Generationen-Talk: Österreichs jüngste und älteste Unternehmerin
64 Jahre trennen die beiden Unternehmerinnen voneinander: Johanna „Hanni“ Vanicek, Inhaberin von „Zur schwäbischen Jungfrau“ ist 83 Jahre alt, Viktoria Izdebska, CEO von „Salesy“, gerade einmal 19. Zwei Generationen, zwei unterschiedliche Frauen – mit einer großen Gemeinsamkeit: Beide sind leidenschaftliche Unternehmerinnen, die für Ihr Geschäft brennen. Welchen Herausforderungen die beiden Frauen sich in ihrer bisherigen Laufbahn stellen mussten und wieso Unabhängigkeit für beide einen hohen Stellenwert hat, erzählen Sie im Gespräch mit dem KURIER.
KURIER: Frau Vanicek Sie haben 1960 mit 21 Jahren die „Schwäbische Jungfrau übernommen. Was waren damals die größten Herausforderungen für eine so junge Frau, ein traditionsreiches Unternehmen zu leiten?
Johanna Vanicek: Es verlangt viel Energie, Talent und Fleiß. Ich wollte Sängerin werden. Meine Mutter hat zu mir gesagt: „Bevor du eine mittelmäßige Sängerin wirst, mach lieber eine Modeschule.“ Daneben habe ich Abendkurse gemacht. Als ich das Geschäft übernommen habe, war es eine große Herausforderung, aber auch eine enorme Freude.
Neben Ihnen sitzt Frau Izdebska, sie ist 19 Jahre jung ...
Vanicek: Sie sind 19 Jahre?
...und hat vor kurzem ihr eigenes Start-up gegründet „Salesy“. Können Sie Frau Vanicek erklären , was „Salesy“ ist?
Viktoria Izdebska: Wir haben ein Tool entwickelt, das den Markt nach Finanzierungsrunden oder Managementwechsel scannt und Kunden für Recruiting- oder Marketingfirmen findet.
Vanicek: Und haben Sie ein kleines Büro, haben Sie Mitarbeiter?
Izdebska: Wir sind aktuell fünf Leute, und ich habe zwei Mitarbeiter zu zahlen, was etwas komplett Neues für mich ist.
Vanicek: Wir sind derzeit 18 Leute, und ich bin die Einzige, die keinen Computer bedient. Ich kann sehr gut Kopfrechnen und habe sehr gute Ideen. Mit den Leuten rede ich aber am liebsten in echt oder am Telefon.
Izdebska: Ich glaube, dass genau das viele Firmen wieder anstreben: den menschlichen Kontakt.
Frau Izdebska, Sie haben mit 19 Jahren ein Start-up gegründet. Man muss leider sagen, dass die Start-up-Szene in Österreich noch sehr männerdominiert ist. Wie geht es Ihnen damit?
Izdebska: Ich muss ehrlich sagen, dass ich bisher wenig negative Erfahrungen gemacht habe. Man wird ernst genommen, wenn man sich ernst präsentiert. Es gibt die Female-Founders, die Frauen pushen. Ich mag es aber nicht, wenn nichts dahinter ist. Ein Start-up muss immer Substanz und Qualität haben.
Frau Vanicek Sie haben nie geheiratet. War Ihnen Ihre Unabhängigkeit wichtiger?
Vanicek: Ja, die Unabhängigkeit war mir immer wichtig. Ich bin schon ein Familienmensch und hatte auch meine Liebschaften, aber ich wollte nie ganz untergeordnet sein.
Izdebska: Meine Eltern haben mich in der Beziehung auch immer bestärkt. Meine Mutter hat immer gesagt: „Das wichtigste für eine Frau ist, dass sie nicht abhängig ist von ihrem Partner.“ Das hat mich auf jeden Fall ins Unternehmertum gepusht. Dadurch kann ich mich aber in einer Beziehung nicht so einfach fallen lassen.
Frau Vanicek, Sie haben ihren jüngsten Neffen Theodor adoptiert und zum Nachfolger gemacht. Was haben Sie ihm als Unternehmerin beigebracht?
Vanicek: Alles. Theodor hat maturiert, war dann für ein Jahr in Amerika und wollte ursprünglich Sport machen, American Football. Dann hat er bei mir begonnen und er hat wirklich alles gelernt und getan. Er kann sticken, er kann dekorieren und gut mit den Kunden sprechen.
Frau Izdebska, Ihnen hat der Vater offenbar das Unternehmergen mitgegeben. Was sonst noch?
Izdebska: Als ich 15 war, ist mein Vater mit DiTech in die Insolvenz geschlittert. Da habe ich viel gelernt – über Führungsqualität und Krisenmanagement, wie man Kredite aufnimmt oder Förderungen beantragt. Menschlich hat er mir Empathie und Einfühlungsvermögen beigebracht. Das ist, glaube ich, auch der Schlüssel von Sales.
Vanicek: Ich hatte wunderbare Eltern. Beide waren für mich hochanständige Menschen und haben mir viel mitgegeben. Mein Vater war ein Philosoph und hat mir viel Menschliches beigebracht. Er hat auch der Putzfrau immer die Tür aufgemacht. Meine Mutter war der Fels in der Brandung. Sie war eine starke Person, eine Kämpferin. Von ihr habe ich das Durchhaltevermögen.
Was denken Sie beide, wie können Frauen in der Wirtschaft gefördert werden?
Izdebska: Ich halte nicht viel von Frauenquoten. Ich würde mich sehr über eine Frau freuen, die sich als Softwareentwicklerin bei mir bewirbt. Das war bisher aber noch nie der Fall.
Vanicek: Das Frauenbild hat sich ja verschoben. Heute nehmen sich viele Männer Urlaub, wenn die Frau ein Baby bekommt. Die Frage ist immer, was man will: auch eine Karrierefrau mit wenig Zeit kann eine liebevolle Mutter sein.
Apropos Gefühle: Dürfen Unternehmerinnen auch einmal Emotionen zeigen?
Izdebska: Wenn man es ehrlich meint, darf man auch Emotionen zeigen. Niemanden interessiert eine Puppe, die immer nur perfekt ist. Zu seinen Gefühlen stehen heißt nicht, dass man nicht stark ist.
Vanicek: Ich bin stark, aber ich zeige immer Emotionen. Ich habe auch schon geheult vor meinen Angestellten. Und ich finde, es hat uns sogar verbunden.
Frau Vanicek, Sie sind seit über 60 Jahren im Unternehmen. Frau Izdebska hat noch eine lange Laufbahn vor sich. Was möchten Sie Frau Izdebska mitgeben?
Vanicek: Ich möchte ihr das mitgeben, was Sie eigentlich schon in sich hat: Ehrlichkeit, Fleiß und Sympathie.
Frau Izdebska Sie sind noch am Anfang Ihrer Karriere. Können Sie sich vorstellen, bis ins hohe Alter ihr Business zu betreiben?
Izdebska: Auf jeden Fall, ja. Das Schönste ist, wenn man sich etwas aufgebaut hat, das man weitergeben kann. Ich habe sehr viel Respekt vor Unternehmen, die schon so lange am Markt sind.
Sind Frauen die besseren Unternehmerinnen?
Izdebska: Empathie, Menschenkenntnis und ein sympathisches Auftreten sind wichtig. Aber dafür muss man nicht unbedingt eine Frau oder ein Mann sein.
Vanicek: Wir sind nicht die besseren, aber wir sind auf jeden Fall beständig.
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