Hannah Wundsam: "Österreichische Start-ups sind erwachsener geworden"
Ein neuer Risikokapitalfonds mit Bundesmitteln bis zu 72 Millionen Euro soll neue Impulse für die österreichische Start-up-Szene setzen. Der Fonds soll mit Hilfe des Staates privates Kapital von bis zu 500 Millionen Euro mobilisieren, hofft Wirtschaftsminister Martin Kocher.
Das Wirtschaftsministerium präsentierte heute den neuen Austrian Startup Monitor 2022. In der fünften Ausgabe erfassen der Thinktank Austrian Startups, das Austrian Insitute of Technology und das WU Gründungszentrum die wichtigsten Daten rund um die heimische Gründerinnen- und Gründerszene und stellen fest:
Österreichische Start-ups sind diverser und "erwachsener" geworden und legen ihren Fokus auf Ökologie und Soziales. Doch 2022 war kein einfaches Jahr in Start-up-Kreisen und 2023 wird es auch nicht. Ein Interview mit Austrian-Start-up-Geschäftsführerin Hannah Wundsam.
KURIER: Heute ist der neue Startup Monitor erschienen. Gibt es Bereiche, die diesmal erhoben wurden, die in den vergangenen vier Ausgaben noch nicht enthalten waren?
Hannah Wundsam: Wir hatten dieses Jahr erstmalig das Schwerpunktthema Migration. Hier haben wir einige spannende Einblicke gewonnen. 25 Prozent der Gründerinnen und Gründer in Österreich haben einen Migrationshintergrund – das ist auch repräsentativ in Hinblick auf die Bevölkerung.
Ein überproportional großer Teil ist in Deutschland geboren. Er macht ein Drittel aus, weshalb wir bei den Barrieren differenziert haben. Bei allen gilt jedoch: Die größte Barriere ist das fehlende Netzwerk. Für Personen aus dem EU-Ausland (Anm. 16 Prozent) sind es sprachliche und bürokratische Barrieren, die vordergründig sind.
Gibt es genügend Angebote, damit sich Gründerinnen und Gründer mit Migrationshintergrund besser zurechtfinden?
Es gibt die Institution Austrian Business Agency, die sehr viele Angebote für Personen aus dem Ausland hat, die in Österreich gründen wollen. Auch wir bei Austrian Startups haben 80 Prozent all unserer Tätigkeiten auf Englisch. Und es kommt jetzt eine weitere Förderung vom Bund, die englischsprachig sein wird.
- 25.000 Personen umfasst der Start-up-Sektor in Österreich
- 360 Neugründungen gibt es pro Jahr
- 3300 Start-ups wurden insgesamt seit 2011 gegründet
- 38 Prozent der Start-ups haben mind. eine Frau im Gründungsteam
- 19 Prozent der Gründerinnen und Gründer sind weiblich
Welche Bereiche abseits der Migration stechen im neuen Startup Monitor hervor?
Wir sehen, dass wir bei Ausbildungs-Spin-Offs einen Anstieg haben. Das sind Spin-Offs, die aus einer Universität heraus von Studierenden entstehen aber nicht aus der Forschung kommen.
Jedes vierte Start-up ist quasi ein Spin-Off in Österreich. Wo wir einen leichten Rückgang sehen, ist bei den Forschungs-Spin-Offs. Das ist dadurch zu begründen, dass die Finanzierungslandschaft in Österreich herausfordernder geworden ist.
Was heißt das konkret?
Um eine neue Innovation zur Marktreife zu bringen, braucht es größere Beträge. Die Finanzierungslandschaft geht mit der allgemeinen Marktlage einher – speziell angestoßen durch diverse Krisen haben Investorinnen und Investoren eine stark konservative Haltung eingenommen.
Welche Trends waren 2022 im Start-up-Sektor am präsentesten?
Seit 2018 steht schon immer die Artificial Intelligence an erster Stelle – eine Technologie, die also nicht erst seit dem Hype um ChatGPT in der Start-up-Szene angekommen ist. 2022 waren es außerdem Erneuerbare Energien und Energiespeicher, die die Plätze zwei und drei belegen.
Generell ist es so, dass jedes zweite Start-up in Österreich ein soziales oder nachhaltiges Ziel verfolgt. Auch Investorinnen und Investoren legen einen starken Fokus darauf. Daran sieht man, dass Start-ups gerade in Zeiten von Krisen Innovationstreiber sind.
Waren diese Bereiche so im Fokus aufgrund der Krisen, oder wären sie das ohnehin gewesen?
Sie wären auch so in den vorderen Rängen gewesen, aber – das ist einer der Vorteile von Start-ups – dadurch, dass sie relativ klein und agil sind, können sie sehr schnell auf Anforderungen reagieren.
Gab es abseits der Geschäftsmodelle in der Start-up-Szene selbst Veränderungen, die sich ablesen lassen?
Was man sieht: Die Start-up-Szene wird langsam erwachsener: Das sehen wir unter anderem daran, dass mehr Start-ups auch mehr Mitarbeiter beschäftigen. Also die Anzahl an über 20 oder sogar 50 Mitarbeitern ist gewachsen. Sie planen, trotz Krise im nächsten Jahr 10.000 neue Jobs zu schaffen.
Nicht ganz unproblematisch – Unicorns wie GoStudent und Bitpanda machten mit Massenkündigungen Schlagzeilen. Ist der Bedarf da, wird aufgestockt. Ist er weg, wird rigoros abgebaut.
Das ist tatsächlich ein Thema. 2022 waren auch Start-ups dabei, die angegeben haben, Mitarbeiter abzubauen. Da waren die letzten Monate und Wochen durch die Verunsicherung bei den Banken und der Finanzierungslage nicht leicht.
Grundsätzlich kann man es aber von zwei Seiten sehen: Die Start-ups, die relativ schnell Umsatz generieren können, haben definitiv gerade mehr Chancen, Mitarbeiter aufzubauen. Es ist aber die allgemeine Marktsituation, die verursacht, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter abgebaut werden. Das trifft also nicht nur die Start-up-Szene.
Wichtig ist in diesem Umfeld: Wie geht man richtig damit um? Da gibt es viele gute Beispiele von Start-ups, die einen sehr transparenten Umgang pflegen und für jene, die ihre Jobs verlieren, auch schnelle Lösungen finden. Es handelt sich schließlich um hochqualifizierte Kräfte, die händeringend in der Wirtschaft gesucht werden.
Austrian Startups Managing Director Hannah Wundsam nominiert:
2022 war anspruchsvoller als das Rekordjahr 2021, in dem Österreich sich über seine ersten Unicorns freuen durfte. Wie geht es den Start-ups 2023 bislang?
Das Thema Unicorn ist gerade nicht die oberste Priorität. Unicorns wurden getrieben von sehr viel Geld, das locker saß und von sehr hohen Bewertungen.
Der Fokus sollte jetzt aber nicht darauf sein, wie man das nächste Unicorn werden kann, sondern wie sich wichtige gesellschaftliche Probleme lösen lassen. Diesen Trend sieht man auch gerade sehr stark.
Dennoch ist es wichtig, auf skalierbare Lösungen zu setzen, sodass es gute Rendite für Investorinnen und Investoren gibt. Das Jahr wird sicher nicht einfach – die Finanzierungslage wird nicht von heute auf morgen besser werden. Da braucht es neue Anreizsysteme.
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