Red Bull dominiert die österreichischen Marken – daran ändert sich auch in der neuesten Markenwertstudie nichts. Der Energydrink-Hersteller ist zudem die einzige Marke, die weltweit in den Top-100-Marken aufscheint. Marken-Professor Oliver Errichiello erklärt das Phänomen.
KURIER: Wie schaffen es Marken, sich in unseren Köpfen festzusetzen?
Oliver Errichiello: Durch Zeit und Vertrauen. Bekannte Marken sind oft alt, auch Red Bull hat eine 40-jährige Geschichte. Der Marke ist es gelungen, eine Idee und ein Verhalten zu installieren. Vertrauen ist dabei der eigentliche Markenwert. Das ist immer so – das wissen wir aus der Wirtschaft, der Politik, eigentlich bei allen Marken. Und sowas dauert lange.
Ja. Heute verwechselt man Aufmerksamkeit mit Markenstärke. Die Aufmerksamkeit kann man schnell haben, mit Kreativität, einem Tabubruch, mit schnellem Eindruck. Aber das hat nichts damit zu tun, ob eine Marke stark ist. Sie ist dann stark, wenn man unnachdenklich entscheidet, dass ein Problem damit gelöst wird. Denn im Kern muss es bei jeder Marke um die Lösung eines Problems und um die Leistung des Produkts gehen.
Sie sagen, Marken funktionieren nie kurzfristig, es gehe immer um langfristige Leistung.
Kurzfristig kann man einen Mythos hochjazzen und punkten, aber nicht langfristig. Kein Mensch lässt sich über lange Zeit davon überzeugen, dass er nur Image kauft. Da muss die Leistung eines Produkts stimmen. Marken und Produkte muss man einlernen, dazu müssen sie ihr Muster auch kommunikativ durchhalten. Nicht verändern, sondern dabeibleiben und mit der Variation spielen.
Was ist die größte Gefahr für eine etablierte Marke?
Marken werden immer von innen zerstört, niemals von außen. Weil das Management Dinge macht, die die Marke nicht vorgibt. Eine gute Marke gehört den Kunden und die haben bestimmte gelernte Erwartungshaltungen. Die Aufgabe des Managements ist es, diese Erwartungen einzulösen und immer wieder der Zeit anzupassen. Aber sie nicht im Kern zu verändern.
Das würde dagegen sprechen, ein Logo zu verändern.
Die beste Veränderung ist die, die der Kunde nicht merkt. Ich frage mich: Warum muss immer das Logo als erstes leiden? Weil das Management zeigen will, dass es aktiv ist. Das arme Logo wird dann von den tollen Designern verändert – nur um zu zeigen, dass sich jetzt alles verändert. Aber Veränderung muss mehr sein, im Inneren passieren und die Leistung betreffen. Bei allen Anpassungen muss man sich und der Marke treu bleiben. Vielleicht nicht so krass wie Coca-Cola, die seit 100 Jahren das gleiche Logo haben, aber annähernd.
Die Veränderung soll ja oft auch eine Verjüngung sein, sonst droht die Gefahr, mit den Kunden wegzusterben. Ich spreche von einer Pandemie der Verjünglichung. Damit wird legitimiert, alles verändern zu dürfen. Aber man kann sich nicht plötzlich an neue Zielgruppen wenden, Kampagnen komplett umwerfen, die Erzählung der Marke neu erfinden. Dann kämpft man nämlich gegen zwei Riesen im Raum: die, die da sind, sind irritiert. Und die, die man gewinnen will, glauben das Ganze nicht. Und letztlich erreicht man niemanden mehr.
Wie viele Fehler verzeihen Kunden ihrer Marke?
Ziemlich viele. Der Abgasskandal hätte für VW der Tod sein müssen – war er aber nicht. Warum? Weil die Marke ihre entscheidenden Markenleistungen trotzdem erfüllt hat. Einen VW hat man nie gekauft, weil er grün war. Sondern weil er gut fährt. Marken geraten nur dann in Gefahr, wenn sie in ihren Kernelementen versagen. Wenn bei den Kunden der Spruch fällt, „die sind nicht mehr so, wie sie mal waren“ – dann erodiert die Marke. Aber man muss schon ziemlich viel veranstalten, dass das passiert.
Es gibt so etwas wie positive Vorurteile, die man „seinen“ Marken gegenüber hat.
Machen wir uns nichts vor: Wir alle haben Vorurteile – bei allem. Wirtschaft bedeutet auch immer, das stärkste positive Vorurteil im Markt zu haben. Die Beziehung der Kunden zu ihrer Marke lebt von den positiven Vorurteilen. Keine Marke ohne Vorurteil.
Was also tun mit einer bekannten, erfolgreichen Marke? Nichts?
Das, wofür man steht, noch besser einlösen. Generell meine ich: Kreativität bedeutet nicht das Sprengen von Grenzen, sondern das Ausfüllen von Grenzen. Die neuen Ideen für eine Marke müssen in das Gewesene hineinpassen, das ist die hohe Kunst.
Kommentare