Bürozwang? Wie Mitarbeiter freiwillig aus dem Homeoffice kommen
Silicon-Valley-Giganten schlugen schon vor einiger Zeit Alarm. Das Homeoffice-Experiment sei nach hinten losgegangen, sagt etwa Open-AI-Chef Sam Altman. Auch Studien würden zeigen, dass Homeoffice die Produktivität im ersten Moment zwar fördert, aber langfristig doch an der Effizienz nagt. Man hätte keinen Anschluss zum Team, die Kommunikation werde erschwert und wertvolles Wissen gehe dadurch verloren.
Branchenübergreifend tönt es nun: „Mitarbeiter, kommt zurück!“. Das ist aber nicht so einfach, wie Arbeitspsychologin Anna Warga-Hosseini erklärt. Denn „seit der Pandemie ist Homeoffice zu einem wichtigen Kriterium für Arbeitgeberattraktivität geworden.“ Das Homeoffice-Angebot entscheide teilweise sogar, ob Mitarbeiter überhaupt im Unternehmen bleiben wollen. Zudem gibt es diverse Betriebsvereinbarungen, die die Möglichkeit zum Homeoffice absichern.
Arbeitgeber müssen somit andere Wege finden, um Büros zu einem Mitarbeiter-Magnet zu machen. Aber welche sind das?
Ist es schön genug?
Man hört von bunten Rutschen im Google Headquarter und von DJ-Kabinen im kalifornischen Facebook-Office. Wie anziehend solche skurrilen Extras sind, stellt Peter Handlgruber infrage. Er hat sich mit seiner Firma „Bürofreunde“ auf dieses Feld spezialisiert. „Es braucht keinen Spielplatz, um Mitarbeiter fürs Büro zu begeistern“, sagt er. Aber es brauche sehr wohl ein gewisses Maß an Attraktivität. Er verwendet dafür das Wort „Instagram-tauglich.“ Gemeint ist die Ästhetik eines Büros. Ein schöner Arbeitsplatz, den man auf sozialen Medien teilen wollen würde, motiviert, öfter hinzugehen. Ist das Büro zusätzlich gut ausgestattet, wird diese Motivation umso größer: „Das Büro muss der beste Ort zum Arbeiten sein“, sagt Handlgruber.
Dass es dabei mehr bieten muss als die eigene Wohnung, sei selbstverständlich, fügt Immofinanz Leasing Managerin Stefanie Mayr hinzu und sperrt die Tür zum Loungebereich des myhive Urban Garden auf. Einem Co-Working-Space auf der Wienerbergstraße in 1100 Wien.
Neben sogenannten "Napping-Rooms" (also verdunkelten Räumen in denen man sich entspannen oder sogar schlafen kann), ergonomischen Stühlen sowie Tischen, schallgedämpften Video-Call-Räumen und bunt dekorierten Rückzugsorten findet man hier 120 mietbare Arbeitsplätze auf 1420 m2 Fläche.
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Immofinanz Leasing Managerin Stefanie Mayr im myhive-Co-Working-Space
Der myhive-Co-Working-Space am Wienerberg
Der myhive-Co-Working-Space am Wienerberg
Der myhive-Co-Working-Space am Wienerberg
Der myhive-Co-Working-Space am Wienerberg
Menschelt es dort?
Fragt man die dort angesiedelten Firmen, warum sie sich für dieses Co-Working-Space entschieden haben, lautet die Antwort: die Gemeinschaft und der Wissensaustausch. Außerdem eignen sich Büros für tolle Partys, lacht ein Mitarbeiter.
Alles wesentliche Punkte, wie David Tekeli, Head of Design bei Behan & Thurm Einrichtungen, weiß: „Der Arbeitsplatz ist nicht nur ein Ort, an dem man acht Stunden sitzt und sich konzentriert. Er wird zunehmend zu einem Begegnungsort für den sozialen Austausch.“ Ein klarer Mehrwert, den das Homeoffice selbst mit Video-Anrufen und sozialen Netzwerken nicht bieten kann. „Genau das macht ein Büro so attraktiv. Menschen, die man dort trifft, von denen man lernen und mit denen man sich austauschen kann. Unternehmenskultur wird vermittelt und Zusammenhalt geschaffen“, sagt Stefanie Mayr.
Vor allem junge Mitarbeiter wünschen sich einen besseren Austausch im Team, wie David Tekeli auch in seiner Firma erkennt: „Sie sprechen etwa vom gemeinsamen Kochen. Das wäre vor zehn Jahren noch undenkbar gewesen. Aber Firmen müssen umdenken, wenn sie attraktiv bleiben wollen.“
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Funktionieren würde das, wenn man zwei Dinge beachtet: Zunächst und in erster Linie die Unternehmenskultur, die angepasst werden muss, und die Infrastruktur eines Büros. Laut Peter Handlgruber sollten Arbeitsplätze verstärkt dem gemeinschaftlichen Arbeiten gewidmet werden: „Einzelne monotone Räume, die man zum Konzentrieren aufsucht, braucht es nicht mehr. Die hat man zu Hause.“
Wie wichtig solche Gemeinschaftszonen sind, hat auch LexisNexis erkannt. Sie wechselten von einem verwinkelten Altbau zu einem offenen Raumkonzept mit geteilten Arbeitsplätzen. Auf der Trabrennstraße im zweiten Wiener Bezirk findet man ihr Büro im dritten Stock. Riesige Glaswände erhellen die Küche, an die eine Gemeinschaftszone anschließt. Auf großen Couchsesseln können Mitarbeiter es sich bequem machen und mit einer Aussicht auf die Rennbahn in ihre Arbeit vertiefen. Einzelbüros für Chefs gibt es hier nicht mehr, sie sitzen bei ihren Mitarbeitern verteilt im Raum. „Wir wollten mehr Bereiche schaffen, in denen die Leute kollaborativ arbeiten“, sagt LexisNexis Österreich Geschäftsführerin Susanne Mortimore während der Führung.
Damit diese Orte aber tatsächlich genutzt werden, setzen sie zusätzlich auf Mini-Veranstaltungen. Etwa einen Frühstücksklub, bei dem sie gemeinsam in den Tag starten und diverse Themen besprechen. „Ziel ist es, den Teamgeist zu stärken und den Mitarbeitern klar zu kommunizieren, dass jeder und jede eine wichtige Rolle spielt“, so Mortimore.
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Fühlt man sich wohl?
Man kommt nur gerne ins Büro, wenn man sich dort auch wohlfühlt, weiß David Tekeli von Behan Thurm. Auf diesem Prinzip baut Habau ihr Bürokonzept in Linz auf. Denn „Arbeitszeit ist Lebenszeit“, sagt Habau-Chef Hubert Wetschnig, der Effizienz mit angenehmem Arbeiten verbinden will. Aus Erfahrung weiß er, dass „der kürzeste Abstimmungsweg nicht über einen Online-Termin, sondern über den Gang führt“. Deswegen verzichtet das Firmengebäude HAB25 auf fast alle Türen (Toiletten natürlich ausgenommen).
Für Extra-Entspannung und Ausgleich findet man auch eine Innenhof-Oase und ein Fitnessstudio. Gesundheitsfördernde Maßnahmen wären laut Arbeitspsychologin Anna Warga-Hosseini ein Trick, der Büros anziehend macht und privat Geld spart.
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Der „Office of The Year 2023“-Preisträger: Habau
Püspöks Büro im zehnten Wiener Bezirk
Püspöks Büro im zehnten Wiener Bezirk
Püspöks Büro im zehnten Wiener Bezirk
Püspöks Büro im zehnten Wiener Bezirk
Püspöks Büro im zehnten Wiener Bezirk
Püspöks Büro in Parndorf
Mit Aussicht: Püspöks Büro im zehnten Wiener Bezirk
Der „Office of The Year 2023“-Preisträger: Habau
Püspöks Büro in Parndorf
Der „Office of The Year 2023“-Preisträger: Habau
Der „Office of The Year 2023“-Preisträger: Habau
Der „Office of The Year 2023“-Preisträger: Habau
Den Wohlfühlfaktor könne man offenbar auf vielerlei Arten verwirklichen. So setzt die Windpark-Firma Püspök zum Beispiel auf eine gemütliche Wohnzimmeratmosphäre: „Wir haben in unserem Wiener Büro offene Flächen gestaltet, sodass es dort richtig wohnlich wird“, sagt ihr Geschäftsführer Lukas Püspök. Und es scheint zu wirken, denn obwohl sie keine fixen Bürotage haben, sind die Arbeitsplätze sehr gut besucht. Laut Püspök komme es auf die kurzen Besprechungen zwischendurch an: „Das Kaffeetrinken und Zusammensitzen fördert den Zusammenhalt und das Verständnis füreinander.“
Verpflegung hilft im Übrigen mehr als viele glauben, wie Peter Handlgruber scherzend hinzufügt: „Wenn die Kaffeemaschine kaputt ist, braucht man gar nicht erst ins Büro zu kommen.“ Wie zentral ein guter Kaffee tatsächlich ist, hat der KURIER auch selbst getestet. Mit interessantem Ergebnis (siehe unten).
Ein Treffpunkt mit Koffeinkick
Wie eine neue Kaffeemaschine die Teams zusammen bringt
Eigentlich hatten wir nur den Kaffee im Sinn. Jeden Morgen mit frisch gemahlenen Bohnen und geschäumter Milch starten, statt mit jenem aus dem Automaten. Ein Produkttest der neuen De'Longhi La Specialista Maestro kam wie gelegen. Sie macht Heißgetränke und sogar Cold Brew. Das Einrichten, das die Ressortchefin mit den Immo-Kolleginnen übernahm, ging schnell. Der erste Kaffee: direkt eine Offenbarung. Man ist schließlich Kapseliges von zu Hause gewöhnt.
Sobald das sonore Geräusch der Siebträgermaschine erklingt, lugten die Kollegen aus dem Sport um die Ecke. „Ist die für alle da?“, fragen sie. „Natürlich“, sagen wir. „Das lässt auch Männerherzen höherschlagen“, schwärmt ein Kollege, dem wir beim Zubereiten helfen. Nach einem Tag im Homeoffice treffen wir einander im Büro wieder. Natürlich an der Kaffeemaschine, denn die Vorfreude auf frischen Espresso ist groß. Doch die Maschine hat uns die Abwesenheit übel genommen. Statt cremigem Cappuccino spuckt sie etwas aus, das nach verbrannter Erde mit ranzigem Finish schmeckt. Ein Blick in die Milchkanne erklärt zumindest Zweiteres.
Es liegt nicht an ihr, wissen wir. Irgendwer war an unserer Maschine dran, ohne die Anleitung zu lesen. Also tüfteln wir im Kollektiv. Und kommen an dem Tag zu keiner Lösung mehr.
Sie läuft wieder
Mit sauberer Milchkanne, der richtigen Mahlstufe und der optimalen Temperatur finden wir tags darauf die Lösung. Welcher Koch letztlich den Brei verdorben hat, wissen wir nicht. Im ganzen Stockwerk hüllt man sich in Schweigen. Dennoch kommen wir seitdem mehrmals täglich zusammen. Philosophieren, ob das Brühen gelungen ist und welche Milch das Schäumen verweigert. Hergeben wollen wir unser neues Büromitglied nicht mehr – aber das ist eine andere Geschichte.
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