Erst Geduld führt zum Erfolg

Teams sind weniger gierig als Einzelpersonen, zeigt die Forschung von Matthias Sutter.
Gier kann dramatisch enden, Geduld macht langfristig erfolgreicher, sagt Matthias Sutter.

Matthias Sutter experimentiert im Labor mit Menschen – er untersucht ihr Verhalten zu ökonomischen und finanziellen Fragestellungen. Der experimentelle Ökonom erklärt die neuesten Forschungsergebnisse: Warum geduldige Menschen erfolgreicher sind als gierige und wie sich das Verhalten der Manager auf ihre Mitarbeiter auswirkt.

KURIER: In Ihrem Buch schreiben Sie, geduldige Menschen sind erfolgreicher. Warum?

Matthias Sutter: Weil sie Hürden besser übertauchen. Gehen wir mal davon aus, Sie und ich haben die gleich hohe Intelligenz. Sie sind aber ausdauernder und geduldiger als ich. Sie haben eine stärkere Zukunftsorientierung, sind gewillt, auf sofortiges Einkommen zugunsten eines Studiums zu verzichten. Die Fähigkeit, zuzuwarten und einer Versuchung zu widerstehen, hat langfristig einen starken Effekt. Solche Menschen sind gesünder, gebildeter und verdienen mehr, wie Langzeitstudien zeigen.

Wie passt das in unsere kurzlebige Wirtschaftswelt?

Mein Kollege Kurt Matzler hat Tiroler Unternehmen befragt, ob sie einen kurzfristigen Erlösgewinn für langfristig bessere Ertragsaussichten hintanstellen. Das Fazit: Die Topmanager, die auf die langfristige Perspektive setzen, sitzen in den erfolgreicheren Unternehmen. Wobei man nicht weiß, was Henne und was Ei ist.

Etwas schnell haben zu wollen, steigert doch auch die Motivation.

Ja, aber kurzfristige Motivation kann riskant sein: Boni für den kurzfristigen Erfolg erhöhen die Risikofreudigkeit und können dramatische Nebenwirkungen haben – wie die Finanzkrise zeigt. Es braucht eine gute Mischung aus lang- und kurzfristigen Incentives. Meinen Doktoranden rate ich, neben schnellen Projekten, die motivierender, schneller publizierbar und für den Lebenslauf daher wichtig sind, auch ein spannendes langfristiges Projekt zu verfolgen, mit dem sie tiefere Erkenntnisse gewinnen können.

Ist Belastbarkeit nicht der wichtigere Faktor für diese Ausdauer?

Ja, Ausdauer hat auch viel mit Frustrationstoleranz zu tun, bei Misserfolgen dranzubleiben und nicht aufzugeben.

Ist Geduld vererbbar?

Ein offener Punkt. Es gibt weltweite Forschungsprojekte zur genetischen Komponente. Fest steht: Eine geduldigere Mutter hat geduldigere Kinder.

Inwiefern spielt Geduld bei Teamentscheidungen eine Rolle?

Teams sind geduldiger, sie entscheiden sachlicher, widerstehen kurzfristigen Versuchungen eher als die Einzelperson. Ein Beispiel: Sie stellen einem Team zehn Euro sofort in Aussicht oder elf Euro in einem Monat. Das Team wird sich für die elf Euro entscheiden, der Einzelne nicht unbedingt.

Teams sind also weniger gierig. Wie sieht es mit der Geduld der Manager aus?

Ich glaube schon, dass Manager eher geduldig sind, kaum einer fängt als Vorstandsvorsitzender an, außer vielleicht Marc Zuckerberg. Dafür braucht man Durchhaltevermögen. Geduld ist aber nicht in allen Lebensbereichen in gleichem Maße vorhanden. Beim Zusammensetzen des IKEA-Kastens bin ich nicht so geduldig wie beim Forschungsprojekt.

Wie sehr müssen Manager Vorbilder sein?

Man ist immer ein Vorbild, positiv oder negativ. Ich habe ein Experiment gemacht: Eine Person musste in der Gruppe kundtun, wie viel sie arbeiten will. Wenn der Erste mit gutem Beispiel vorangeht, gehen die anderen mit gutem Beispiel hinterher. Sie wollen dann nicht nichts tun. Andererseits: Wenn der Chef sich nicht um seine Aufgaben kümmert, fragen sich die Mitarbeiter bald, warum sie das sollten. Das zerstört die Mitarbeitermotivation. Zu sagen, die Mitarbeiter müssen funktionieren, egal, wie ich mich als Chef verhalte – das geht nicht.

Wie wichtig ist Vertrauensbildung für die Motivation?

Aus vielen Studien wissen wir: Zukunftsorientiertes Handeln braucht verlässliche Rahmenbedingungen. Die in Aussicht gestellte Anerkennung muss auch kommen. Zukunftsorientiertes Wirtschaften heißt: Man muss halten, was man verspricht. Das schafft Vertrauen.

Selbstbestimmtes Arbeiten ist viel diskutiert. Wie viele Freiheiten soll man den Mitarbeitern geben?

Das ist von Branche zu Branche verschieden. Kreative Köpfe sollte man nicht gängeln, zu wenig Kontrolle ist aber auch schlecht. Ich begegne meinen Mitarbeitern mit einem Vertrauensvorschuss. Der erste Schritt ist: die Freiheit liegt bei dir. Funktioniert das nicht, muss man mit Kontrolle nachjustieren.

Zur Person

Matthias Sutter (45) lehrt an der Uni Innsbruck und an der Universität zu Köln. Der experimentelle Ökonom zählt zu den führenden Forschern zum Thema Teamentscheidungen und ökonomische Entscheidungen. Sein Buch „Ausdauer schlägt Talent“ ist im Frühjahr erschienen(ecowin, €22,95).

Jungunternehmertag

Am 29. Oktober werden wieder rund 2000 Jungunternehmer ins Messe Wien Congress Center pilgern. Dort findet der Jungunternehmertag statt, Veranstalter sind die Wirtschaftskammer Wien, die Junge Wirtschaft Wien und die Wirtschaftsagentur Wien.
Zahlreiche Vorträge zu den Themen Gründung, Förderprogramme für Gründer und Start-ups, Franchising, Verkauf, digitales Marketing und Familienunternehmen werden geboten.
Der experimentelle Ökonom Matthias Sutter hält um 15 Uhr seinen Vortrag. Das detaillierte Programm finden Sie auf
www.jungunternehmertag.com

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