Süchtig nach Luxus: Warum Generation Z nicht auf Marken verzichten kann
Colin F. liebt Marken. Insbesondere die US-amerikanische Luxusmode von Ralph Lauren hat es dem 16-Jährigen angetan. Eine blaue Winterjacke soll es sein, hauptsächlich wegen des dezent platzierten Polospielers. „Die Jacke hat mir sehr gut gefallen, der Knackpunkt war aber, als ich sie auf Social Media gesehen habe.“ Dann war klar, das Teil muss her und mittlerweile hat er es auch bekommen.
Luxus ist dem Schüler „schon wichtig“, sagt er. Das steht für Qualität, Selbstbewusstsein, Professionalität und bringt Komplimente. Mit dieser Auffassung ist Colin F. nicht alleine, zeigt eine aktuelle Studie von Marketagent, die den Stellenwert von Luxus unter 1.020 Österreichern erfragt hat.
Das Ergebnis: Luxusprodukte sind kein fester Bestandteil des Alltags – das sagt die Mehrheit der Österreicher. Mit einer Ausnahme, der Generation Z, die ungefähr zwischen 1995 und 2010 geboren ist. Sie misst Luxus eine deutlich höhere Bedeutung zu. Vier von fünf jungen Menschen geben an, bereits ein Luxusprodukt erstanden zu haben. Bei den Babyboomern (Mitte der 1950er bis Ende der 1960er-Jahre geboren) sagt das nur jeder Zweite.
Aber wie kann sich die junge Generation das leisten und kaufen sie nicht eher Fast Fashion und Secondhand? Oder will sie am liebsten alles gleichzeitig?
Große Träume: Wer bezahlt den Luxus?
Kilian Hampel ist Jugendforscher und hinterfragt, was die GenZ überhaupt unter Luxus versteht. Denn ein Statussymbol wird seiner Erfahrung nach vielseitig definiert. Kann von der teuren Marke über die eigene Intelligenz bis zur persönlichen Freizeit und einer guten Work-Life-Balance reichen. Dennoch sieht auch er in seinen Forschungen, dass Marken eine extrem wichtige Rolle bei Jugendlichen spielen.
Und immer mehr kosten dürfen, ergänzt Gudrun Steinmann vom Fonds Soziales Wien, die Finanzworkshops für junge Menschen leitet. Hat man unter Luxus früher 40 bis 400 Euro verstanden, hängen die Jungen heute eine Null dran, berichtet sie. „Wir sind bei 4.000 Euro und mehr.“ Die Ziele sind groß gesteckt. Die weißen Turnschuhe sollen ein Hakerl (Nike) oder Krokodil (Lacoste) haben. Ganz groß im Trend wären außerdem Luxusparfums, die man sich sogar in Ratenzahlungen holen kann.
„Die Werbung sagt: Was du dir nicht leisten kannst, wird leistbar gemacht“, merkt Steinmann an. Und sieht diesen Ansatz auch beim Autokauf. Da darf es bei den Jungen nicht mehr der kleine Opel sein, sondern ein SUV mit ordentlich PS. Macht 50.000 Euro aufwärts.
"Sie werden regelrecht bombardiert mit Trends"
Fragt man den 23-jährigen David S. ist sein Wunschluxusartikel ein Bugatti Veyron. Ein Sportwagen, der für rund zwei Millionen Euro zu haben ist. „Das versüßt das Leben“, ist er sicher. „Und man wird besser wahrgenommen.“
Wie man als Berufsanfänger erst überhaupt auf die Idee kommt, einen solchen Luxus besitzen zu wollen, kann Marketing- und Konsumentenexpertin Eva Marckhgott der WU Wien einfach erklären: „Sie werden regelrecht bombardiert mit Trends“, sagt sie. Der größte Treiber wäre natürlich das Internet, insbesondere Social Media. „Man sieht etwas andauernd und bekommt das Gefühl, das jetzt auch haben zu müssen, um dazuzugehören.“
Besonders eindrucksvoll führt das aktuell der Hype um die Dubai-Schokolade vor Augen. Aber es funktioniert genauso mit dem Hermès-Gürtel oder der Billig-Pelzjacke eines chinesischen Online-Shops, die auf einmal jeder trägt, erklärt sie: „So wirkt Werbung. Je öfter ich etwas sehe, desto besser gefällt es mir, selbst wenn ich es früher nicht cool fand.“
Sich dem zu entziehen, ist heute fast unmöglich. „Man müsste als junger Mensch sehr stark entwickelt sein, um nicht mitzumachen. Gruppendruck hat es schon immer gegeben, ist aber durch Social Media noch stärker geworden.“ Die Marken wissen das. Und nutzen es für sich.
Es muss nicht das Original sein, Fälschungen sind erlaubt
Unternehmen haben längst erkannt, wie sie kommunizieren müssen, um die Jungen zu erreichen, sagt Marckhgott. Wenig überraschend setzen sie auf Influencer, die stark orchestriert ein Produkt in den Fokus rücken.
„Früher war es vielleicht eine Werbung, die man gesehen hat. Jetzt sind es hunderte Influencer, die ein Produkt zeitgleich bewerben.“ Auf einmal tragen alle die gleichen UGG-Lammfellschuhe oder Samba-Sneakers von Adidas. Werbung, die unterbewusst wahrgenommen wird, erklärt Kilian Hampel. Und einen Hype generiert, der letztlich auch Secondhand und Fast Fashion mit günstigen Duplikaten zugutekommt. Original muss das Objekt der Begierde nämlich nicht sein, belegt auch die bereits erwähnte Luxus-Studie.
Vier von zehn Befragten empfinden Imitationen als legitime Alternative zu echten Luxusmarken. Doch auch bei Fälschungen ist die GenZ aufgeschlossener als der Rest. Jeder Zweite hätte bereits bewusst zu einem Imitat gegriffen. Gudrun Steinmann kann das aus der Praxis bestätigen. Manche Schüler würden für das gewünschte Logo über die Grenze nach Excalibur-City fahren, um es sich dort billiger zu holen. Sind Fälschungen im sozialen Umfeld nicht akzeptiert, greift man eben zu Secondhand.
„Es ist so viel Kleidung, sogar schöne Markenkleidung, im Umlauf, die man gebraucht kaufen kann“, schwärmt die 20-jährige Lisa G. Mit Massenproduzenten, die Fälschungen anbieten, wie Shein und Temu, kann sie persönlich nichts anfangen. „Ich finde es schon erbärmlich, wie viel auf diesen billigen Plattformen unüberlegt gekauft wird.“ Jeder Dritte der Generation Z gibt immerhin an, süchtig nach Fast Fashion zu sein, so eine Untersuchung des Secondhand-Anbieters Thredup.
„Die finanzielle Belastbarkeit der Menschen ist aktuell am absteigenden Ast“, erklärt Kilian Hampel. „Zurückstecken will man aber nicht, weil es die anderen ja auch nicht tun. Man will dabei sein und steigt deshalb auf die günstige Variante um.“ Oder mixt günstig mit teuer. Die Basis-Ausrüstung kommt vom Billig-Anbieter, sichtbare Accessoires oder andere Statussymbole wie Handys vom Original. Widersprechen würde sich dieses Konsumverhalten nicht, sind sich die Experten einig.
Unterschied erkennen: Wann ist es Luxus und wann Notwendigkeit
„Beide, sowohl Luxus-Schiene als auch Fast-Fashion, sprechen das Bedürfnis nach Selbstdarstellung an“, sagt Marketing-Profi Eva Marckhgott. In der Soziologie und in den Wirtschaftswissenschaften würde man von „demonstrativem oder Geltungskonsum“ sprechen.
Bedeutet: Man hat einerseits den Wunsch, Produkte in höherer Qualität (und zu höherem Preis) zu besitzen, andererseits aber auch in einer großen Menge. Das trifft übrigens nicht nur auf die Generation Z, sondern auf alle Generationen zu, sagt sie. „Konsumenten legen scheinbar gegensätzliche Konsummuster an den Tag.“ Das würde sich längst nicht nur bei Mode, Schmuck oder Technologie zeigen. Selbst beim Lebensmitteleinkauf wäre es heute völlig normal, sowohl zum Diskonter als auch zum Delikatessladen zu gehen.
Letztlich ginge es darum, zu reflektieren und zu erkennen, wann es sich um Luxus handelt und wann um eine Notwendigkeit. Einfacher gesagt: Ob die neuen Turnschuhe Priorität haben oder das Dach über dem Kopf. Denn der Unterschied ist in der Werbeflut oft nicht mehr erkennbar.
Wer den Blick für das Wesentliche finden will, sollte sich laut Steinmann fragen, warum man etwas möchte. Weil TikTok es vorgegeben hat, der Gruppendruck oder weil das Produkt wirklich gefällt und lange eine Freude bereiten wird. Von Dauer wären schließlich die wenigsten Trends. Auch wenn sie nach einigen Jahren meist (etwas abgeändert) wiederkehren.
Mehr zur Luxus-Studie
- Braucht man Luxus?
Das Meinungsforschungsinstitut Marketagent befragte 1.020 Österreicherinnen und Österreicher zu ihrer Einstellung gegenüber „Luxus“. 80 Prozent der Befragten gaben an, auf Luxus verzichten zu können, bzw. beschreiben 79 Prozent ihren Lebensstil ohnehin als „gar nicht luxuriös“. Hier lässt sich aber ein Unterschied zwischen den Generationen feststellen: In der GenZ bezeichnet jeder Dritte seinen Lebensstil als moderat luxuriös
- Was ist Luxus?
40 Prozent der befragten Österreicher verstehen unter Luxus vor allem Freiheit (48 Prozent), Wohlbefinden und Gesundheit (45 Prozent). Erst danach folgen Wohlstand (36 Prozent) und luxuriöse Urlaube sowie Erlebnisse (35 Prozent). Wenig überraschend ist somit, dass 60 Prozent der Aussage zustimmen, dass Luxus die Lebensqualität erhöht. Mehr als die Hälfte der Befragten sieht Luxus als Zeichen für Erfolg
- Wer will Luxusmarken?
Generell haben laut Studie Luxusmarken einen geringen Stellenwert in Österreich. 53 Prozent der Befragten bezeichnen es als unnötige Geldverschwendung – und zwei Drittel würden einen geschenkten Luxusartikel nicht behalten, sondern weiterverkaufen, um damit Geld zu machen
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