Was kann eigentlich ein Duales Gymnasium?

Die österreichischen Industriebetriebe blicken zuversichtlich voran. Zwei von fünf wollen neue Mitarbeiter einstellen.
Eine Delegation aus Österreich suchte einen deutschen Betrieb auf, um sein Ausbildungsmodell „Duales Gymnasium“ zu erleben. Wäre dieses Konzept auch interessant für heimische Unternehmen?

Der Fachkräftemangel werde immer mehr zu einer „Schicksalsfrage für die österreichische Volkswirtschaft“, sagt Werner Steinecker, Generaldirektor der Energie AG Oberösterreich und Präsident der Lehrlingsinitiative „Zukunft Lehre Österreich“. Man müsse endlich mehr für den Stellenwert der Lehre tun und sie wieder zu einer attraktiven Ausbildung machen – deshalb die Gründung der Initiative. Gewicht geben dem Projekt auch die Geschäftsführer anderer namhafter Großbetriebe. Unter den Mitgliedern sind  u. a. KTM, Siemens, FACC oder Kapsch. Sie alle finden kaum Nachwuchs-Fachkräfte. Der Lehrlingsmangel wird zur Chefsache. 

Das Duale Gymnasium

Auf der Suche nach neuen Lösungsansätzen,  reiste eine Delegation der Lehrlingsinitiative, bestehend aus Steinecker selbst und dem Geschäftsführer Mario Derntl, vor drei Wochen nach Deutschland, an den Reutlinger Standort des Malerbetriebs Heinrich Schmid AG. Vor sechs Jahren entwickelte dieser ein neues Ausbildungsmodell:  ein Duales Gymnasium, wo Schüler neben der schulischen Laufbahn auf den Baustellen des Betriebs u. a.  das Handwerk zum Maler und Lackierer erlernen können – der KURIER berichtete. Die Gymnasiasten erhalten ein halbes Jahr nach dem Abitur  ihren Gesellenbrief. Die Heinrich Schmid AG erhält ausgebildete Gesellen.

Auch für Österreich interessant?

In Österreich   wechseln Schüler die eine Lehre beginnen wollen, nach der Pflichtschule üblicherweise auf eine Berufsschule.   Wäre das Modell aus Reutlingen denn interessant für heimische Betriebe?  Eine Hürde sind jedenfalls die Kosten. Die Heinrich Schmid AG investiert Millionenbeträge in die Ausbildungsmodelle. Damit wäre die Idee  eher für Großbetriebe interessant, so  Steinecker. „Es wäre aber spannend, auch Gymnasiasten für eine Lehre zu überzeugen, die eine heimliche  Liebe zum Handwerk haben, aber in der Schule geblieben sind. Man könnte beide Welten zu vereinen.“ Auch Derntl sieht Potenzial:  „Man könnte  eine völlig neue Zielgruppe ansprechen.“ Tatsächlich gibt es laut Renate Belschan-Casagrande, Bildungsexpertin der Arbeiterkammer, in Österreich sehr ähnliche  Ausbildungsmodelle. „Etwa die Variante, bei der Gymnasien in Werkstätten einen begleitenden Lehrabschluss anbieten. Es ist aber keine Fachkräfteausbildung, sondern eher eine Bereicherung der Schulausbildung.“ 

Direkte Konkurrenz

Unter den Anbietern gebe es  auch die eine oder andere direkte Kooperation zwischen einer AHS und einem Betrieb. Helmut Dornmayr vom Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft findet die Idee „spannend“. Weist aber darauf hin, dass dieses Schulmodell in direkter Konkurrenz zu berufsbildenden höheren Schulen (BHS), wie einer HTL oder HAK, stehen würde. „In Deutschland gibt es diesen Schultyp nicht.“ Zudem werde eine Lehre mit Abitur in Deutschland weniger als Widerspruch wahrgenommen, als in Österreich. „In Deutschland haben knapp 30 Prozent der Lehranfänger Abitur, in Österreich haben nur zwei Prozent eine Matura.“  

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