Mehr als 70 Prozent des in Österreich verkauften Brotes kommt aus dem Supermarkt oder vom Diskonter. Trotzdem hat Josef Weghaupt mit Ende 20 seinen Job bei einem Industriebäcker an den Nagel gehängt und Joseph Brot gegründet. In seiner Bäckerei in Burgscheinitz (NÖ) arbeiten knapp 100 Mitarbeiter, Fließbänder gibt es keine. Verkauft wird das Bio-Brot primär in den eigenen acht Filialen – zu stolzen Preisen. Der KURIER hat Weghaupt im Gastgarten seiner Filiale in Wien Mitte getroffen. Dass er mitunter als „Bobo-Bäcker“ bezeichnet wird, hört der Favoritner gar nicht gern. Und auch sonst regt ihn vieles auf. Von E-Nummern bis zu den vielen Supermärkten im Land. Der Unternehmer holt zum Rundumschlag aus.
KURIER: Sie verkaufen Brot zu Kilopreisen von bis zu 30 Euro. Gehören Sie zu jenen, die sagen, dass man Brot aus dem Supermarkt nicht mehr essen kann?
Josef Weghaupt: Würde ich das sagen, würde mir meine Mama eine Watschn runterhauen. (lacht) Ich komme aus einer Arbeiterfamilie aus Favoriten, bei uns war das Geld immer knapp, da hat man sich solche Fragen erst gar nicht gestellt. Natürlich kann man das Brot essen, etwas anderes zu sagen, wäre präpotent. Viele können sich nichts anderes leisten. Das teuerste Brot bei uns ist das glutenfreie Bio-Sauerteigbrot – 12 Euro für 380 Gramm. Das ist ein ehrliches Produkt mit einem ehrlichen Preis, für den ich mich nicht entschuldige. Das normale Joseph-Brot kostet übrigens 8,60 Euro das Kilo. Auch dafür entschuldige ich mich nicht.
Als unbedarfter Konsument fragt man sich, ob das eine Brot so viel besser ist als das andere ...
Weil der Konsument nicht weiß, was in unverpackten Lebensmitteln steckt. Es gibt ja keine Kennzeichnungspflicht, keine E-Nummern auf unverpackten Lebensmitteln. Und das, obwohl der Kunde verdammt noch mal ein Recht darauf hätte, zu erfahren, was in der Semmel drin ist. Das wäre der Konsumentenschutz, den man sich auch auf EU-Ebene vorstellt. Aber bei uns gibt es diesen nicht.
Bei uns gibt es keinen Konsumentenschutz?
Was wir hier haben, ist eine Konsumentenverarsche. Wir haben eine Ausnahmeregelung für die Kennzeichnungspflicht von E-Nummern, die es auf EU-Ebene gibt. Warum? Weil die Lobbyisten das „fucking system“ aushöhlen.
Was steckt denn in den aufgebackenen Semmeln?
Neben E-Nummern technische Enzyme, die Produkte länger haltbar machen. Halbgebackene Semmeln halten damit zum Beispiel ungekühlt drei Tage, bevor sie aufgebacken werden. Handelsketten mögen das, das spart ihnen Stromkosten. Der Konsument bekommt das ohnehin nicht mit, weil diese Enzyme nicht kennzeichnungspflichtig sind.
Überall – vom Brot bis zum Bier. Weiß nur niemand, da redet die Industrie nicht gern davon. Die wesentlichen Dinge werden gern verschwiegen, stattdessen muss jetzt angegeben werden, ob eine Senfsaat im Produkt steckt – Stichwort Allergenverordnung. Diese soll den Konsumenten wohl das Gefühl geben, dass er weiß, was er isst. Wenn man das beobachtet, flippt man als normal denkender Mensch doch aus.
Sie verkaufen nicht an Handelsketten – bleibt das so?
Definitiv, ich lasse mich nicht zum Spielball übermächtiger Handelsketten machen. Auch wenn sie auf ihre Filialen Plakate von Bio, Öko und CO2-Neutralität kleben, ist ihr eigentliches Ziel nur Umsatzwachstum und Verdrängung. Deswegen ist in Österreich die Supermarktdichte so hoch wie sonst nirgends in Europa (Anm: außer in Norwegen). Und wer zahlt diesen Flächenwahnsinn? Am Ende der Konsument und die Lieferanten.
Ganz klein ist Joseph Brot auch nicht mehr. Sie haben rund 19 Millionen Euro Umsatz erwirtschaftet und beschäftigen knapp 300 Mitarbeiter. Wie viele Leute arbeiten eigentlich allein in der Bäckerei?
Wir haben dort 97 Vollzeitmitarbeiter, bilden fünf Lehrlinge aus. Und wir haben sehr auf eine nachhaltige Produktion geachtet. Die Politik redet ja dauernd von CO2-Neutralität. Wissen Sie, wie viel Unterstützung wir bekommen haben?
Sie werden es mir gleich sagen ...
Null. 2015 haben wir 6 Millionen Euro in die Produktion investiert. Unter anderem in die Wärmerückgewinnung und in eine energieeffiziente Kühlung. Bei der Förderstelle hat man uns erklärt, dass wir nichts bekommen. Weil es zu lange dauert, bis sich unsere Investitionen rechnen. Wie viel Energie wir sparen, war irrelevant. Das ist absurd und kurzsichtig. Und jetzt kriegen wir keinen Energiekostenzuschuss. Wissen Sie warum?
Weil den Zuschuss nur Betriebe kriegen, deren jährliche Energie- und Strombeschaffungskosten sich auf mindestens 3 Prozent des Produktionswertes belaufen. Da wir energieeffizient arbeiten, sind wir unter diesem Wert. Das ist so, als würden Sie jene SUV-Fahrer fördern, die besonders viel Dreck in die Luft blasen. Diese Politik hat null Weitblick. Es wird immer so getan, als gäbe es einfache, schnelle Lösungen. Gibt es nicht, die Welt wird komplizierter. Aber den Politikern geht es nur um schöne Bilder und ihre Wiederwahl.
Politiker-verdrossen?
Wenn nur Überschriften präsentiert werden und auf Insta suggeriert wird, das alle Probleme gelöst sind, fragt man sich als Wirtschaftstreibender schon, in welcher Scheinwelt diese Leute leben. In der Wirtschaft haben jedenfalls die wenigsten gearbeitet. Bei mir im Betrieb war auch noch nie ein Kanzler zu Besuch. Politiker machen halt gern Fotos mit den mächtigen Konzernbossen. Das Rückgrat der Wirtschaft sind aber Klein- und Mittelbetriebe wie wir.
Wie sind Sie eigentlich durch die Pandemie gekommen?
Das Gastro- und Liefergeschäft ist weggebrochen, das hat uns vier Millionen Euro Umsatz gekostet. Dafür haben wir 300.000 Umsatzersatz bekommen. Das ist ein wirtschaftlicher Wahnsinn. Aber auch in der Produktion waren wir gefordert, weil die Grenzen dicht waren. 56 Prozent unserer Mitarbeiter in der Bäckerei kommen aus dem Ausland, viele pendeln aus Tschechien. Von einem Tag auf den anderen war das nicht mehr möglich. Wir haben dann Mitarbeiter aus den Küchenteams in die Fabrik geholt ...
... aber die sind doch keine Bäcker, oder?
Na und? Ich bin auch kein Bäcker, sondern gelernter Lebensmitteltechniker. Jetzt wird mich die Bäckerinnung gleich wieder hauen, aber das was dort im Lehrplan steht, brauchen wir bei Joseph Brot gar nicht. Ein Bäcker lernt doch nur noch, wie er ein Premix-Sackerl aufschneidet und aufmischt. So arbeiten wir bei Joseph Brot nicht. Wir lernen Leute an, nehmen jeden, der arbeiten will und normal ist.
Konnten Sie die gestiegenen Produktionskosten an die Kunden weiterreichen?
Nein, unmöglich. Es ist ja alles teurer geworden, von der Energie über Versicherungen bis zu den Lohnkosten. Wir konnten nur einen Teil davon weitergeben, je nach Produkt maximal 5,1 Prozent.
Schreiben Sie Gewinne?
Nein, mehr als eine schwarze Null geht sich derzeit nicht aus.
Josef Weghaupt
Der gebürtige Favoritner ist in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen und gelernter Lebensmitteltechniker. Der 42-Jährige ist verheiratet und Vater von drei Kindern.
Joseph Brot
Drei Viertel des Umsatzes (in Höhe von zuletzt 19 Millionen Euro) kommen aus den eigenen 8 Filialen in Wien, Salzburg, Linz und bei der Brotmanufaktur im Waldviertel. Ein weiteres Viertel aus der Belieferung von Partnern, wie Hotels
270 Mitarbeiter
hat Joseph Brot, davon 97 Vollzeitbeschäftigte allein in der Bäckerei. Gebacken wird ab 4.30 Uhr je nach Saison bis maximal 18 Uhr
Verstehen Sie, dass Sie als Bobo-Bäcker gelten?
Ich bin kein Bobo-Bäcker! Bobos rennen Trends hinterher, unsere Kunden lassen sich nicht von Trends leiten. Sie hinterfragen, woher das Brot kommt.
Gibt es am Land Potenzial für Bäcker wie Joseph Brot oder ist das ein urbanes Phänomen?
Definitiv gibt es auch am Land Potenzial, aber nur mit einem modifizierten Konzept. Die Fixkosten müssen dort niedriger sein, weil die Frequenz geringer ist. Ich sehe für uns noch Potenzial für ein, zwei weitere Filialen, ich will lieber qualitativ wachsen.
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