. Das wäre die falsche Motivation."
von Peter Bosek, baltische Luminor Bank
Dafür war das Jus-Studium nicht so ganz richtig.
Nein, nein. Das Studium war genial. Weil du damit alle Optionen hast. Man kann Hardcore-Juristenjobs machen oder in die Wirtschaft gehen. Ich habe ja nie verstanden, was man mit einem Wirtschaftsstudium machen kann.
Wirtschaft studieren? Wie soll das gehen. Verhandeln lerne ich am Naschmarkt und das mit der Buchhaltung ist nicht so kompliziert, das kann man sich aneignen.
Man sagt, nicht der nächste Job ist der wichtige, sondern der übernächste. Schon so weit gedacht?
Nein, diese Gabe habe ich nicht.
Sind Sie gegangen, um dort zu bleiben oder, um besser und teurer zurückzukommen?
Ich bin nicht gegangen, um zurückzukommen. Das wäre die falsche Motivation. Ich wollte ganz weg sein. Weil ich mich selbst in die Situation bringen wollte, nochmals von vorne anzufangen.
Nach 25 Jahren im Job hat man seine blinden Flecken. Man könnte den Job vielleicht auch mit 80 Prozent Einsatz schaffen, durch all die Routine, aber das ist natürlich völlig falsch.
"Es beklagen sich jetzt alle über diese Generation Z, aber das hilft ja nicht weiter."
von Peter Bosek, baltische Luminor Bank
Aber doch ganz angenehm.
Ja, aber für mich langfristig nicht denkbar. Ich habe einen anderen Anspruch.
Welchen Job haben Sie da angetreten?
Die Aufgabe ist, eine vernünftige Bank aufzubauen. Das waren einmal sechs kleine Banken, sie wurden fusioniert. Das ist deshalb super, weil es aktuell nicht so viele Situationen im Banking gibt, wo man etwas aufbauen kann. Es macht richtig Spaß.
Aufbauen, weil es ein Wachstumsmarkt ist.
Absolut. Ein gesunder Bankenmarkt. Von der Risikosituation her sehr okay, weil es eine hohe Rückzahlungskultur gibt, es eine unternehmerische Gegend ist. Das schwierigste ist die Mitarbeiter-Suche. Ich muss auf dem Tisch tanzen, damit überhaupt jemand nachdenkt, zu mir zu kommen.
Sie müssen also besonders gut zahlen.
Wir müssen besonders gut zahlen, aber das ist ja bei weitem nicht genug. Wir haben eine relativ hohe Fluktuation, das ist natürlich schlecht. Es ist schon auch ein demografisches Problem. Ich weiß schon, es beklagen sich jetzt alle über diese Generation Z, aber das hilft ja nicht weiter. Wir bieten also viel dazu – manchmal denke ich mir, wir sind mehr ein Spa als ein Unternehmen.
"Ich glaube, die Zentralbanken sind überrascht, dass ihre Modelle nicht mehr funktionieren."
von Peter Bosek, baltische Luminor Bank
Was bieten Sie?
Zusätzliche Urlaubstage, Krankenversicherung, Fitnesscenter. Wir machen viel auf der Ausbildungsebene und für die mentale Gesundheit. Ich glaube, die mentale Gesundheit ist der große Gamechanger in den nächsten Jahren. Covid hat etwas mit den Menschen gemacht und dann gibt es jetzt auch noch den Stress mit dem Krieg Russland-Ukraine. Im Baltikum spürt man das körperlich. Viel Verunsicherung, Sorgen, schlechte Stimmung.
Wie sehr ist der Krieg dort zu spüren?
Auf emotionaler Ebene gibt es einen starken Einfluss, weil die Menschen eine Geschichte mit der Sowjetunion haben. Es viel persönliche Betroffenheit gibt. Ganz viele haben Großeltern oder Verwandte in der Ukraine. Und es gibt in den baltischen Ländern erhebliche russische Minderheiten.
Es ist eine komplizierte Situation. Wirtschaftlich drückt sich das in einer extrem hohen Inflation aus, in Estland aktuell bei 24 %, bedingt durch die hohen Energiepreisen. Wir sehen auch schon einen deutlichen Rückgang im Geschäft. Etwa bei Auto-Leasings, minus 40 Prozent. Auch bei Investitionen.
Wie sehen Sie die Zinspolitik der EZB? Völlig daneben. Immer zu spät. Oder eh ganz ok?
Also zumindest zu spät. Ich glaube, die Zentralbanken sind überrascht, dass ihre Modelle nicht mehr funktionieren. Wir haben solche Krisen und Situationen vorher nie gesehen. Das Gleiche gilt für alle Risikomodelle der Banken.
Wir hatten zehn Jahre mit extrem niedrigen Zinsen, niemand kann beurteilen, wie viele Zombie-Unternehmen es aktuell gibt. Das wird alles noch sehr spannend.
Die EZB ist jetzt mit den Zinsanhebungen in die Gänge gekommen.
Die Frage ist, wie lange man die Zinsen raufschrauben kann, ohne die Wirtschaft abzuwürgen. Auf der einen Seite gibt es die Zinserhöhungen, auf der anderen Seite diese absurden Energiepreise. Das geht sich für die Wirtschaft nicht lang aus.
Die europäischen Energiepreise sind siebenmal so hoch wie in den USA – das klingt nicht nach Wettbewerbsvorteil. Die Amerikaner sind zudem schmerzbefreiter. Die sagen, das ist die Rezession für das nächste Wachstum.
Dieses mentale Setting fehlt in Europa. Wir wurschteln durch, mit unfassbaren Staatsinterventionen. Da ist während Corona viel richtig gemacht worden, aber das muss jetzt wieder aufhören.
Zurück zu Luminor: Schon wieder ist Andreas Treichl nahe, nämlich als Aufseher. Freut Sie das?
Das freut mich sogar sehr. Für mich ist es genial, weil ich habe extrem gerne mit ihm zusammen gearbeitet. Es ist angenehm, weil er schaut mich an und hört mich denken – und umgekehrt. Er hat eine Megaerfahrung und kann uns sehr dabei unterstützen, dieses Unternehmen fit zu machen. Für mich ist das ein Segen.
Ihren Namen hört man immer wieder, wenn es um die Nachfolge von Cernko als Erste-Vorstand geht. Ihr Kommentar dazu?
Das ist etwas, das man den Aufsichtsrat fragen muss. Dass ich immer der Erste Bank verbunden bin, ist eh klar und keine Überraschung. Es gibt da Menschen, die das zur richtigen Zeit entscheiden werden. Schauen wir mal.
"Deshalb war es immer meine Strategie, zu sagen: machen wir die Fenster auf und lassen wir die Sonne rein."
von Peter Bosek, baltische Luminor Bank
Müssen Sie in Ihrem Job mehr Visionär sein, mehr Manager oder mehr Finanzexperte?
Es ist eine Mischung aus allem. Für mich ist es wichtig, zu verstehen, was rundherum passiert. Ich will wissen, wie die Politik funktioniert, in welche Richtung die Geopolitik geht, wie die Stimmungslage ist. Das habe ich von Andreas Treichl gelernt. Banken sind ja eher gewöhnt, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Das halte ich für eine Gefahr.
Deshalb war es immer meine Strategie, zu sagen: machen wir die Fenster auf und lassen wir die Sonne rein. Das muss ein Learning aus der Finanzkrise sein, wo Banken viel Geld verdienen konnten, ohne einen Kundennutzen zu erfüllen. Wenn Banken nicht einen gesellschaftlichen Zweck erfüllen, dann braucht sie irgendwann keiner mehr.
Es ist ein permanenter Prozess, die Bank nach außen aufzumachen. Zu verstehen, mein Gehalt zahlt mein Kunde. Und dafür will er aber auch was. Der findet mich jetzt nicht per se großartig, ich muss was liefern dafür.
Waren das die großen Fehler der Vergangenheit, dass man etwa mit dem digitalen Banking die Kunden aus den Filialen getrieben hat?
Das glaube ich nicht. Mit den Selbstbedienungsdingern hat es begonnen, in diese Richtung zu gehen. Aber die Digitalisierung war dringend notwendig. Sie war nämlich schon lange da und die Banken haben dann erst ziemlich spät verstanden, dass es das gibt.
Es war für uns also ein Aufholprozess, weil die Kunden haben schon lang Amazon verwendet und waren es gewöhnt, mit einem Klick alles zu bekommen. Die Erste kann das schon sehr gut, bei Luminor bin ich beim digitalen Banking im Aufholprozess.
Dort ist man noch weit weg von George.
Ganz weit weg.
Sie haben 25 Jahre Banken-Erfahrung. Könnte man Ihren Job ohne Expertise im Finanzsektor überhaupt machen?
Hm... Schwierige Frage. Und für mich besonders schwer zu beantworten, weil ich kenne es ja nicht anders. Erfahrung ist natürlich wertvoll und auch sehr wichtig. Banking ist ein spezielles Feld mit sehr viel Regulatorik. Da sollte man sich natürlich gut auskennen. Meine diplomatische Antwort soll aber sein: Quereinsteiger haben auch immer gutgetan.
Kommentare