Eine halbe Milliarde Euro: Warum die Altersteilzeit nicht mehr tragbar ist

Eine halbe Milliarde Euro: Warum die Altersteilzeit nicht mehr tragbar ist
Ist die Altersteilzeit noch zeitgemäß, in einer Zeit des Arbeitskräftemangels? Hinzu kommt, dass sie den Staat jedes Jahr eine halbe Milliarde Euro kostet.

Seit Wochen protestieren in Frankreich mehrere Tausend Menschen gegen die geplante Pensionsreform. Die Pariser Regierung will das Pensionsantrittsalter schrittweise von 62 auf 64 Jahre anheben. In Österreich sorgt unterdessen die Ankündigung der Bundesregierung, die geblockte Altersteilzeit abzuschaffen, für zahlreiche Reaktionen.

Die Variante sei „nicht mehr zeitgemäß“ und wirke nicht positiv auf den Arbeitsmarkt, begründet Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher das Vorhaben.

Heftige Kritik

Beim österreichischen Gewerkschaftsbund (ÖGB) stößt die Entscheidung hingegen auf heftige Kritik: „Das wird die Arbeitslosigkeit oder die Invalidität bei Älteren erhöhen, denn viele sind am Ende ihrer Kräfte und sehen sich außerstande, bis zum regulären Pensionsantrittsalter im Beruf zu bleiben“, ist der Bundesvorsitzende der Produktionsgewerkschaft PROGE, Rainer Wimmer, überzeugt.

In Altersteilzeit kann man in Österreich fünf Jahre vor dem Regelpensionsalter gehen. Letzteres liegt für Männer bei 65 Jahren, für Frauen wird es in den nächsten zehn Jahren stufenweise von 60 auf 65 angehoben.

Anhebung des Pensionsalters

So müssen Frauen, die zwischen dem 1.1.1964 und 30.6.1964 geboren wurden, bereits bis zum Alter von 60,5 Jahren arbeiten. Jährlich kommt ein halbes Jahr dazu, sodass für alle Frauen, die nach dem 30. Juni 1968 geboren wurden, dasselbe Pensionsantrittsalter wie für Männer gilt, also 65.

Die Altersteilzeit ermöglicht es, schon davor die Arbeitszeit um 40 bis 60 Prozent zu reduzieren. Dabei gibt es (noch) zwei Varianten: Die Form des Blockzeitmodells, bei der Beschäftigte eine Zeit lang voll weiterarbeiten und die verbleibende Zeit daheim sind.

Oder die kontinuierliche Altersteilzeit: dabei reduziert man über den gesamten Zeitraum (höchstens fünf Jahre) seine Arbeitszeit um die Hälfte.

Eine halbe Milliarde Euro: Warum die Altersteilzeit nicht mehr tragbar ist

Trotz dieser deutlich geringeren Arbeitsleistung müssen Beschäftigte kaum Entgelteinbußen hinnehmen, erklärt Wolfgang Höfle von der TPA Steuerberatung in Wien: „Angenommen, ein Mitarbeiter arbeitet fünfzig Prozent seiner bisherigen Arbeitszeit, so erhält er trotzdem 75 Prozent des bisherigen Bruttoentgelts. Die 25 Prozent Nicht-Leistungszeit werden beim Blockmodell zur Hälfte vom Staat beziehungsweise vom Arbeitgeber finanziert, beim kontinuierlichen Modell fast nur vom Staat (90 Prozent).“

Hinzu komme, dass sich auch die Abfertigung an der Arbeitszeit und dem Gehalt vor Beginn der Altersteilzeit orientiert.

Die geförderte Altersteilzeit kostet den Staat also eine ordentliche Stange Geld, rechnet Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS), vor: „Die Altersteilzeit hat im Jahr 2021 eine halbe Milliarde Euro gekostet – und das für eine gar nicht so große Menge an Menschen. Das ist eine Privilegierung einer Gruppe.“ 

Interview mit AMS-Vorstand Johannes Kopf

Johannes Kopf, Vorstand des Arbeitsmarktservice Österreich (AMS)

Ein Privileg, das in Österreich im vergangenen Jahr 36.204 Menschen in Anspruch genommen haben, davon 27.746 kontinuierlich, 8.458 geblockt. Insbesondere, das erklärt AMS-Vorstand Kopf, seien es Beschäftigte aus Büroberufen, die in Altersteilzeit gehen.

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