Der Ruf des Unternehmers ist angepatzt. Wer hoch fliegt, kann tief fallen, liest man unter zahlreichen Online-Artikeln und Social-Media-Plattformen in den Kommentaren. Und das nicht erst seit René Benko mit seiner Signa in die Pleite schlitterte. Doch prominente Fälle wie diese haben Auswirkungen, verpassen emsigen Unternehmern ein Schlingel-Image, um das sie nicht gebeten haben.
Ein Beispiel: Theresa Imre gründete 2018 mit markta einen Shop, der Bio-Produkte zu den Städtern bringt. Klingt nach einer guten Absicht, hinterfragt wird diese trotzdem: „Was hat die Dame gegen konventionelle, gesunde Lebensmittel, die viel billiger sind. Ist damit nicht so viel zu verdienen“, schreibt ein User. Oder Felix Ohswald, der mit „GoStudent“ eines der erfolgreichsten österreichischen Start-ups gründete. Und jetzt versucht, wie viele andere, seine Firma durch die Wirtschaftskrise zu navigieren. Das Fazit eines Users zu all diesen Bemühungen: „600 Millionen erhalten. Gewinn wird keiner erwirtschaftet. Aber ein Auftreten als ob die Firma die Welt retten würde.“
Wer hoch fliegt, kann tief fallen
Es zeigt sich: Egal, ob jemand guten Gewissens wirtschaftet oder beim Austesten der Grenzen zu viele übertritt: böse sind die Unternehmerinnen und Unternehmer scheinbar alle, wenn man den Online-Kommentaren unter Artikeln Glauben schenkt. Werden in einen Topf geworfen, in dem dann auch andere Kaliber schwimmen, wie der flüchtige Ex-Wirecard-Manager und mutmaßliche Russland-Spion Jan Marsalek.
Erfreulich ist das für die große Schar an Unternehmern im Land nicht, wie der KURIER in Gesprächen vernimmt. „Erfolgreiches Unternehmertum wird immer mit einem negativen Beigeschmack gesehen“, sagt etwa der Logistiker Alexander Klacska. „Man dreht am Sonntag den Tatort auf und entweder ist der Gärtner der Mörder oder der Unternehmer.“
Klingt nach Ironie, hat aber einen faktischen Boden. Eine Statistik reihte die Tatort-Mörder zwischen 1970 und 2018 nach Berufsgruppen. Siehe da: Der Unternehmer ist als Täter an erster Stelle. Noch vor den Berufskriminellen. Das mag zunächst witzig scheinen, ein besseres Image würde man sich als Unternehmer trotzdem wünschen. Auch wenn man vielleicht nicht ganz unschuldig an der Sache ist.
Wie böse ist er wirklich?
Tatsächlich haben Untersuchungen ergeben, dass Unternehmer im Schnitt weniger verträglich, ruppiger und durchsetzungsstärker sind, erklärt der Leiter des WU-Gründungszentrums Nikolaus Franke. „Es sind diejenigen, die anecken. Aber in gewisser Weise müssen sie das“, erklärt er. „Die Rolle eines Entrepreneurs ist, Innovation durchzusetzen. Das geht immer nur gegen Widerstand.“
Ob das gleichzeitig bedeutet, sich am Rand des Legalen zu bewegen? Auch hier zeigt sich ein Muster, sagt Franke. Eine internationale Studie hat 2013 belegt, dass Unternehmer in ihrer Jugend häufiger kleine Delikte begehen. Geschwindigkeitsübertretungen, Schulverweise. „Nichts Kriminelles, aber kleine Verfehlungen“, so Franke.
Bei echten kriminellen Überschreitungen liege man mit dem Durchschnittsmenschen allerdings gleichauf. Dennoch: beim Unternehmer handelt es sich um einen Persönlichkeitstypus, der Grenzen auslotet. Und dabei manchmal zu weit geht, erkennt auch Wirtschafts- und Sozialhistoriker Peter Eigner von der Universität Wien. „Es gibt durchaus Unternehmer, die sich politisch einmischen. Dann geht es sehr oft an eine Grenze, wo man nicht mehr weiß, ob das gut ist oder schlecht.“
Jüngste Fälle zeigen: Verstrickungen mit der Politik waren nicht gerade förderlich für eine weiße Weste. Und das sei „für die weit überwiegende Anzahl von moralisch handelnden Unternehmern ein Dorn im Auge, wenn schwarze Schafe eine solche Prominenz erreichen“, so Franke.
Gut sein im Geheimen
„Vor allem die, die versuchen, alles richtig zu machen, hören die Unkenrufe. Dass Unternehmer keine Steuern zahlen oder Menschen ausbeuten“, berichtetIFN-Geschäftsführerin Anette Klinger. Sie ist Miteigentümerin von Internorm, einem Familienunternehmen, das Fenster und Türen seit über 90 Jahren ausschließlich in Österreich produziert und Interessierte jederzeit einlädt, sich davon ein Bild zu machen. „Wenn das eine offene Firma ist, man hineingehen und sehen kann, wie Angestellte arbeiten, schafft das einen anderen Zugang.“ Doch den trauen sich nicht alle zu. Obwohl es viele Vorzeige-Betriebe wie Internorm gibt – vor allem in den Bundesländern, erzählt sie.
Es ist schade, dass amerikanische Unternehmen, die keine Steuern zahlen und Signa und Wirecard in den Köpfen fusionieren und zu einem nicht-steuerzahlenden negativen Firmenbegriff geformt werden.
von Anette Klinger, IFN-Geschäftsführerin
Dort würden sie als „Hidden Champions“ sogar zu Weltmarktführern in ihren Nischen heranwachsen. Vor der Öffentlichkeit halten sie diese Position aber lieber geheim, um nicht „falsch interpretiert zu werden“. „Das sind üblicherweise Firmen mit einer sehr werteorientierten Unternehmenskultur, die langfristig und nachhaltig ausgerichtet ist. Und die keine Altlasten an die nächste Generation weitergeben wollen“, sagt Klinger. „Das ist eigentlich die Basis der österreichischen Wirtschaft.“ Doch das wüssten zu wenige.
„Im Moment gibt es nur zwei Extreme: Junge, dynamische Start-ups und böse Kapitalmarkt-orientierte Turbo-Unternehmer.“ Doch selbst der durchaus erfreuliche Vertrauensvorschuss, den Start-ups genießen, wäre nur von kurzer Dauer, so Klinger: „Sobald das kleine Start-up mit hohen Renditen verkauft wird oder ins Ausland abwandert, kippt die Stimmung. Da wird schnell gefragt: Wofür haben die das Geld gekriegt?“
Schattenseite des Erfolgs
Kritik korreliert immer mit dem Erfolg, erklärt WU-Professor Nikolaus Franke. „Unternehmer sind Extremtypen, die spektakuläre Erfolge haben können“, sagt er und verweist auf die Forbes-Listen der reichsten Menschen der Welt. „Es gibt zwei Wege, so reich zu werden. Zu erben, weil jemand anderer zuvor Unternehmer war. Oder selbst Entrepreneur zu sein und eine geniale Idee zum richtigen Zeitpunkt zu haben.“ Macht man als Angestellter alles richtig, ginge sich das nie aus, ergänzt er.
Natürlich würde nur ein kleiner Teil der Entrepreneure wirklich reich werden, „aber dieser ist überproportional präsent und generiert dementsprechend Neid“, erklärt der Institutsleiter. Ähnliches würde für jene gelten, die spektakulär scheitern. „Auch die stehen im Scheinwerferlicht. Dann kommt schnell die andere Seite des Neids zum Vorschein und das ist die Häme.“
Es ist der Traum nach Reichtum, der in das Wechselspiel zwischen Neid und Häme einzahlt, erklärt der Wirtschaftshistoriker Peter Eigner. „Man ist neidisch, wenn sich jemand diesen Traum erfüllt, aber auch ein bisschen ehrfürchtig.“ Ein österreichisches Phänomen, das historisch gewachsen ist, erklärt der Wissenschafter. Denn in Zeiten der Habsburgermonarchie waren es vorwiegend die religiösen Minderheiten, die den Schritt ins Unternehmertum wagten, während die Katholiken das Risiko scheuten, vorgelebt durch tendenziell wirtschaftsfeindliche Beamtenregierungen.
Dass eine so lange gewachsene Skepsis vorerst nicht zu ändern ist, weiß auch IMMOcontract-CEO Sascha Haimovici. Dennoch hofft er, dass wir dem Erfolg in Österreich einmal positiver begegnen. Dass Erfolg bedeutet, gemeinsam etwas zu bewirken, Steuern zu bezahlen und Arbeitsplätze zu schaffen. „Und das ist genau das, was wir jetzt brauchen. Dass die Wirtschaft wieder angekurbelt wird, damit sich alle mehr leisten können“, so der Immobilienvermittler in Hinblick auf die anhaltende Wirtschaftskrise.
„Durch die Krisen, die wir haben, entsteht Innovation. Diese zu liefern, das macht einen guten Unternehmer aus.“ Über Leichen gehen, um im Tatort-Jargon zu bleiben, und Mitarbeiter auf dem Weg zur Innovation ausbeuten, würde sich sowieso rächen, ist Haimovici sicher. „Den Erfolg über den Verlust von anderen zu stellen, ist immer der falsche Weg.“
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