50-Plus: Wie Unternehmen von älteren Arbeitskräften profitieren

50-Plus: Wie Unternehmen von älteren Arbeitskräften profitieren
Altes Eisen - von wegen. Unternehmen profitieren besonders von Mitarbeitern über 50. Warum, erklärt die Arbeits- und Organisationspsychologin Brigitta Gruber im Gespräch mit dem KURIER.

Ältere Arbeitnehmer werden nicht selten aufs Abstellgleis geschoben, weil sie als weniger leistungsfähig oder unflexibel gelten. Wie falsch diese Vorurteile sind, zeigt die momentane (pandemiebedingte) Situation am Arbeitsmarkt. Erfahrene Arbeitskräfte werden händeringend gesucht, bereits pensionierte Arbeitnehmer ins Unternehmen zurückgeholt. Wieso das eine Chance und ein Weckruf für Unternehmen sein kann, erklärt die Arbeits- und Organisationspsychologin Brigitta Gruber im Gespräch mit dem KURIER.

KURIER: Erfahrene Arbeitskräfte werden momentan händeringend gesucht. Unternehmen holen sogar pensionierte Mitarbeiter wieder zurück. Eine Chance, um auch in Zukunft das Potenzial dieser Gruppe am Arbeitsmarkt wieder mehr wertzuschätzen?
 

Brigitta Gruber: Ich kenne es aus aktuellen Gesprächen mit Unternehmen: Sie brauchen Beschäftigte, die so lang wie möglich die Arbeit gut und gern machen können und wollen, weil es einen demografischen Wandel gibt. Weil die „Babyboomer“ die Mehrheit der Belegschaft getragen haben und in den nächsten Jahren in das reguläre Pensionseintrittsalter kommen. Das spüren die Unternehmen, und daher wird das Thema Personalfürsorge wieder wichtiger. Es tut sich etwas.

Eine Eurostat-Studie aus 2019 zeigt, dass in Österreich nur 54 Prozent der 55- bis 64-Jährigen in Beschäftigung sind. Wie lässt sich das erklären?

Einerseits gibt es oft gesundheitliche Problemsituationen und die Rückkehr auch bei möglicherweise Wiederherstellung der Arbeits- und Gesundheitsfähigkeit ist oftmals sehr schwer. Wir haben in Österreich hier aber gute Förderungsmöglichkeiten, zum Beispiel „fit2work“. Es gibt also Möglichkeiten, wir müssen diese aber noch besser kommunizieren. Dazu kommt, dass es in vielen Unternehmen Restrukturierungsprozesse gegeben hat und man dabei eher auf die jüngere Generation gesetzt hat. Diese Altersdiskriminierung in manchen Unternehmen hatte möglicherweise auch zur Folge, dass sich Mitarbeiter enttäuscht zurückgezogen haben.

Welche Bedürfnisse haben die älteren Arbeitskräfte und wie kann man diese als Arbeitgeber erfüllen?

Es gibt Bedürfnisse, und die sind wichtig! Wie kommen Mitarbeiter über 50 mit der jüngeren Führungskraft zurecht? Werden sie überhaupt wahrgenommen? Das Thema Wertschätzung und Anerkennung ist mit 50 Jahren noch genauso wichtig. Und auch der Wunsch nach Veränderung im Unternehmen hört mit dem Alter nicht auf. Auch Soziales spielt eine große Rolle. In jüngeren Jahren will man Familie und Arbeit unter einen Hut bringen, später muss man sich möglicherweise um pflegebedürftige Angehörige kümmern. Flexible Arbeitsgestaltung ist also ein generationenübergreifender Wunsch. Das gilt auch fürs Lernen: Ich erinnere mich an eine Führungskraft, die sich nach langer Zeit im Unternehmen noch verändern und daher eine Fortbildung machen wollte, die ihr aber verwehrt wurde. Es gibt aber auch im höheren Berufsalter sehr wohl noch Lebenslaufwünsche. Man möchte noch etwas entdecken und ausprobieren.

Work-Life-Balance ist also nicht nur ein Bedürfnis jüngerer Arbeitskräfte?

In jeder Lebensphase spielt diese Balance eine Rolle. Zuerst ist es die Familiengründung, dann eben die Pflege eines Angehörigen. Manche Ältere sind aber auch an einer Bildungskarenz interessiert, weil sie neue Möglichkeiten ausloten möchten. Oder sie brauchen einfach eine kreative Auszeit, um danach wieder motiviert in den Beruf einzusteigen. Hier braucht es noch mehr Möglichkeiten für Beschäftigte und Betriebe. Lebenslaufentwicklung bringt etwas – man sollte in diese Richtung Initiativen setzen.

Es ist leider oft so, dass ältere Menschen aufgrund eines Schicksalsschlags oder einer Erkrankung aus dem Arbeitsprozess ausscheiden müssen. Ein stufenweiser Wiedereinstieg ist dann nicht immer möglich. Was ist zu tun?

Das Gute in Österreich ist, dass es hier Initiativen und Fördermöglichkeiten gibt. Vielleicht haben Unternehmen hier noch zu wenig Sensibilität oder Information: Von „fit2work“ über Demographie-Beratung bis hin zum Übergangsmanagement für Führungskräfte. Es wird ein Bedarf da sein, daher werden immer mehr Unternehmen fragen, wie können wir das geschickt machen?

Was signalisiert man Mitarbeitern, die lange Zeit im Unternehmen tätig waren, am besten beim Abschied?

Wesentlich ist es, zu zeigen, dass die Leistungen dieses Menschen im Unternehmen wahrgenommen und wertgeschätzt wurden. Vielleicht lässt sich auch etwas initiieren, wo er oder sie dieses Erfahrungswissen – und das hat die Reinigungskraft genauso wie die IT-Fachperson – noch einmal weitergeben kann. Dankbarkeit ist in der Arbeitswelt eine Kategorie. Das tut gut und gibt einem das Gefühl, dass etwas von dem, was man im Unternehmen geleistet hat, bleiben wird.

Aktuelle Beschäftigung in Zahlen

Im Jänner 2022 sind beim AMS Wien 39.616 über 50-Jährige als arbeitssuchend gemeldet oder in Schulung. Das sind um 1.156 mehr Personen als im Jänner 2020. Unternehmen, die bereit sind, Personen mit langjähriger Berufserfahrung einzustellen, erhalten eine Förderung etwa von der Stadt Wien oder dem AMS (Die „Joboffensive 50 plus“).  
 

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