Jobgarantie für Langzeitarbeitslose würde 1 Mrd. Euro kosten

Symbolbild.
Die Mehrkosten würden laut einer Studie aufgrund von Rückflüssen gering ausfallen.

Eine staatliche Arbeitsplatzgarantie für Langzeitarbeitslose würde laut aktuellen Berechnungen inklusive Rückflüssen für 150.000 Personen rund 1 Mrd. Euro pro Jahr kosten. Bei einem jährlich 14-mal ausgezahlten Gehalt von 1.500 brutto gebe es Nettokosten von 568 Euro, wobei der Wert der zu verrichtenden Arbeit noch nicht berücksichtigt sei, sagte der Wiener Sozialforscher Nicolas Prinz am Donnerstag bei einer Online-Pressekonferenz.

Bei Bruttokosten (Gehalt & Dienstgeberabgaben) von 1.868 Euro pro Monat würde die öffentliche Hand zusätzliche Einnahmen bei der Einkommenssteuer (20 Euro), Sozialversicherung (408 Euro) und Mehrwertsteuer (98 Euro) generieren und sich gleichzeitig 473 Euro Notstandshilfe, 290 Euro Mindestsicherung und 11 Euro sonstige Leistungen ersparen, rechnete Prinz vor. Er arbeitet am Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung in Wien.

Die Zahlen stammen aus dem wissenschaftlichen Forschungsartikel "Arbeit für alle? Kosten und Verteilungswirkung einer Jobgarantie für Langzeitbeschäftigungslose in Österreich", die von Prinz, Tamara Premrov und Leonhard Geyer im Vorjahr in der Working-Paper Reihe der AK Wien veröffentlicht wurde.

Laut den Berechnungen würde eine staatliche Jobgarantie für Langzeitarbeitslose bei einem monatlichen Bruttogehalt von 1.500 Euro die Armutsgefährdung um 77.100 Betroffene senken. Von der Jobgarantie würden mehr Männer als Frauen profitieren, weil Männer häufiger von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen seien, sagte Wissenschafter Prinz. Die Einkommensgewinne seien aber bei Frauen, Familien und Mehrpersonenhaushalten ohne Kinder, jungen Menschen und Menschen mit einem Universitätsabschluss am höchsten, weil diese Langzeitbeschäftigungslosen bisher geringere staatliche Unterstützungen erhalten hätten.

110.333 Langzeitarbeitslose

Ende Jänner gab es 110.333 Langzeitbeschäftigungslose in Österreich, ein Rückgang von 29.485 gegenüber dem Vorjahresmonat. Mitte 2021 startete das Arbeitsmarktservice (AMS) das "Sprungbrett"-Programm für Langzeitarbeitslose. 50.000 Langzeitbeschäftigungslose sollen mit Hilfe von Lohnkostenzuschüssen und gemeinnütziger Arbeitskräfteüberlassung bis Ende 2022 wieder einen Job finden.

Politisch umstritten war die Aktion 20.000 für Langzeitarbeitslose, die im Juli 2017 von der damaligen SPÖ-ÖVP-Regierung ins Leben gerufen worden war und unter Türkis-Blau nach kurzer Zeit wieder gestoppt wurde. Bei der Initiative wurden Jobs für Langzeitbeschäftigungslose im öffentlichen Sektor geschaffen. Drei Monate nach Ende der Förderung befand sich rund ein Drittel der Personen (31,7 Prozent) weiterhin in Beschäftigung. Genau die Hälfte der geförderten Personen war nach Auslaufen der Förderung aber wieder arbeitslos, 12,7 Prozent waren in einem "erwerbsfernen Status", darunter finden sich auch jene Personen, die im Anschluss an die Aktion in die Pension übertraten.

Nach Einschätzung des Wiener Soziologieprofessors Jörg Flecker gibt es höhere Mitnahmeeffekte beim "Sprungbrett"-Programm als bei der "Aktion 20.000". Unternehmen würden dann geförderte Langzeitarbeitslose anstatt andere Arbeitskräfte einstellen. Generell gebe es bei zahlenmäßig beschränkten Beschäftigungsprogrammen das Problem, dass die passenden Bewerber genommen würden und wieder viele andere übrigblieben. Aus diesem Grund plädiert Flecker für eine staatliche Jobgarantie für Langzeitarbeitslose. Die gestoppte "Aktion 20.000" bewertet der Soziologieprofessor als Erfolg.

Modellprojekt Marienthal

Das Arbeitsmarktservice (AMS) Niederösterreich startete im Herbst 2020 das Modellprojekt Arbeitsplatzgarantie Marienthal. Es soll alle langzeitarbeitslosen Personen der niederösterreichischen Gemeinde Gramatneusiedl wieder in Arbeit bringen. Das auf bis zu 150 Personen ausgelegte Projekt ist auf rund drei Jahre befristet und wird wissenschaftlich von den Universitäten Oxford und Wien begleitet.

Das Modellprojekt sei "eine willkommene Chance für Langzeitarbeitslose" und gebe ihnen "neue Hoffnung", berichtete die Soziologin Hannah Quinz von der Uni Wien. Langzeitbeschäftigungslose würden unter Monotonie, Stigmatisierung, finanziellen Schwierigkeiten und Ausweglosigkeit leiden. "Endlich wieder arbeiten zu können, ein eigenes Einkommen zu haben und die Verbesserung der finanziellen Situation sind neben dem geregelten Tagesablauf und der Chance auf berufliche Weiterbildung die am häufigsten genannten Vorteile des Projekts", sagte die Wissenschafterin.

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